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Von wegen Luxusgut!

von Dr. Sören Soika, Christoph Grabitz, Christoph Plate, Hendrik Sittig

Die Medien und die Coronakrise: ein Blick in die Welt

Faktengestützte und unabhängige Berichterstattung ist in Zeiten der Covid-19-Pandemie wichtiger denn je. Doch der Blick in die Welt zeigt, dass nicht jede Regierung das so sieht.

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Nach dem medizinischen Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus wird derzeit fieberhaft gesucht. Einen wichtigen gesellschaftlichen Impfstoff gegen die gesundheitlichen wie sozialen Gefahren, die durch die Pandemie drohen, kennen wir aber bereits: Er heißt Presse- und Meinungsfreiheit. Wo unabhängige Journalisten solide recherchierte Fakten präsentieren, haben es wirre und teils gefährliche Theorien über Pseudo-Heilmittel schwerer. Wo freie Medien die Anti-Corona-Maßnahmen ihrer Regierungen kritisch hinterfragen können, sinkt die Gefahr, dass Missstände vertuscht werden oder die aktuelle Lage zur Einführung von Zensur und Überwachung durch die Hintertür genutzt wird. Überall dort, wo es freie Medienberichterstattung noch nicht gibt - so ist man geneigt zu sagen - müsste man sie jetzt erfinden. Doch wie ist die Lage wirklich? Die Leiter der KAS-Medienprogramme geben uns Einschätzungen aus Asien, Subsahara-Afrika und Südosteuropa.

 

Asien: Stummer Schrei nach Pressefreiheit
 

In Asien rückt die Coronakrise die existentielle Bedeutung von Journalismus stärker in das öffentliche Bewusstsein. Der in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern verbreitete Glaube, dass Presse- und Meinungsfreiheit Luxusgüter seien, denen man sich in Ruhe zuwenden könne, wenn alle genug zu essen haben, wird eindrucksvoll widerlegt. Fact-Checker sind durchaus vergleichbar mit Ärzten und Krankenschwestern, auch sie retten Menschenleben. Im Iran, wo hunderte Menschen am Genuss von Industriealkohol verstarben, weil in den sozialen Netzwerken das Gerücht kursierte, dass man sich damit gegen Corona schützen könne. In Indien, wo viele Menschen plötzlich das Social Distancing unterbrachen und sich auf den Plätzen versammelten, weil sie in den sozialen Netzwerken gelesen hatten, dass die durch das zeitgleiche Klatschen von möglichst 1,3 Milliarden Indern ausgelöste Vibration das Virus außer Landes jagen könne. 

Der Investigativjournalismus ist vielerorts die letzte noch verbliebene Kontrollinstanz. Die Regierung Hun Sen in Kambodscha, die Regierung Duterte in den Philippinen, die Regierung Modi in Indien: Sie alle nutzen den Ausnahmezustand geschickt dazu aus, um ihre Macht unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung einzuzementieren. Je länger der Lockdown andauert, umso stärker verengen sich die Handlungsspielräume der Medien: In Thailand wird die Verbreitung einer Information über das Coronavirus, die die Regierung für „falsch oder geeignet hält, Angst in der Bevölkerung zu verursachen“, mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Narendra Modi will vor dem Supreme Court einen Erlaubnisvorbehalt der Regierung mit Blick auf Berichterstattung über das Virus erreichen. Was der Bevölkerung in berückender Scheinheiligkeit als „Anti-Fake-News-Gesetzgebung“ verkauft wird, wäre nichts anderes als die Einführung staatlicher Zensur. Die Pressefreiheit in Indien wäre damit vorerst aufgehoben. Vinod K. Jose, Executive Editor von „The Caravan Magazine“ aus Delhi, schreibt in einer nächtlichen WhatsApp: „Sobald der Supreme Court die Order erlässt, werden sie uns jagen. Dieses Land ist vorläufig am Ende.“ 

