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Reportages pays

Ein Jahr nach der Meuterei in Burkina Faso

de Maria Zandt

Rückkehr zur Stabilität?

Ein Jahr ist es her, dass im vergangenen Frühjahr Soldaten in Burkina Faso meuterten. Ihren Anfang nahmen die sozialen Unruhen, die das Land über Monate bewegten, in Schüler- und Studentenprotesten gegen den mutmaßlichen Mord an einem Schüler. Die Meuterei der Soldaten und später der Präsidentengarde sowie die Proteste der Bevölkerung erschütterten das soziale Gefüge und die politische Stabilität Burkina Fasos in ihren Grundfesten. Ein Jahr später jedoch ist das Land zur gewohnten Stabilität zurückgekehrt.

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Lehren aus der Meuterei in 2011

Die sozialen Unruhen von Februar bis Juni 2011 trafen Präsident Blaise Compaoré völlig unerwartet – war er doch bei den Präsidentschaftswahlen Ende 2010 mit einer überragenden Mehrheit von 81 Prozent gewählt worden. Die Aufstände von Militär und Bevölkerung haben die politische Stabilität in Burkina Faso, oftmals als eines der stabilsten Länder in der Region Westafrika gelobt, in Frage gestellt.

Der Meuterei der Soldaten gingen zunächst Schüler- und Studentenproteste gegen den mutmaßlichen Mord durch die Polizei an einem Schüler, Justin Zongo, in der Kleinstadt Koudougou voraus. Den Unruhen folgte zunächst ohne direkten Zusammenhang die Meuterei des Militärs. In der Nacht vom 22. auf den 23. März meuterte eine Gruppe von Soldaten und versetzte die Hauptstadt Ouagadougou mit nächtlichen Luftschüssen in Angst und Schrecken. In den folgenden Nächten machten ihnen es Soldaten in anderen Städten, wie in Fada N’Gourma, im Osten des Landes, und Gaoua, im Süden, nach und forderten die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und rechtzeitige Lohnzahlungen. Die Situation spitzte sich mit der Meuterei von Soldaten der Präsidentschaftsgarde in der Nacht zum 15. April weiter zu. Den Protesten schlossen sich auch Bürger und besonders Händler an, um gegen die Inflation der Lebensmittelpreise und die Verwüstungen durch das Militär zu protestieren. Präsident Compaoré löste daraufhin die Regierung auf und beauftragte Beyon Luc Adolphe Tiao, ehemaliger Botschafter in Paris, mit den Regierungsgeschäften. Dazu senkte er die Preise von Grundnahrungsmitteln und reduzierte die Einkommenssteuer um zehn Prozent. Ein Marathon aus Krisengesprächen zwischen Premierminister und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen folgte.

Bei den Protesten ging es um mehr als die sozialen und finanziellen Forderungen der einzelnen Aufständischen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise in der Côte d’Ivoire auf Burkina Faso und die Ereignisse des arabischen Frühlings waren maßgebliche Auslöser. Die Unruhen waren Ausdruck der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche und politische Stagnation in einem der ärmsten Länder der Welt nach 24jähriger Herrschaft von Präsident Blaise Compaoré. Bereits die Wahlen am 21. November 2010 hatten gezeigt, dass es keine Alternative zu Präsident Compaoré gab. Compaoré siegte im ersten Wahlgang mit 81 Prozent der Stimmen, seine Gegenkandidaten hatten keinerlei Chance, eine signifikante Zahl der Stimmen zu erreichen. Gleichzeitig war die Wahlbeteiligung bei einer bereits im Vorhinein entschiedenen Wahl sehr niedrig. Die Politikverdrossenheit der Bevölkerung war bei den Wahlen deutlich spürbar.

Dennoch, eine abrupte politische Wende in Form eines Staatsstreichs oder einer Revolution nach dem Beispiel der nordafrikanischen Staaten fand nicht statt. Präsident Compaoré konnten die Stabilität in seinem Land einmal mehr wiederherstellen, zu schwach war die Opposition und zu groß die Angst hochrangiger Militärs vor Konsequenzen.

Die Meuterei und die darauf folgende Niederschlagung durch Präsident Blaise Compaoré musste das Militär teuer bezahlen. Der Generalstab der Armee wurde komplett erneuert, 566 Soldaten, die an der Meuterei beteiligt waren, wurden aus dem Militär entlassen. 300 von ihnen warten derzeit in Gefangenschaft auf ihren Prozess, der dieses Jahr beginnen soll. Mehrere Garnisonen und Ausbildungseinrichtungen des Militärs wurden darüber hinaus geschlossen oder verlegt.

