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Reportajes internacionales

Ein Sieg für die Demokratie in Lateinamerika

de Dr. iur. Christian Steiner, Christina Brüggemann

Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten bekennen sich mehrheitlich zu Menschenrechten und Demokratie

Mit viel Spannung war in Lateinamerika der Ausgang der 44. (außerordentlichen) Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vom 22. März 2013 erwartet worden. Dort sollte ein beinahe zwei Jahre andauernder Reformprozess beendet werden, der – zumindest nominal – zum Ziel hatte, die Funktionsweise der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IAMRK oder Kommission) zu verbessern und damit das regionale System zum Schutz der Menschenrechte zu stärken.

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Tatsächlich war der Reformprozess vor allem deswegen eingeleitet worden, weil einige Staaten, insbesondere Venezuela und Ecuador, den Einfluss der Kommission auf innerstaatliche Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition zu schmälern suchten.

Insgesamt ist das Interamerikanische Menschenrechtssystem (IAMRS) im Wandel begriffen. Die Organe haben in den letzten Jahren ihr Schlagkraft erhöht und zum Teil bei aktuellen und politisch sensiblen Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten interveniert, etwa im Hinblick auf den Umgang mit schweren Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit (Brasilien, Peru, Uruguay, Kolumbien, Guatemala, Mexiko), die Beteiligung indigener Gemeinschaften bei der Planung großer Infrastrukturprojekte oder beim Abbau von Bodenschätzen auf indigenen Territorien (Brasilien, Ecuador, Bolivien), Auseinandersetzungen über die Reichweite der Pressefreiheit (Ecuador), Abgrenzungsfragen zwischen Moral und Recht (Chile, Costa Rica) oder auch die Ver-teidigung der politischen Opposition gegen grundrechtswidrige Maßnahmen der Machthaber (Venezuela). Erst seit einigen Jahren haben die Mitgliedstaaten mithin die Existenz und Wirkung des Systems wirklich zu spüren bekommen.

Die Reaktionen auf die intensivere Aufsichtstätigkeit von Kommission und Gerichtshof fallen sehr unterschiedlich aus und reichen vom uneingeschränkten Umsetzungswillen (Kolumbien, Costa Rica), über punktuelle (Kolumbien, Mexiko, Peru, Uruguay, Brasilien, Argentinien) bis hin zu massiver Kritik mit Austrittsdrohungen (Bolivien, Ecuador, Nicaragua) oder gar der vollzogenen Aufkündigung der AMRK (Venezuela, wirksam im September 2013). Der Umstand, dass die Kritik sowohl von „rechts“ als auch von „links“ kommt, zeugt letztlich für eine im Wesentlichen ausgewogene, allein an der Effektivisierung des Menschenrechtsschutzes in Lateinamerika orientierten Tätigkeit der Organe des Systems.

Aufgrund der scharfen Kritik einiger Staaten, insbesondere gegen die Arbeit der Kommission, befindet sich das System seit zwei Jahren in einem Reformprozess. Hierbei wurden teilweise symbolische (aber nicht zu vernachlässigende Fragen) erörtert wie der Umstand, dass die Kommission in den USA angesiedelt ist, welche die AMRK selbst nicht unterzeichnet und die Jurisdiktion des IAGMR nicht anerkannt haben. Einige Staaten (insb. Ecuador und Venezuela)werfen der Kommission vor, die Arbeit der Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit richte sich vor allem gegen ihre Regierungstätigkeit und werde von US-Nichtregierungsorganisationen für politische Zwecke instrumentalisiert. Auch die Konsequenzen der Unterfinanzierung der Kommission und des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten waren Thema der Auseinandersetzungen, weil die daraus resultierende Mitfinanzierung durch NROs und Drittstaaten aus Europa diesen, nach Ansicht des ALBA-Verbundes (Venezuela, Ecuador, Bolivien und Nicaragua), einen unerwünschten Einfluss auf die Organe gebe.

Im Juni 2011 wurde eine Arbeitsgruppe mit der Erstellung von Vorschlägen zur Stärkung des Systems eingesetzt. Anfang 2012 stellte diese Gruppe dem ständigen Rat der OAS ihren Bericht mit 67 Vorschlägen und Empfehlungen vor, 53 davon an die Kommission gerichtet, welche die Positionen der Mitgliedsstaaten, NROs und sonstiger Akteure zusammenfassen. Einige Monate später beauftragten die Staaten den Ständigen Rat, auf Grundlage des Berichtes eigene Verbesserungsvorschläge zu formulieren, die in Washington von der Generalversammlung debattiert wurden. Hauptthemen waren die Finanzierung der Kommission, deren interne Organisation sowie die Reichweite ihrer Kompetenzen. In den vergangenen Wochen wurde deutlich, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten mit den Empfehlungen des Ständigen Rates einverstanden sein würde. Die Kommission selbst hatte den Bericht der Arbeitsgruppe zum Anlass genommen, ihre Satzung zu überarbeiten.

