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Helene Weber, Bildausschnitt Helene Weber, Bildausschnitt © Helene Weber, Bildausschnitt

Helene Weber

Sozialpolitikerin Dr. rer. pol. h. c. 17. März 1881 Elberfeld 25. Juli 1962 Bonn
von Ina vom Hofe
Ein Leben für Politik und Caritas: Das Leben von Helene Weber stellt ein Stück deutscher Geschichte in Zeiten des Umbruchs dar. Die Sozialpolitikerin war Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, saß im Preußischen Landtag, im Reichstag, im Parlamentarischen Rat und im Deutschen Bundestag. Helene Weber war Teil der bürgerlichen Frauenbewegung und in vielen Ämtern und Funktionen eine Frau der ersten Stunde. Ihr karitatives und politisches Wirken hat Spuren hinterlassen.

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Jugend- und Ausbildungsjahre

Als eines von sechs Kindern einer niederländischen Mutter und eines deutschen Vaters wird Helene Weber am 17. März 1881 in Elberfeld geboren. Nach dem Tod der Mutter zieht ihr Vater, Volksschullehrer und Mitglied der Zentrumspartei, die Kinder alleine groß. Durch seine politische Tätigkeit wird auch die junge Helene frühzeitig mit politischen Fragen konfrontiert. Sie engagiert sich zunächst im Volksverein für das katholische Deutschland und anschließend im 1903 gegründeten Katholischen Frauenbund.

Im Alter von 19 Jahren besucht Helene Weber die städtische höhere Töchterschule in Elbersfeld und bis zum Jahre 1905 die Lehrerinnenbildungsanstalten in Wuppertal und in Aachen. Im Anschluss arbeitet Weber zunächst als Volksschullehrerin in Aachen. Als sich die Universitäten in Deutschland zunehmend auch für Frauen öffnen, beginnt die Lehrerin an der Universität in Bonn und später in Grenoble ein Studium mit den Fächern Geschichte, Romanistik und Sozialpolitik. 1909 gelingt es ihr als einer der ersten Frauen, mit der Ablegung des Staatsexamens die Lehrbefähigung für mittlere und höhere Schulen zu erreichen – ein Indiz für ihre herausragenden Studienleistungen, denn bis Mitte der 1920er Jahre ist die Verweigerung von Professoren, Frauen zu prüfen, durchaus üblich.

 

Einstieg ins Berufsleben und Engagement im Katholischen Frauenbund

Nach Studienabschluss tritt die Elberfelderin eine Stelle als Oberschullehrerin in Bochum und im Anschluss eine Tätigkeit in Köln an. Während ihrer Arbeit in Köln begegnet sie erstmalig auch dem damaligen Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer. Als dieser ihr einige Jahre später anbietet, sie zur ersten Direktorin eines Lyzeums zu befördern – unter der Bedingung ihre politischen Tätigkeiten einzustellen – lehnt Helene Weber ab.

Ihr Engagement im Katholischen Frauenbund bekommt auch beruflich einen neuen Stellenwert. Weber übernimmt die Leitung der vom Katholischen Frauenbund errichteten ersten sozialen Frauenschule in Köln. Dafür wird die – ihr Leben lang unverheiratet gebliebene Lehrerin – 1916 aus dem Schuldienst beurlaubt. Im gleichen Jahr beteiligt sich Helene Weber an der Gründung des Berufsverbandes Katholischer Fürsorgerinnen. Den ihr übertragenen Vorsitz in der Gründungsversammlung behält sie bis zu ihrem Tode inne. Schon früh setzt sie sich auch über nationale Grenzen hinweg für die Belange der Frauen ein. Über den 1925 gegründeten Weltbund der katholischen Frauenorganisationen und der katholischen Fürsorgerinnen gelangt Weber zur internationalen Frauenarbeit. Durch ihre Reise- und Vortragstätigkeiten sowie ihr soziales Engagement im Rheinland ist sie bekannt – ein Grundstein für ihren Weg aus dem Lehrerberuf in die Politik, die eine maßgebliche Rolle in ihrem Leben spielt.

 

Berliner Jahre

Mit dem Erhalt des aktiven und passiven Wahlrechts ist die politische Tätigkeit für Frauen zugelassen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass das Zentrumsmitglied Helene Weber bei der Konstituierung einer demokratischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg als eine von insgesamt 36 Frauen in die Weimarer Nationalversammlung einzieht.

Weber ist von 1921 bis 1924 Zentrumsabgeordnete im Preußischen Landtag und danach im Reichstag. 1930 wird sie zur stellvertretenden Parteivorsitzenden und Vorsitzenden des Reichsfrauenbeirats des Zentrums gewählt.

Neben ihrer Tätigkeit im Parlament wird sie 1919 als Referentin ins preußische Wohlfahrtsministerium berufen und ein Jahr später zu einer der ersten weiblichen Ministerialrätin des preußischen Wohlfahrtsministeriums ernannt. Weber verlässt das Rheinland und ist fortan in Berlin tätig. Doch als eine katholische, politisch aktive Frau ist sie den Nationalsozialisten suspekt und wird am 30. Juni 1933 aufgrund der Bestimmungen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Sie muss ihre politischen Ämter aufgeben.