Neben den umfassenden Umstrukturierungen innerhalb des Militärs zeugt auch die Tatsache, dass Präsident Compaoré selbst das Verteidigungsministerium übernahm, vom Willen des Präsidenten, den Sicherheitssektor nunmehr verstärkt zu kontrollieren. Auch die Nominierung von Djibril Bassolet als neuem Außenminister bedeutet einen stärkeren Einfluss des Sicherheitssektors. Bassolet war von 2000 bis 2007 Minister für innere Sicherheit und von 2007 bis 2008 bereits Außenminister. Er gilt als enger Vertrauter von Compaoré.

Politischer Reformprozess angestoßen

Seit den sozialen Unruhen Anfang 2011 versucht die Regierung einen politischen Reformkurs einzuschlagen und die Bürger verstärkt in den politischen Entscheidungsprozess einzubeziehen, um möglichen erneuten Unruhen vorzubeugen. Im Juni wurde der Beirat für politische Reformen (Conseil consultatif sur les réformes politiques) gegründet, der mögliche politische Reformen ausarbeiten soll. Ziel ist es laut Regierung, den sozialen Dialog zu vertiefen, das Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative zu stärken und die Wahlgesetzgebung zu überarbeiten.

Die Vorschläge des 66 Mitglieder umfassenden Beirats, bestehend aus Vertretern der politischen Parteien, der Zivilgesellschaft und der traditionellen und religiösen Institutionen, wurden anschließend in Versammlungen in allen 13 Regionen diskutiert. Am 7. Dezember 2011 fand in Ouagadougou schließlich eine nationale Versammlung mit rund 1.500 Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Religion statt.

Teile der Opposition boykottierten allerdings das Treffen. Die Opposition verdächtigt Präsident Compaoré, im Rahmen des Reformprozesses auch Artikel 37 der Verfassung ändern zu wollen, der die Zahl der Präsidentschaftsmandate auf zwei beschränkt, um bei den Wahlen 2015 noch einmal anzutreten. Als verdächtig wird dabei besonders das Schweigen Compaorés zu dieser Frage gedeutet. Möglich ist, das Compaoré auf Zeit spielt. So wurde auch bei der nationalen Versammlung die Frage der Änderung von Artikel 37 der Verfassung nicht thematisiert und auch Präsident Blaise Compaoré ließ diesen Punkt in seiner Abschlussrede der Konferenz aus. Nach Pressemitteilungen gibt es Anzeichen, dass die Regierungspartei, CDP, die Frage des Präsidentschaftsmandats per Referendum lösen will.

Kritisch ist ebenfalls der Wunsch des Beirats zu sehen, nur Punkte auf der Reformagenda zu behandeln, bei denen ein Konsens besteht. So wurden auch bei der nationalen Konferenz lediglich die Punkte diskutiert, die bereits im Vorhinein als allgemeiner Konsens galten. Neben der Frage der Revision von Artikel 37 wurden so auch nicht die Frage des Zuschnitts der Wahlkreise und die Abschaffung der Todesstrafe behandelt.

21 Verfassungsänderungsvorschläge und 13 Gesetzesvorschläge sind das Ergebnis des nationalen Konsultationsprozesses, über die das Parlament nun entscheiden muss. Unter den Vorschlägen, die im Konsens verabschiedet wurden, sind unter anderem die Erhöhung der Sitze der Assemblée Nationale von 111 auf 130 sowie die Einrichtung eines Senats. Darüber hinaus sollen das Amt des Premierministers und das Parlament mit mehr Befugnissen ausgestattet werden, die Ämter traditioneller Autoritäten Aufnahme in die Verfassung finden und das Kandidatenalter zur Wahl des Präsidenten auf 35 bis 75 Jahre beschränkt werden. Ein Ausschuss soll den Reformprozess nun weiter begleiten und die Umsetzung verfolgen.

Die Opposition kann ihre Rolle nur schwer wahrnehmen

Die Besetzung des Ausschusses zur Begleitung der politischen Reformen stellte die Opposition vor eine Zerreisprobe. Zwölf der 22 Oppositionsparteien erklärten das Verfahren zur Ernennung der drei Oppositionsvertreter für den Ausschuss als nichtig. Die Auswahl fand per Wahl und nicht wie gewünscht im Konsens statt. Die Opposition ist damit geteilt, was aber die Einrichtung des Ausschusses mit den drei per Wahl bestimmten Oppositionsvertretern nicht verhinderte. Bereits seit Beginn der Einsetzung des Beirates für politische Reformen drohte die Opposition mit dem Boykott des Verfahrens. Die Klage des Oppositionsführers Maître Sankara gegen die Einsetzung des Rates und seine Zusammensetzung wurde allerdings im November vom Staatsrat (Conseil d’Etat) zurückgewiesen.

