Regierungsbildung: Stabilität gefragt
Nach dem Wahltag sind mehrere Szenarien möglich. Wahrscheinlich ist eine Fortsetzung der sozialdemokratisch geführten Regierung – sei es als Koalition mit Sozialisten, Grünen und der linken Partei Rødt oder als Minderheitsregierung. Entscheidend für die Verhandlungen zur Regierungsbildung wird die Kompromissfähigkeit bei Fragen der Energiepolitik sein.
In jedem Fall steht die neue Regierung vor mehreren Richtungsentscheidungen: Soll Norwegen seine Rolle als größter Gaslieferant Europas weiter ausbauen oder den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben, wie es die Grünen fordern? Soll die NATO-Partnerschaft weiterentwickelt oder mehr Wert auf nationale Verteidigungsautonomie gelegt werden? Die Antworten auf diese Fragen werden weit über Oslo hinaus Bedeutung haben.
Vorgeschichte: Von der Koalition zur Minderheitsregierung
Seit 2021 führte Ministerpräsident Jonas Gahr Støre eine Koalition aus Ap und der agrarisch geprägten Zentrumspartei (Sp). Diese Allianz scheiterte jedoch an Unstimmigkeiten bezüglich der Umsetzung des EU-Energiemarktpakets. Während Støre es als notwendig ansah, Teile der europäischen Energieregelungen umzusetzen, um die Integration in den europäischen Markt zu sichern, fürchtete die Zentrumspartei steigende Strompreise für die norwegischen Verbraucher und Unternehmen. Die Zentrumspartei, traditionell EU-skeptisch, verließ daraufhin die Koalition und zwang die Arbeiterpartei in eine Minderheitsregierung.
Ergebnisse der Parlamentswahl in Norwegen
| Partei | Stimmenanteil 2025 | Sitze 2025 | Veränderung zu 2021 (in %) |
|---|---|---|---|
| Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Ap) | 28,2% | 53 | +1,9 |
| Fortschrittspartei (FrP) | 23,9% | 48 | +12,3 |
| Høyre | 14,6% | 24 | -5,7 |
| Zentrumspartei | 5,6% | 9 | -7,9 |
| Sozialistische Linkspartei | 5,5% | 9 | -2,1 |
| Rødt | 5,3% | 9 | +0,6 |
|
Miljøpartiet De Grønne (Grüne) |
4,7% | 7 | +0,7 |
| Die Christdemokraten (KrF) | 4,2% | 7 | +0,4 |
| Die Liberalen (Venstre) | 3,6% | 3 | -0.9 |
Unverhoffter Auftrieb für Støre nach Koalitionsbruch
Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition gewann die sozialdemokratische Arbeiterpartei an Zustimmung in den Umfragen. Zu den steigenden Umfragewerten hatte auch die Rückkehr Jens Stoltenbergs beigetragen. Der frühere NATO-Generalsekretär und ehemalige norwegische Ministerpräsiden übernahm im Frühjahr das Amt des Finanzministers – und veränderte dadurch die politische Dynamik. Seine Erfahrung in der internationalen Sicherheitspolitik verlieh seiner Partei Ap zusätzliches Gewicht.
Die Themen im Wahlkampf - Lebenshaltungskosten, Bildung, Soziales und Steuerpolitik
Steigende Lebenshaltungskosten war eines der Themen, welches die Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf besonders bewegte. Lebensmittelpreise legten im vergangenen Jahr um rund 6 % zu, auch Wohnen und Dienstleistungen sind teurer geworden. Zwar ist die Inflation inzwischen rückläufig, doch die Norweger spüren die Folgen im Alltag nach wie vor. Im Wahlkampf setzte die Arbeiterpartei (Ap) auf Stabilität und soziale Abfederung, die Fortschrittspartei (FrP) versprach dagegen massive Steuersenkungen. Die Konservative Høyre unter Erna Solberg behielt ihre wirtschaftsfreundliche Linie bei und mahnte zur Wahrung der Haushaltsdisziplin.
Zur Polarisierung trug im Wahlkampf auch die Debatte um die Zukunft der Vermögenssteuer bei, die in Norwegen etwa ein Prozent auf Vermögen ab rund 150 000 Euro beträgt. Während Ap in ihr ein Instrument zur Bekämpfung der Ungleichheit sah, wollten die Konservativen die Steuer reduzieren, da sie einen Standortnachteil für Norwegen befürchteten. Die rechtspopulistische FrP wollte die Steuer komplett streichen.
In den klassischen Feldern wie Bildung, Gesundheit und Infrastruktur versprachen alle Parteien Verbesserungen. Die Ap betonte Chancengleichheit, Høyre setzte auf Qualität und Effizienz, die FrP auf weniger Bürokratie.