Nach ihrer Entlassung widmet sie sich als Vorsitzende des Berufsverbandes der Katholischen Fürsorgerinnen, umbenannt in Hedwigsbund, verstärkt der sozialen Arbeit und wird Vorsitzende des Deutschen Caritasverbandes. Bis zur Ausbombung ihrer Wohnung 1944 bleibt Weber in Berlin. Danach siedelt sie zu ihrer Schwester nach Marburg über.

 

 

Die Mutter des Grundgesetzes

Mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zieht es Helene Weber wieder nach Nordrhein-Westfalen. Sie lässt sich in Essen nieder und knüpft an ihre politische Tätigkeit vor dem Zweiten Weltkrieg an. Als ehemaliges Zentrumsmitglied engagiert sie sich in der CDU und arbeitet im britischen Zonenbeirat mit.

Mit ihrem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag gehört Weber 1946 zu der Gruppe der Parlamentarierinnen der ersten Stunde. Ihre nationalsozialistische Unbelastetheit und ihre politischen Erfahrungen als ehemaliges Mitglied der Nationalversammlung kommen ihr dabei zu Gute. Auch Konrad Adenauer trifft sie in dieser Zeit wieder. Er setzt sich maßgeblich für die Nominierung Webers in den Parlamentarischen Rat ein. Schließlich wird sie als einzige Frau der Union in den Parlamentarischen Rat berufen. Dort begegnet sie Friederike Nadig (SPD) und Helene Wessel (Zentrum), zwei ihr bekannte Frauen aus dem britischen Zonenbeirat. Als vierte Frau ist Elisabeth Selbert (SPD) Mitglied des Rats.

Weber wird bei der Erarbeitung des Grundgesetzes Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen und stellvertretendes Mitglied im Hauptausschuss. Am 7. Oktober 1948 wird sie in den Redaktionsausschuss zur Formulierung der Präambel gewählt.

Die Unionsfrau setzt sich bereits frühzeitig für die Formulierung der Würde des Menschen im Grundgesetz ein. Auch bei der Diskussion um die Rechte der Frauen beteiligt sie sich nach anfänglicher Zurückhaltung. Im Ausschuss für Grundsatzfragen kommt es wegen unterschiedlichen Ansätzen bezüglich der Formulierung des Gleichberechtigungsartikels zu hitzigen Diskussionen. Weber befürwortet eine Formulierung, die einen Unterschied zwischen Mann und Frau macht und dennoch die gleichen Rechte für Frauen vorsieht. Ihr Vorschlag lautet: „Männer und Frauen stehen bei Wahl und Ausübung des Berufes gleich, verrichten sie gleiche Arbeit, so haben sie Anspruch auf gleiche Entlohnung.“ (Petra Holz: Zwischen Tradition und Emanzipation, Königstein/Taunus 2004, S. 132.) Sie lehnt die Formulierung der Gleichheit der Geschlechter ab. Doch kann sie im Ausschuss und auch in den eigenen Fraktionsreihen keine Mehrheit hinter sich bringen.

Letztlich einigen sich die Parlamentarier ohne Gegenstimme auf einen Vorschlag von Elisabeth Selbert mit der Formulierung des Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

 

Im Deutschen Bundestag

Am 23. Mai 1949 tritt das Grundgesetz für die drei westlichen Besatzungszonen in Kraft. Mit der ersten Wahl zum Deutschen Bundestag am 14. August 1949 zieht Helene Weber als Kandidatin des Wahlkreises „Aachen Stadt“ in den Deutschen Bundestag ein. Als Abgeordnete setzt sie sich für familienpolitische Belange und die Gleichberechtigung der Frau ein. Maßgeblich prägt sie die Entstehung und programmatische Ausrichtung des Bundesfrauenausschusses und der späteren Frauen-Union als Vorsitzende. Dabei ist es ihr stets ein Anliegen, mehr politische Ämter mit Frauen zu besetzen. Die Ernennung von Elisabeth Schwarzhaupt zur ersten Bundesministerin 1961 ist in gemeinsamer Arbeit mit anderen Unionsfrauen auch ihr Verdienst. Dafür hatte Weber sich schon Mitte der 1950er Jahre bei Adenauer eingesetzt.

Doch nicht nur ihr Sachverstand ist im Deutschen Bundestag gefragt. Fraktionsübergreifend schätzen Abgeordnete an ihr die Verteilung von Schokolade, die sie in der Regel bei sich trägt.

Auch ihr karitatives Wirken setzt die Parlamentarierin weiter fort. Sie engagiert sich als Vorsitzende des Kuratoriums des Müttergenesungswerkes und Leiterin der deutschen Delegation des Europarates in Straßburg. Ihr großes Werk ist die Verabschiedung der europäischen Sozialcharta Anfang der 1960er Jahre.