Der Opposition fällt es weiterhin schwer, gemeinsam zu agieren und eine konstruktive Rolle im politischen Entscheidungsprozess zu spielen. Im Parlament dominiert die Regierungspartei CDP mit 73 von 111 Abgeordneten. Der Opposition mangelt es sowohl an einer charismatischen Führungspersönlichkeit als auch an Regierungs- und Verwaltungserfahrung. Oppositionsführer und Präsident der Oppositionspartei UNIR/ PS Sankara ist in der Oppositionsbewegung selbst umstritten. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen erhielt er lediglich 5,5 Prozent der Stimmen.

Korruptionsskandal Guiro

Welchen Grad die Korruption in Burkina Faso mittlerweile erreicht hat, zeigt der Korruptionsskandal Anfang 2012 um den Generaldirektor des Zolls, Ousmane Guiro. Im Rahmen von Nachforschungen der Gendarmerie fand man zwei Kisten gefüllt mit zwei Milliarden FCFA (umgerechnet rund 3 Millionen Euro) und diversen Wertgegenständen. Die Festnahme von Guiro in Folge des Fundes ist das erste Mal, dass in Burkina Faso ein hoher Staatsdiener wegen Korruptionsverdachts seines Amtes enthoben und festgenommen wurde. Auch dies muss im Kontext der Ereignisse 2011 gesehen werden. Sollte Guiro tatsächlich verurteilt werden, erwartet ihn eine Strafe von zehn bis zwanzig Jahren Haft. Der Korruptionsskandal wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf den ohnehin schon von der Bevölkerung der Korruption verdächtigten Zoll, sondern auch auf Burkina Fasos Finanzmanagement generell, und dies besonders in den Augen der internationalen Geber.

Ausblick: Perspektiven für die Jugend müssen geschaffen werden

Zwar hat es Präsident Compaoré geschafft, die Stabilität Burkina Fasos einmal mehr wiederherzustellen, doch die grundlegenden Probleme des Landes, die für die sozialen Unruhen verantwortlich sind, konnten nach wie vor nicht gelöst werden. Auf der einen Seite ist die soziale Unzufriedenheit weiterhin hoch. Burkina Faso ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt (im Human Development Index der Vereinten Nationen auf Platz 181 von 187). Burkina Faso hat ein Bevölkerungswachstum von 3 Prozent, rund die Hälfte der Bevölkerung ist unter 14 Jahre alt. Vor diesem Hintergrund ist das Problem der Jugendarbeitslosigkeit eine tickende Zeitbombe. Bereits jetzt ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch.

Dieses Problem ist nur durch ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu lösen, das auch eine breite gesellschaftliche Entwicklung mit sich bringt. Das Wachstum lag 2011 bei rund 6 Prozent. Mit einem 7.400 Milliarden FCFA (rund 11,4 Millionen Euro) schweren strategischen Wachstumsprogramm über vier Jahre will die Regierung das Wachstum und die soziale Entwicklung erheblich steigern. Bei der Geberkonferenz im Februar 2012 in Paris wurde das Programm massiv von den internationalen Partnern unterstützt. Derzeit beschäftigt zusätzlich eine Hungersnot im Norden des Landes die Regierung und zwingt sie, Lebensmittel aufzukaufen.

Darüber hinaus mangelt es aber vor allem an politischen Alternativen zur Regierungspartei CDP und Präsident Compaoré. Die Politikverdrossenheit ist unter den jungen Burkinern besonders ausgeprägt. Auch wenn die Regierung derzeit die Kontrolle behält und es an organisierten Strukturen der Opposition und der Zivilgesellschaft mangelt, sind erneute soziale Unruhen nicht ausgeschlossen.

Neben dem verstärkten Engagement in der Innenpolitik bleibt Compaoré ein Schwergewicht auf der regionalen Ebene. Seine Erfahrungen als Vermittler in verschiedenen Konfliktsituationen der Region, so in Togo und Gabun, haben zu seiner Ernennung zum Vermittler in der derzeitigen politischen Krise nach dem militärischen Umsturz in Mali durch den außerordentlichen Gipfel der ECOWAS am 27. März in Abidjan geführt. Darüber hinaus übernahm der burkinische Außenminister, Djibril Bassolet, im Dezember 2011 den Posten des Kommissionspräsidenten der ECOWAS. Diese Verpflichtungen bergen neben der positiven internationalen Resonanz das Risiko, dass sich die Aufmerksamkeit der Regierung auf die regionalen statt auf die nationalen Probleme richtet.

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