Energie, Öl und Gas – Norwegens Herzkammer
Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Norwegen der wichtigste Gaslieferant der EU geworden. Norwegen füllt die Versorgungslücke, nachdem die meisten EU-Staaten ihre Gasimporte aus Russland reduziert oder völlig gestoppt haben. Der Export über die Nordsee-Pipelines ist auf Rekordniveau, die Staatseinnahmen steigen. Die Sozialdemokraten versprachen in der Vergangenheit, diese Gewinne „sinnvoll in die Zukunft zu investieren“, wie Støre betont – etwa in Offshore-Windkraft und CO2-Speicherung.
Norwegen ist auch einer der größten Ölexporteure. Mit dem Staatsfonds, gespeist aus Öleinnahmen, verfügt das Land über riesige Rücklagen. Doch genau dieser Reichtum macht die Energiepolitik so brisant. Im Zentrum steht die Frage: Wie lange soll Norwegen weiter Öl und Gas fördern? Hier unterscheiden sich die Positionen der Parteien. Die Ap will die Förderung fortsetzen, allerdings mit Investitionen in grünere Technologien und strengeren Umweltauflagen. Die FrP hingegen fordert, die Ölförderung noch stärker auszuweiten und Klimaziele zu lockern. Die Grünen (MDG) drängen auf einen klaren Ausstieg aus der fossilen Förderung bis 2035 und treten für stärkeren Klimaschutz ein. Die Sozialistische Linkspartei (SV) fordert dagegen Einschränkungen im Öl- und Gassektor. In dieser Debatte war für viele Wählerinnen und Wähler nicht nur die Klimafrage entscheidend, sondern auch die Entwicklung der Strompreise. Norwegen exportiert Strom nach Europa, während die eigenen Haushalte zeitweise hohe Preise bezahlen. Der Streit um Exportquoten und Netzpolitik ist ein Dauerthema, das die Koalition sprengte und nun auch den Wahlkampf bestimmte.
Sicherheitspolitik im Wahlkampf
Neben der Energie ging es im Wahlkampf auch um die Verteidigungspolitik. Norwegen ist eines der NATO-Mitglieder mit direkter Grenze zu Russland – die strategische Bedeutung des Landes ist daher immens. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde das Militärbudget stark erhöht, neue Abwehrsysteme und U-Boote sind bestellt. Støre verwies auf die enge Kooperation mit den Alliierten: „Unsere Sicherheit ist untrennbar mit der NATO verbunden.“ Die rechtspopulistische FrP war anderer Meinung. Parteichefin Listhaug betonte im Wahlkampf „eine stärkere norwegische Verteidigungsfähigkeit, weniger Abhängigkeit von Brüssel und Washington“. Høyre-Chefin Erna Solberg hingegen betonte die enge Partnerschaft Norwegens zur NATO.
Fazit
Die Wahl am 8. September 2025 war mehr als nur eine Abstimmung über Parteien. Sie zeigte klar die zentralen Konfliktlinien: zwischen fossiler Tradition und grünem Anspruch, zwischen sozialer Abfederung und liberaler Steuerpolitik, zwischen Stabilität und Veränderung.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Norwegen eine Koalitionsregierung aus dem Mitte-links-Lager bekommen. Doch wäre auch denkbar, dass die sozialdemokratische Arbeiterpartei weiterhin eine Minderheitsregierung bildet. Dieses Vorgehen hat in den Nordischen Ländern Tradition, würde aber erfordern, dass Mehrheiten im Parlament stets neu ausgehandelt und gesucht werden müssten.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die liberal-konservative Hoyre auf das enttäuschende Wahlergebnis reagieren wird. Sie konnten zwar die mit ihnen verbundenen Themen wie Wirtschaft und Sicherheit gut setzen, vermochten es jedoch nicht, bei den Themen, die die Menschen im Alltag bewegen, zu punkten. Der Stimmgewinn der rechtspopulistischen Fortschrittspartei lässt sich zum einen auf eine sehr EU-kritische Haltung (Stichwort Bürokratie), das Schüren von Ängsten - vor allem in der Migrationsdebatte – erklären, zum anderen spiegelt sich darin auch ein europaweiter Trend wider. Insgesamt zeigt der Wahlausgang mit der sozialdemokratischen Arbeiterpartei als stärkste Kraft, das eindeutige Votieren der Norwegerinnen und Norweger für Stabilität und Verlässlichkeit und ist gleichzeitig ein Bekenntnis zum Verteidigungsbündnis NATO und zur uneingeschränkten Solidarität und Unterstützung der Ukraine.
In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten wird die Regierungsbildung aufmerksam verfolgt werden. Zwar ist Norwegen kein Mitglied der Europäischen Union, aber unverzichtbarer Partner – ob bei Gaslieferungen, der Regulierung des Strommarkts oder Sanktionen gegen Russland.თემები
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