 

Ehrungen und Verdienste

Anlässlich ihres 80. Geburtstags werden die sozialen und politischen Erfolge von Helene Weber am 17. März 1961 in der Zentrale des Katholischen Frauenbundes in Köln gewürdigt. Hierbei zeigt sich die Bedeutung Webers für Politik und Caritas: Bereits 1930 hatte sie von der Universität Münster den Ehrendoktortitel für ihre Verdienste um die Frauenausbildung und Jugendpflegearbeit verliehen bekommen. 1956 erhielt sie das große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Nun kommt die Verleihung des großen Bundesverdienstkreuzes mit Schulterband durch Bundespräsident Heinrich Lübke hinzu. Konrad Adenauer, der bei der Veranstaltung nicht persönlich anwesend sein kann, schreibt ihr: „In den vielen Jahren, (…), haben Sie eine so großartige, segensreiche Tätigkeit entfaltet, dass die weitesten Kreise unseres Volkes und der europäischen Völkerfamilie Ihnen zu größtem Dank verpflichtet sind. Wie sehr ich Sie schätze und verehre, wissen Sie.“ (Zentrale des Katholischen Deutschen Frauenbundes (Hg.): Ernte eines Lebens, Köln 1961, S. 158.)

Nach längerer Krankheit verstirbt die Sozialpolitikerin im Alter von 81 Jahren am 25. Juli 1962 im Marienhospital in Bonn. Sie wird in der Gruft ihrer Familie in Recklinghausen beigesetzt. Bis zum letzten Tag ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages.

Lebenslauf

  • 1900–1905 Höhere Mädchenschule und Lehrerinnenbildungsanstalt in Aachen und Elberfeld, Volksschullehrerin, anschließend Philologiestudium in Bonn und Grenoble
  • 1909 Oberlehrerin in Bochum
  • 1911–1916 in Köln
  • 1916 Beurlaubung aus dem Schuldienst, Übernahme der Leitung der vom Katholischen Deutschen Frauenbund errichteten ersten Sozialen Frauenschule (Wohlfahrtsschule) in Köln, Mitbeteiligung an der Gründung eines Berufsverbandes der katholischen Fürsorgerinnen und deren Vorsitzende bis zu ihrem Tode
  • 1918 übersiedelte sie mit der Frauenschule nach Aachen
  • 1919–19 20 Mitglied der Deutschen Nationalversammlung (Zentrum)
  • 1921–1924 MdL Preußen
  • 1924–1933 Mitglied des Reichstages
  • seit 1919 Referentin
  • seit 1920 Ministerialrätin im preußischen Wohlfahrtsministerium
  • seit 1932 im Kultusministerium in Berlin, seit Januar 1920 im Reichsausschuss und seit November 1925 im Vorstand des Zentrums, auch Vorsitzende von dessen Reichsfrauenbeirat
  • seit Dezember 1927 Mitglied des Fraktionsvorstands und seit 1925 auch der neugegründeten Union Internationale Catholique de Service Social
  • 30.06.1933 aus politischen Gründen entlassen
  • 1944 Übersiedlung nach Marburg
  • 1945 nach Essen
  • 1946/47 MdL Nordrhein-Westfalen (CDU)
  • 1947–1948 Mitglied des Zonenbeirats der britischen Zone
  • 1948–1949 Mitglied des Parlamentarischen Rats
  • 1948–1958 Vorsitzende der CDU/CSU-Frauenarbeitsgemeinschaft
  • 1949–1962 MdB
  • seit 1950 Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarats
  • seit 1953 Vorsitzende des Kuratoriums des Deutschen Müttergenesungswerks
  • seit 1955 der Versammlung der Westeuropäischen Union.

 

Literatur

  • Gnauck-Kühne, Elisabeth: Helene Weber – „Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker“. In: Renate Hellwig (Hg.): Die Christdemokratinnen unterwegs zur Partnerschaft Stuttgart/Herford 1984, S. 110–119.
  • Holz, Petra: Zwischen Emanzipation und Tradition. CDU-Politikerinnen in der Zeit von 1945–1957, Königstein/Taunus 2004.
  • Katholischer Deutscher Frauenbund e.V.(Hg.): Helene Weber – Ernte eines Lebens, Köln 1961.
  • Lenz, Marlene: Helene Weber. In: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Christliche Demokraten der ersten Stunde, Bonn 1966.
  • Morsey, Rudolf: Helene Weber. In: Winfried Becker (Hg.): Lexikon der Christlichen Demokratie, Paderborn u.a. 2002.
  • Tischner, Wolfgang: Helene Weber. In: Günter Buchstab/ Hans-Otto Kleinmann (Hg.): In Verantwortung vor Gott und den Menschen, Freiburg im Breisgau 2008, S. 374–383.
  • Vom Hofe, Ina: Die Frauenpolitik der CDU. Traditionen - Entwicklungen - Einflüsse 1945–2013. Sankt Augustin/Berlin 2017.

 

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