Leider liegt der Schwerpunkt der Corona-Berichterstattung in Asien auf einer „funktionalistischen“ Vermittlung von Fakten: Fallzahlen, Regierungsstrategien, Wirtschaftsdaten, Präsentation investigativer Recherchen. Analysen und Essays, die die Pandemie in größere Zusammenhänge rücken und sich die Frage stellen, wie die Welt nach Corona aussehen könnte, sind schwer zu finden. Auf der anderen Seite bleiben dem Leser luxuriös-selbstreferentielle Debattenbeiträge wie der Aufmacher „Ich habe Zweifel“ von Mathias Döpfner, Die Welt vom 24. März 2020, erspart.

Am 6. Februar verstarb in Wuhan der Augenarzt Li Wenliang an Corona. Li war einer der ersten, die Ende Dezember 2019 vor einer weltweiten Ausbreitung des Virus gewarnt hatten. Die Behörden brachten ihn unter dem Vorwurf der Störung des öffentlichen Friedens zum Schweigen. Nach dem Tode Lis richtete sich eine Gruppe Akademiker mit einer Online-Petition an den Nationalen Volkskongress. Sie stellten darin einen unmittelbaren Zusammenhang auf zwischen der Ausbreitung des Virus und der fehlenden Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit in China und forderten die Regierung dazu auf, den Todestag Lis zum Tag der Pressefreiheit zu erklären.

In den westlichen Medien fand die Petition großen Widerhall. Den allermeisten Medien in Asien, staatlich kontrolliert oder nicht, war sie nicht mehr als eine Randnotiz wert.

Singapur, 3. April 2020

Christoph Grabitz leitet das Medienprogramm Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung

Medienprogramm Asien

 

Subsahara-Afrika: Hochkonjunktur für Faktenchecker


Für viele Wochen waren afrikanische Journalisten in der komfortablen Lage, über eine Krise berichten zu können, die weit weg schien, weil sie sich nicht auf dem eigenen Kontinent abspielte. Weder Bürgerkrieg, noch Ebola oder Korruption beherrschten die Schlagzeilen, sondern die Krise der anderen, namentlich die der Chinesen und der Westeuropäer. Nur beiläufig wurde dabei die Frage erörtert, was wohl passieren würde, wenn das Coronavirus auf dem afrikanischen Kontinent ankommen würde. Die Fluggesellschaft Ethiopian Airlines wurde zwar in vielen Publikationen kritisiert, weil sie ihre Flüge nach China reduziert aber eben nicht vollkommen eingestellt hatte. Der äthiopische Carrier hat das am besten entwickelte Streckennetz auf dem Kontinent. Das ist in normalen Zeiten ein großer Vorteil, in diesem Fall muss die große Mobilität der Fluggesellschaft aber fürwahr als Nachteil gesehen werden.

Mit schauderndem Respekt wurde in afrikanischen Foren über die rigiden Methoden berichtet, mit denen die chinesische Diktatur versuchte, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Immer noch war das eine Pandemie, die weit weg schien. Das hat sich seit Anfang März rasant geändert: Die Nachfrage nach seriöser Aufklärung und stringenter, weil tiefgehender Berichterstattung hat sich vervielfacht. Allen voran „Africa Check“, ein wichtiger Partner des Medienprogramms der KAS, versucht Fakten von Fiktion zu trennen. In Fernsehsendungen, in Zeitungen und in den sozialen Medien wird darauf verwiesen, wo man bei „Africa Check“ Aufklärung über das Virus und die Übertragungswege bekommen kann. „Africa Check“ hat Büros in Johannesburg, Abuja, Dakar und Nairobi. Man leistet wichtige Zulieferdienste für Medien, die sonst gar nicht in der Lage wären, diese Verifizierung allein zu betreiben. Mit acht Newsrooms in Kenia, Nigeria, dem Senegal und Südafrika wird eine Hotline eingerichtet, um schnelle Faktenchecks zu ermöglichen. Retha Langa, die Vizechefin von „Africa Check“ in Johannesburg, berichtet, dass sich der Verkehr auf ihrer Webseite im März im Vergleich zum März 2019 verachtfacht hat, von damals 239.000 Besuchern auf über 2,2 Millionen.

