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Das Wahlprogramm des African National Congress (ANC)

by Marius Glitz
Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) gab sein Wahlprogramm am 8. Januarim Rahmen einer großangelegten Feier anlässlich seines 102-jährigen Bestehens im Mbombela-Fußballstadion, Mpumalanga-Provinz bekannt. Das Election Manifesto 2014 trägt dieÜberschrift „Zusammen bringen wir Südafrika vorwärts“ („Together we move South Africaforward“).

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Die Wochenzeitung Mail&Guardian urteilte über das Wahlprogramm, dass sich die ehemalige Befreiungsbewegung im zwanzigsten Jubiläumsjahr der südafrikanischen Demokratie mehr auf vergangene Regierungserfolge berufe, als dass sie neue, wegweisende Entwicklungspläne ankündige. Auch Prof. Susan Booysen von der Faculty of Commerce, Law and Management an der University of the Witwatersrand kommentierte das Wahlmanifest als defensiv und wenig innovativ. Das Wahlprogramm des ANC listet in seinem Schlussteil eine Reihe von Statistiken über sozioökonomische Verbesserungen auf, die seit 1994 und insbesondere während der letzten Legislaturperiode erreicht wurden. Insgesamt setzt es einen deutlichen Schwerpunkt auf sozialdemokratische Reformen und die Bereitstellung staatlicher Leistungen für Bedürftige. Der ANC teilt seine Regierungsgewalt in einer Dreierallianz mit der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) und dem Gewerkschaftsdachverband Congress of South African Trade Unions (COSATU). Mit ihren großzügigen sozialen Wahlversprechen versucht die Regierungspartei sich nicht zuletzt, nach einer Reihe von internen Auseinandersetzungen, wieder ihren links stehenden Partnern innerhalb der sog. Tripartite Alliance anzunähern. Die National Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA), die größte Mitgliedsgewerkschaft von COSATU, kündigte am 20. Dezember 2013 an, dem ANC jegliche finanzielle und logistische Unterstützung in der anstehenden Wahlkampagne zu verweigern, mit der Begründung, dass die Regierungspartei ihre sozialen Wahlversprechen von 2009 nicht erfüllt habe. Der erst kürzlich neu ernannte COSATU-Präsident Sdumo Dlamini lobte hingegen Überlegungen des ANC zur Einführung eines landesweiten Mindestlohns und sagte, das Programm sei ein Versuch, die Anliegen aller Mitglieder der Allianz zu berücksichtigen.

Die wichtigsten Wahlversprechen des ANC:

Präsident Jacob Zuma widmete das neue Wahlprogramm des ANC dem kürzlich verstorbenen Freiheitshelden und Altpräsidenten Nelson Mandela, der zu den wichtigsten Ikonen seiner Partei zählte. Ferner sprach Zuma in seiner Rede am 8. Januar ein besonderes Lob auf den im August 2013 veröffentlichten Nationalen Entwicklungsplan (NDP) aus, der dem Staat eine Reihe von Vorgaben liefert, um bis 2030 die Armut zu beseitigen und die soziale Ungleichheit deutlich zu verringern. Für die kommenden Jahre kündigte der Präsident die folgenden programmatischen Prioritäten seiner Partei an: Bildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung, Landreform und Ernährungssicherheit, Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, Kampf gegen Gewaltkriminalität und Korruption, sozialer Wohnungsbau und Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen.

Wirtschaft

Bis 2019 will eine neue ANC-geführte Regierung sechs Mio. Arbeitsplätze mit Hilfe eines staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramms bereitstellen. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit von nahezu 50 Prozent soll bei diesem Vorhaben besondere Berücksichtigung finden. Ferner will der ANC die heimische Wirtschaft stärken, indem die öffentliche Hand mindestens 75 Prozent ihrer benötigten Güter und Dienstleistungen aus lokaler Produktion erwirbt und dabei einen speziellen Fokus auf Kleinunternehmen und Kooperativen setzt. Wirtschaftliche und soziale Infrastrukturprogramme würden damit massiv ausgebaut. Auch möchte der ANC den Finanzsektor einer strikteren Regulierung unterwerfen. In Planung sind eine Reform entwicklungsorientierter Finanzinstitute und eine Erleichterung des Zugangs zu Krediten für Entwicklungsvorhaben. Zudem soll die Möglichkeit der Einführung eines landesweiten Mindestlohns in Betracht gezogen werden.

