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Dieser ist vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Uganda, das als Mitgliedsstaat laut den Statuten des IStGH in der Pflicht steht, ihn bei Betreten des Landes zu verhaften, stand vor einem diplomatischen Dilemma.
Der Haftbefehl
Anfang März 2009 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Kriegsverbrechen in Darfur. Es ist das erste Mal, dass der IStGH ein amtierendes Staatsoberhaupt anklagt. Der Haftbefehl benennt die mutmaßliche persönliche Verantwortung al Bashirs für Morde, Vertreibungen, Folterungen und Vergewaltigungen in der Darfurregion. In zwei Fällen von Kriegsverbrechen werden ihm gezielte militärische Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie Plünderungen vorgeworfen.
Der Sudan selbst hat das so genannte Römische Statut, das die strafrechtlichen Grundsätze des Internationalen Strafgerichtshofs regelt, nicht unterzeichnet. Es ist ohnehin nicht zu erwarten, dass die sudanesische Regierung ihren Präsidenten nach Den Haag ausliefern wird. Daher ist das Augenmerk nun auf die Staaten gerichtet – insbesondere die afrikanischen – die das Statut bereits ratifiziert haben. Und zu dieser Gruppe von Staaten gehört auch Uganda.
Artikel 89 (1) des Römischen Statuts legt für die Mitgliedsstaaten folgendes fest: „Der Gerichtshof kann jedem Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person vermutlich befindet, ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung dieser Person (…) übermitteln und diesen Staat um Zusammenarbeit bei der Festnahme und Überstellung der Person ersuchen. Die Vertragsstaaten leisten Ersuchen um Festnahme und Überstellung in Übereinstimmung mit (…) den in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren Folge.“ Für den Fall, dass ein Staat dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist in Artikel 87 (7) festgehalten, dass der Internationale Strafgerichtshof die Angelegenheit an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übergeben kann.
Die Haltung der Afrikanischen Union (AU)
Die Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten war und ist auch auf dem afrikanischen Kontinent Gegenstand heftiger Diskussionen. Sie war unter anderem Thema bei Sitzungen der Afrikanischen Union. Diese hat an den Sicherheitsrat appelliert, sein Mandat zu nutzen, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes für al Bashir für ein Jahr zu suspendieren. Sie hat zudem eine eigene „Ermittlungskommission“ unter dem Vorsitz des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki eingesetzt.
Viele afrikanische Staaten sind der Auffassung, dass der Haftbefehl nicht dazu beitrage, die Situation in Darfur zu beruhigen, sondern ganz im Gegenteil eine Eskalation wahrscheinlicher werden lasse. Auf dem letzten Gipfel der Afrikanischen Union Anfang Juli 2009 in Libyen wurde eine Resolution erarbeitet, die besagt, dass die Mitgliedsstaaten der Union den Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten nicht vollstrecken würden, sollte er ihr Territorium betreten. Mit anderen Worten: trotz des Haftbefehls könnte sich Präsident al-Bashir frei auf dem afrikanischen Kontinent bewegen, ohne seine Verhaftung befürchten zu müssen. Ihre Haltung begründet die AU unter anderem mit der Weigerung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, auf die Forderung der Afrikanischen Union zur Suspendierung des Haftbefehls einzugehen.
Uganda gehört zu den Staaten, die diese Resolution unterstützt haben – die einzigen Ausnahmen bilden Botswana und mit Abstrichen Südafrika.
Ugandas Dilemma zwischen rechtlicher Verpflichtung und Diplomatie
Der sudanesische Präsident war zu der internationalen Konferenz in Uganda eingeladen. Letztlich ist er allerdings nicht persönlich erschienen, sondern hat Vertreter entsendet. Das rechtliche und diplomatische Dilemma Ugandas im Vorfeld der Konferenz war jedoch enorm. Äußerungen verschiedener hochrangiger ugandischer Politiker in dem Sinne, dass Uganda seiner Verpflichtung, den sudanesischen Präsidenten zu verhaften, sollte er sich auf ugandisches Territorium begeben, nachkommen müsse und auch nachkommen werde, sorgten für einen Eklat auf sudanesischer Seite. Allgemein wurde auf ugandischer Seite dennoch weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Erklärung, die auf dem AU-Gipfel in Libyen erarbeitet worden war, ein eher politisches Dokument und rechtlich nicht bindend sei – ganz im Gegenteil zum von Uganda ratifizierten Römischen Statut.
Genau jener Sachverhalt wurde auch noch einmal vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Luis Moreno-Ocampo, hervorgehoben. Dieser hatte sich im Juli kurz vor der Konferenz auf einen Besuch nach Uganda begeben – einerseits, um sich mit der ugandischen Regierung in der al-Bashir-Angelegenheit zu besprechen, andererseits aber auch, um das weitere Vorgehen bezüglich der Strafverfolgung Kony’s von der Lord’s Resistance Army abzustimmen. Ein dritter Tagesordnungspunkt war die Planung der nächsten IStGH -Konferenz, die in der ersten Jahreshälfte 2010 stattfinden soll – ausgerechnet in Uganda.
Als seien dies noch nicht genug Sachverhalte, um Uganda in ein rechtlich-politisches Dilemma zu stürzen, ist das Land der erste Staat überhaupt, der einen Fall – den „Kony-Fall“ – aus eigener Initiative vor den IStGH gebracht hat. Uganda ist weiterhin für ein Jahr ein nicht-ständiges Mitglied im 15-köpfigen UN-Sicherheitsrat und hatte Ende Juli – also genau in der Zeit, als besagte Konferenz stattfand und der Eklat sich immer deutlicher abzeichnete – sogar dessen Vorsitz inne. Uganda ist zudem als nächster Austragungsort für den kommenden Gipfel der Afrikanischen Union in 2010 vorgesehen.
Aus diesen Gründen wurde darum gerungen, einen für alle Seiten das Gesicht wahrenden Ausweg zu finden. Ugandas Präsident Museveni telefonierte mit seinem sudanesischen Kollegen al Bashir. Im Ergebnis wurde der sudanesische Präsident nicht ausgeladen. Er schickte stattdessen seine Vertreter. Als zu groß muss von sudanesischer Seite das Risiko bewertet worden sein, dass Uganda seinen rechtlichen Verspflichtungen nachkommen würde - also den amtierenden Präsidenten verhaften und an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern würde.
Die Front, die die AU unter seinem gegenwärtigen Vorsitzenden Al-Gadafi mit der Resolution gegen den Internationalen Strafgerichtshof aufgebaut hat, bröckelt, und für den sudanesischen Präsidenten gibt es auf absehbare Zeit eine Reisedestination weniger. Es bleibt abzuwarten, ob das ugandische Beispiel bei den anderen afrikanischen Unterzeichnern des Römischen Statuts Schule machen wird.