Die Arbeit ist wichtig, weil immer noch Ammenmärchen darüber zirkulieren, dass einen eine schwarze Hautfarbe und starke Sonneneinstrahlung schon vor einer Infizierung schützen würden. Gerade vergangenes Wochenende, so berichtet Langa, habe man die Behauptung eines südafrikanischen Bürgermeisters, er werde für seine Bürger einen Impfstoff aus Kuba besorgen, als Erfindung entlarvt. Kluge Medienmacher wie jene der „Premium Times“ in Nigeria oder das Recherchenetzwerk „Ink“ in Botswana, auch sie beide Partner des Medienprogramms der KAS, stellen die Frage, warum ihre Regierungen offenbar so schlecht auf die Ankunft des Virus vorbereitet waren. Fairerweise muss man sagen, dass zahlreiche Regierungen in vielen Ländern außerhalb Afrikas ebenfalls von der Wucht und Schnelligkeit dieser Pandemie überrascht waren. Was hier und da in den Medien wie der Versuch wirken mag, die Arbeit der Regierung grundsätzlich zu hinterfragen, führt in Ländern wie Südafrika allerdings zu einer grundsätzlichen Einigkeit zwischen Regierung, Opposition, den Kirchen und der Geschäftswelt. Die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, auf die man in Südafrika angesichts der düsteren Apartheid-Vergangenheit sensibel reagiert, wird hier zunächst hingenommen. Während dem Staat in Südafrika eine Fürsorgepflicht abverlangt wird, ist dies in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder Nigeria nicht der Fall, weil man dem Staat nicht zutraut, sich um seine Bürger kümmern zu können.                

Johannesburg, 1. April 2020

Christoph Plate leitet das Medienprogramm Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung

 Medienprogramm Subsahara-Afrika

 

Südosteuropa: Kampf gegen Fake News oder Zensur?


Von außen betrachtet zeigt sich die Lage in Südosteuropa in dieser Krisenzeit weitestgehend geordnet und in den Maßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus homogen. Dieses Bild wird auch in der Medienberichterstattung übermittelt. Gezeigt werden vor allem starke politische Führungspersönlichkeiten, die deutlich früher und konsequenter als westeuropäische Regierungen Schritte gegen die Virus-Verbreitung durchsetzten. Zu beobachten sind in allen Ländern fortschreitende Versuche, die bewusste Verbreitung von falschen Informationen („Fake News“) im Zusammenhang mit der Coronakrise strafrechtlich zu verfolgen. Damit einhergehen Befürchtungen, dass dadurch auch Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

Ein besonders negatives Beispiel dafür lieferte der sogenannte audiovisuelle Rat in der Republik Moldau, der zuständig ist für die Freigabe und Kontrolle aller audiovisueller Medien. Er hatte beschlossen, dass Medien nur noch offizielle Positionen (z.B. der Regierung oder der WHO) veröffentlichen dürfen. Nach dieser Regelung war es untersagt, offizielle Aussagen zu bewerten, vor allem, diese zu kritisieren oder andere Experten zu befragen, um z.B. Maßnahmen der Regierung zu beurteilen. Auf Grund einer Petition, unterschrieben von zahlreichen Medienorganisationen, und nach der Kritik durch Moldaus Präsident Igor Dodon, musste der Rat diese Regelung kurze Zeit später wieder zurücknehmen.