Ländliche Entwicklung und Landreform

Bei der Entwicklung des ländlichen Raumes legt der ANC ein Augenmerk auf die Unterstützung von Kleinbauern und prioritär auf Entwicklungs- und Infrastrukturmaßnahmen für den Agrarsektor in den gemeinschaftlichen Anbaugebieten der ehemaligen „Apartheid-Reservate“, den sog. Homelands. Erklärtes Ziel ist es außerdem, die Ernährungssicherheit in allen Provinzen des Landes zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten. In der Landreform will die Partei eine Einigung von Ansprüchen ehemals Geschädigter beschleunigen, die gegenüber dem Staat vor einer bis 1998 gesetzten Frist eingereicht wurden. Die Annahme neuer Landansprüche soll ab 2014 um fünf weitere Jahre verlängert werden.

Bildung

Der ANC fordert in seinem Wahlprogramm die Einführung von zwei obligatorischen Vorschuljahren für jedes südafrikanische Kind. Darüber hinaus soll die Qualität der Grundbildung verbessert und die Zahl erwachsener Analphabeten gesenkt werden. Weiterführende berufliche Bildungseinrichtungen, die sog. Further Education and Training (FET) Colleges, sollen ebenfalls mehr staatliche Unterstützung erfahren. Ein ambitioniertes Ziel ist die Eröffnung von zwei zusätzlichen Universitäten in Südafrika. Alle Absolventen einer höheren Bildungseinrichtung sollen zukünftig einen obligatorischen Gemeinschaftsdienst (community service) ableisten.

Wohnungsbau und Verbesserung der Lebensbedingungen

Um dem Wachstum informeller Armenviertel entgegenzuwirken, will der ANC in den kommenden fünf Jahren eine Mio. Sozialwohnungen für bedürftige Familien im urbanen wie im ländlichen Raum errichten. Der Staat soll zudem eine Grundversorgung mit öffentlichen Dienstleistungen und Infrastruktur in allen informellen Siedlungen des Landes anbieten. Insbesondere würden weitere 1,6 Mio Haushalte innerhalb der nächsten fünf Jahre an das Elektrizitätsnetz angeschlossen. Die Partei will sich ebenfalls weiter dem erklärten Ziel eines universellen Zugangs zu fließender Trinkwasserversorgung und sanitären Einrichtungen annähern.

Gesundheitsversorgung

Die öffentliche Krankenversicherung National Health Insurance (NHI) soll mit der Gründung eines staatlich finanzierten und beaufsichtigten Fonds in eine zweite Phase treten, um weiterhin allen Südafrikanern den Zugang zu kostenloser erster Hilfe anzubieten. Darüber hinaus will die Partei das Management der staatlichen Krankenhäuser verbessern und die Kosten für die private Gesundheitsvorsorge senken. Weiter sollen 4,6 Mio. HIV-Infizierte Zugang zu antiretroviralen Medikamenten erhalten und die generelle medizinische Versorgung näher an den Wohnort chronisch kranker Patienten herangebracht werden.

Sozialleistungen

Das südafrikanische Sozialsystem will der ANC weiter flächendeckend ausbauen. In ihrem Wahlprogramm plädiert die Partei für die Einführung verbindlicher staatlicher Zuwendungen für Rentner, Menschen mit Behinderung und Hinterbliebene. In der nächsten Legislaturperiode soll ein umfassender Sozialversicherungsschutz entstehen, sodass kein bedürftiger Südafrikaner mehr durch das soziale Sicherungsnetz fällt.

Bekämpfung von Korruption und Gewaltkriminalität

Der ANC erteilt in seinem Wahlprogramm der Korruption im staatlichen und privaten Bereich eine deutliche Kampfansage. ANC-Funktionäre, die wegen krimineller Vergehen gerichtlich verurteilt wurden, sollen von jeglichen Führungsposten in der Partei, Regierung und Gesellschaft zurücktreten. Des Weiteren will die Partei geschäftliche Beziehungen zwischen öffentlichen Amtsträgern und dem Staat limitieren und Angestellte persönlich für Verluste verantwortlich machen, die dem Staat durch Korruptionsfälle entstehen.

Nationsbildung und Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Schließlich appelliert der ANC an jeden Bürger, sich für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts im Land einzusetzen. Formen partizipativer Demokratie in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern und Gemeinden sowie am Arbeitsplatz sollen ausgebaut werden. Ferner will sich die Partei für eine die soziale Schichten und Bevölkerungsgruppen übergreifende Kultur des Dialoges einsetzen und die Nähe der staatlichen Amtsträger zu den Bürgern verbessern.

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