Am vergangenen Freitag versuchten sodann nur die ALBA-Staaten mit allen Kräften, den Abschluss des Reformprozesses zu blockieren. Ihrer Ansicht nach gingen die Reformen nicht weit genug. Sie bestanden auf weiteren Änderungen; teilweise ging es dabei um Forderungen, die am Freitag zum ersten Mal seit Beginn des Verfahrens überhaupt vorgetragen wurden.

Eine der Hauptforderungen bezog sich auf die Finanzierung der Kommission. Laut der Resolution wird auf lange Sicht die Eigenfinanzierung des Systems durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten und den Finanzhaushalt der OAS angestrebt. Bis dieses Ziel erreicht ist, sollen jedoch – wie bisher – auch externe Mittel in Anspruch genommen werden dürfen. Momentan werden über 50 Prozent des Budgets aus externen Quellen bezogen. In der Resolution heißt es diesbezüglich, dass die Finanzierungshilfen „vorzugsweise“ ohne konkreten Verwendungszweck angenommen werden dürfen. Die ALBA-Staaten hingegen wollen jede Zweckbindung der Drittfinanzierung verhindern. Dies hätte zur Folge, dass die Kommission wesentliche Förderer, die ihre Mittel gezielt eingesetzt wissen wollen, verlieren würde. Bezeichnenderweise die Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, die vollständig von zweckgebundenen Drittmitteln abhängt, müsste ihre Arbeit einstellen. Sie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder den Unwillen der Regierungen Venezuelas und Ecuadors auf sich gezogen, weil sie in diesen Staaten Verstöße gegen das Recht auf Meinungsfreiheit gerügt hatte.

Darüber hinaus scheiterte der Versuch der ALBA-Staaten, der Kommission die Kompetenz zum Erlass einstweiliger Verfügungen zu nehmen sowie sich des als "schwarze Liste" gehandelten unbequemen 4. Kapitels des Jahresberichts der Kommission zu entledigen. Darin setzt sich die Kommission mit denjenigen Staaten auseinander, deren Handeln in besonderer Weise gegen die Freiheitsrechte verstößt.

Keine dieser Bestrebungen wurde in die Resolution aufgenommen. Selbst Austrittsdrohungen seitens der ecuadorianischen Delegation konnte die Mehrheit der Staaten nicht zum Nachgeben bewegen. Da weitgehend Einigkeit bestand, dass der Reformprozess mit dieser Generalversammlung – zumindest vorläufig – ein Ende finden müsse, wurde, um einen Eklat zu vermeiden, durch Vermittlung Argentiniens lediglich ein Absatz aufgenommen, der die Fortführung des Dialoges über "fundamentale Aspekte der Verstärkung des Systems" dem ständigen Rat anvertraut, ohne konkrete Streitpunkte anzuführen.

Der langwierige Reformprozess, der seitens der ALBA-Staaten letztlich auf eine Schwächung des Interamerikanischen Menschenrechtssystems abzielte, hatte insbesondere die Kommission in ihrer Handlungsfähigkeit stark beeinträchtigt, weil wesentliche Ressourcen darauf konzentriert werden mussten. Viele Staaten hatten bereits im Vorfeld geäußert, dass ein Abschluss der Reformgespräche dringend von Nöten sei, insbesondere damit sich die Kommission wieder auf ihre eigentliche Funktion der Wahrung der Menschenrechte konzentrieren könne.

Auch wenn die Kritik am System seitens der ALBA-Staaten anhalten wird - auch weitere Aufkündigungen der AMRK sind nach dem Beispiel Venezuelas nicht auszuschließen -, geht die OAS als demokratischer, dem Menschenrechtsschutz verpflichteter Staatenbund gestärkt aus dem Reformprozess hervor. Wichtige Akteure wie Brasilien, Mexiko und Kolumbien hatten sich bereits durch die jüngst erfolgreiche Aufstellung von Richterkandidtaten zum Gerichtshof eindeutig zum Interamerikanischen Menschenrechtssystem und damit zu den ihr zugrundeliegenden freiheitlich-demokratischen Werten bekannt. Dies schließt freilich nicht aus, dass sich die lateinamerikanischen Staaten weiterhin um politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit jenseits des Einflusses der USA bemühen werden im Rahmen der (auch) hierfür geschaffenen Organisationen und Foren wie UNASUR oder CELAC.

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