Die Bundeswehr steht vor einem historischen Wendepunkt. Jahrzehntelange Vernachlässigung haben zu gravierenden Defiziten geführt: Personalmangel, veraltete Ausrüstung, erschöpfte Reserven und eine Überregulierung, die den militärischen Kernauftrag verwässert. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit – ein aggressives Russland, fragile transatlantische Garantien, hybride Bedrohungen – erfordern eine entschlossene Reaktion. Ziel muss es sein, die Bundeswehr als glaubwürdige Abschreckungs- und Verteidigungskraft neu aufzustellen. Dazu braucht es mehr als eine Aufstockung des Wehretats: Es braucht strukturelle, mentale und gesellschaftliche Reformen.
Ein zentraler Baustein ist die Einführung einer Bundeswehr-Woche nach französischem Vorbild. Junge Menschen sollen verpflichtend eine Woche in einer Kaserne verbringen, Grundkenntnisse in Erster Hilfe und Sicherheitspolitik erwerben und direkten Kontakt zur Truppe erhalten. Dies stärkt nicht nur die Nachwuchsgewinnung, sondern fördert das gesellschaftliche Verständnis für den Auftrag der Streitkräfte. Dabei könnten Anreize wie ein kostenloses Deutschlandticket oder Vorteile im öffentlichen Dienst die Akzeptanz erhöhen.
Gleichzeitig muss die Reservefähigkeit erhöht werden. Hier kommt den zivilen Arbeitgebern eine Schlüsselrolle zu. Fünf Instrumente können dabei helfen: ein finanzieller KMU-Reservebonus, ein gestuftes Gütesiegel (Defence Employer Recognition Scheme), Vergabe-Pluspunkte bei öffentlichen Aufträgen, anerkannter Bildungsurlaub für Reservisten sowie die Integration eines „R-Index“ in ESG-Standards der Unternehmensberichterstattung. Diese Maßnahmen verbinden wirtschaftliche Anreize mit gesellschaftlicher Verantwortung.
Die militärische Kernkompetenz der Bundeswehr muss wieder in den Mittelpunkt rücken. Dazu gehören: weniger zivile Verwaltung, mehr Gefechtsausbildung, klare Führungsautonomie für militärische Entscheidungsträger und ein Combat Readiness Score als ehrliche Messlatte militärischer Einsatzfähigkeit. Die Zivilisierung der Streitkräfte muss kritisch hinterfragt werden, ohne dabei demokratische Prinzipien zu gefährden.
Am Ende geht es nicht nur um Strukturen, sondern um Haltung. Deutschland muss bereit sein, Verantwortung für seine Sicherheit und die des Bündnisses zu übernehmen – auch militärisch. Das bedeutet, eine Armee aufzustellen, die nicht nur finanziert, sondern auch organisiert, motiviert und integriert ist. Der Umbau zur kriegstüchtigen Bundeswehr ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und er duldet keinen Aufschub mehr.
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Die Reihe informiert in konzentrierter Form über Analysen der Konrad-Adenauer-Stiftung zu relevanten aktuellen Themen. Die einzelnen Ausgaben stellen zentrale Ergebnisse und Empfehlungen eigener und externer Expertinnen und Experten vor, bieten Kurzanalysen von rund fünf Seiten und nennen KAS-Ansprechpartnerinnen.