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Die CDU in den 1970er-Jahren

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In seinem umfangreichen Werk zur Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) hat der Vorsitzende der Historischen Kommission der SPD, Bernd Faulenbach, die 1970er-Jahre selbstbewusst zum „sozialdemokratischen Jahrzehnt“ erklärt (vgl. Bernd Faulenbach: Das sozialdemokratische Jahrzehnt. Von der Reformeuphorie zur Neuen Unübersichtlichkeit. Die SPD 1969–1982, Bonn 2011). Fraglos ist es die Zeit von „Mehr Demokratie wagen“ (Willy Brandt). Die Geschichte der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), die nach dem Machtwechsel 1969 erstmals auf die harten Bänke der Opposition verwiesen worden war, wird in der Literatur dagegen vielfach verkürzt und auf wenige Themen reduziert wiedergegeben. Meist geht es um das Ringen der christ-demokratischen Bundestagsfraktion um eine einheitliche Position zu den Ostverträgen, den Machtkampf zwischen Rainer Barzel und Helmut Kohl sowie um die Querelen mit der Schwesterpartei, der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU), und ihrem mächtigen Vorsitzenden Franz Josef Strauß.

Dass sich die CDU ab Ende der 1960er-Jahre sukzessive zu einer modernen Volkspartei entwickelte, wird – von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu insbesondere Wulf Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei. Selbstverständnis, Mitglieder, Organisation und Apparat 1950–1980, Stuttgart 1985; Frank Bösch: „Die Krise als Chance. Die Neuformierung der Christdemokraten in den siebziger Jahren“, in: Konrad H. Jarausch, Hrsg.: Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008, S. 296–309) – in der Forschung bislang nur wenig thematisiert, wurden doch in den 1970er-Jahren entscheidende Weichen gestellt, die den Weg der Partei bis heute prägen.

Die Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste /Archiv für Christlich-Demokratische Politik hat es sich zum Ziel gesetzt, hierbei neue Akzente zu setzen. Eine wissenschaftliche Tagung, die 2018 in Berlin stattfinden wird, soll die programmatische und organisatorische Reformphase der CDU in den 1970erJahren in den Blick nehmen und dadurch neue Impulse für die weitere Forschung geben.

So war das Ende der Regierungszeit 1969 für die CDU zwar einerseits ein tiefer und schmerzlicher Einschnitt, gleichzeitig aber auch Auftakt zu einer Phase umfassender innerparteilicher Reformen. Mit dem Regierungswechsel ging in der CDU zudem ein Generationenwechsel einher. „Die Jungen“, wie Rainer Barzel und Helmut Kohl, machten sich nach dem Tod Konrad Adenauers 1967 daran, die CDU zu einer modernen Volkspartei weiterzuentwickeln und von ihrem Gründungsvater zu emanzipieren. Auch der Beitrag, den die „alternativen 68er“ leisteten, darf nicht unterschätzt werden. In Reaktion und als Antwort auf die Studentenrevolte, die mit dem Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 einen ersten tragischen Höhepunkt erreichte, engagierten sie sich in der Politik: in der Jungen Union, im Ring Christlich-Demokratischer Studenten und in der CDU. Zu ihnen zählten Peter Radunski, Wulf Schönbohm oder Gerd Langguth, die in den Reformjahren entscheidende Impulse für die Modernisierung der CDU gaben.

Für die Entwicklung der CDU spielte dabei der gesellschaftliche Wandel eine wesentliche Rolle: Die politischen Parteien mussten sich nun mit Pluralisierung, Individualisierung und Emanzipation sowie den Forderungen nach weitergehender Demokratisierung und Partizipation auseinandersetzen. Hinzu kamen die damit einhergehende Auflösung alter Milieus und Vereinsnetze sowie die abnehmende Kirchenbindung, die insbesondere die CDU traf. Vor diesem Hintergrund prophezeiten einige, dass die CDU zu einer ländlichen Kleinpartei schrumpfen würde. Alarmiert durch solche Szenarien, wurde der Mitgliederwerbung eine zentrale Rolle beigemessen. Dabei sollte die Partei nicht nur quantitativ wachsen. Vielmehr war es das Ziel, Mitgliederschichten zu gewinnen, die man bislang vernachlässigt hatte: junge Menschen, Arbeiter und Frauen. Inwiefern beeinflussten diese neuen Mitglieder die Partei? Veränderten sie die Mitgliederstruktur so nachhaltig, dass sich auch die politische Agenda verschob?

Insgesamt waren die 1970er-Jahre das Jahrzehnt der Parteiprogramme. So stellte Rainer Barzel rückblickend inhaltliche Defizite innerhalb der Union fest: „Wir müssen irgendwann in den 60er-Jahren, und zwar wir alle, die geistige Führung verloren haben“ (Januar 1973). Eine umfassende Programmarbeit setzte ein, die 1978 in der Verabschiedung des ersten Grundsatzprogramms in der Geschichte der CDU auf dem Parteitag in Ludwigshafen gipfelte. Was waren die Erwartungen an das Programm? Konnte sich die CDU damit als moderne Volkspartei präsentieren und Zukunftsvisionen aufzeigen, ohne ihren geistigen Kern zu verlieren? Und würde es der Partei gelingen, diese Grundsätze auf die praktische Politik zu übertragen?

Dass die CDU moderne Volkspartei werden wollte, zeigte sich auch an der Demokratisierung und Professionalisierung der Parteiarbeit. Diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf das Verhältnis von Partei und Fraktion: Lange war die CDU vorwiegend aus dem Kanzleramt heraus geleitet worden. Mit dem Regierungswechsel füllte zunächst die Bundestagsfraktion das entstandene Machtvakuum aus. Erst in den 1970er-Jahren entwickelte sich die Partei zu einem wirklich eigenständigen politischen Entscheidungszentrum. Dabei stellten sich die Fragen, wie sich die parteiinternen Entscheidungsabläufe veränderten, welchen Einfluss Landes- oder Kreisverbände auf die Politik im Bonner Konrad-Adenauer-Haus hatten und auf welche Weise sich die Vereinigungen und Sonderorganisationen der CDU einbringen konnten.

Die CDU nutzte die Zeit der Opposition, um sich umfassend zu regenerieren, indem sie sich organisatorisch und programmatisch modernisierte. Die Reformphase in den 1970er-Jahren trug schließlich dazu bei, dass die CDU bei der „Wende“ 1982 gut aufgestellt war.

Kathrin Zehender

Wissenschaftliche Referentin, Abteilung Zeitgeschichte,

Wissenschaftliche Dienste /Archiv für Christlich-Demokratische Politik

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