In Bulgarien hatte Mitte März das Parlament ein Gesetz mit Maßnahmen für einen Ausnahmezustand verabschiedet. Darunter fiel auch ein schärferes Vorgehen gegen Falschnachrichten. Deren Verbreitung sollte eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Leva (ca. 5.000 Euro) zur Folge haben. Gegen diesen Teil des Gesetzes jedoch legte Präsident Rumen Radev, der der Opposition angehört, sein Veto ein. Begründung: Da keine Definition von Falschnachrichten formuliert worden sei, sehe er die Gefahr von Selbstzensur und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Das Parlament entfernte daraufhin diesen Abschnitt aus dem Gesetz. Die Regierungspartei kündigte jedoch an, eine präzisere Formulierung finden und das Gesetz erneut ins Parlament einbringen zu wollen.

Auch in Rumänien wurde mit der Ausrufung des Ausnahmezustands ein Verbot der Verbreitung von Desinformationen im Zusammenhang mit der Coronakrise verabschiedet. Dies ermöglicht u.a. die Schließung von Webseiten, wenn diese Falschnachrichten verbreiten. Mit dieser Begründung wurde bereits ein Onlineportal vom Netz genommen. Auch wenn der Gesetzgeber versichert, die Webseiten würden stets im Einzelnen auf die Vorwürfe genau geprüft, warnen Nichtregierungsorganisationen, aber auch die OSZE, vor einer Einschränkung der journalistischen Arbeit und der Gefahr von Selbstzensur aus Angst, etwas Falsches zu veröffentlichen.

Auch in anderen südosteuropäischen Ländern lassen sich solche Beispiele finden. Am 1. April wurde in Serbien eine Journalistin des Online-Portals nova.rs wegen angeblicher Verbreitung von Panik kurze Zeit festgenommen, nachdem sie über Zustände in einer Klinik in der Stadt Novi Sad berichtet hatte. Dort gebe es nicht genug Schutzkleidung für das Personal und auch die Klinikorganisation sei unkoordiniert. In Albanien z.B. warnte Ministerpräsident Edi Rama, bekannt für seine oft überzogen harsche Kritik an Journalisten, sogar Handynutzer vor jedem Telefonat per Sprachnachricht: „Wascht eure Hände, geht nicht zum Vergnügen aus dem Haus, lüftet so oft es geht und schützt euch vor den Medien.“

Die Coronakrise scheint die immer noch vorhandenen Demokratiedefizite in Südosteuropa zu verstärken. Hinzu kommt mangelndes Bewusstsein für Qualitätsjournalismus, oft interessengeleitete, zum Boulevard neigende Medien sowie ein relativ niedriges Vertrauen in journalistische Arbeit und wenig ausgeprägte Medienkompetenz. Dies verschärft die Lage gerade in Zeiten, in denen Zuschauer, Hörer und Online-Nutzer besonders auf seriöse Berichterstattung angewiesen sind. So beklagen Journalisten z.B. – und das nicht nur aktuell - mangelnde Transparenz von Behörden, die gern Medien bevorzugen, von denen sie wohlwollende Berichterstattung erwarten können. Gerade auf lokaler Ebene erscheint dies als grundlegendes Problem. So berichteten Journalisten aus Niš in Serbien, dass das örtliche Krankenhaus und die Behörden ihnen keine Informationen zur aktuellen Gesundheitssituation geben. Nachdem diese Kritik öffentlich wurde, gaben der Leiter des örtlichen Krisenstabs und der Bürgermeister Interviews – aber nur regierungsnahen Fernsehsendern.

Neben der Pressefreiheit hat aktuell auch der Datenschutz an Bedeutung eingebüßt. So wurden in Montenegro wie auch in Bosnien-Herzegowina die Namen von Menschen veröffentlicht, die sich gerade in Quarantäne befinden. Die Behörden begründeten diesen Schritt damit, dass viele Menschen die persönliche Ausgangssperre nicht ernstnehmen würden. Zudem planen einige Länder Gesetze einzuführen, die eine Lokalisierung über Mobiltelefone ermöglichen, um damit Verletzungen der Quarantänebestimmungen nachzuverfolgen.

Sofia, 3. April 2020

Hendrik Sittig leitet das Medienprogramm Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung

Medienprogramm Südosteuropa

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Dr. Sören Soika

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