Die Verfassungsänderungen beziehen sich auf folgende Themenbereiche:
- Geschlechtsdefinition: Die Verfassung erkennt nur ein männliches und ein weibliches Geschlecht an, d.h. das Geschlecht wird biologisch bestimmt.
- Elternschaft: Die Eltern eines Kindes sind die Mutter und der Vater; die Mutter eines Kindes ist eine Frau, der Vater eines Kindes ist ein Mann. Das Kind hat ein Recht darauf, seine Eltern zu kennen.
- Erziehung: Zustimmungspflicht der Eltern bei Sexualerziehung in Schulen.
- Familienrecht: Adoption vorrangig bzw. ausschließlich für Ehepaare. Verbot der Leihmutterschaft.
- Nationale Identität: Eine neue Klausel schreibt fest, dass die Slowakei insbesondere in Sachen nationaler Identität Souveränität bewahrt. Diese werde gebildet insbesondere durch kulturell-ethische Grundfragen von Schutz des Lebens und Menschenwürde, Privat- und Familienleben, Ehe, Elternschaft und Familie, öffentlicher Moral, Personenstand, Kultur und Sprache. Die Slowakei entscheide eigenständig über damit zusammenhängende Bereiche wie Gesundheitswesen, Wissenschaft, Erziehung und Bildung, Personenstand und Erbrecht. In Sachen der nationalen Identität wird der Vorrang der Verfassung vor internationalem bzw. EU-Recht festgeschrieben.
- Gleichstellung: Bestimmung zur gleichen Bezahlung von Männern und Frauen.
Stimmenverteilung
Für die Verfassungsänderung haben Abgeordnete der Koalitionsparteien gestimmt, d.h.
- linksnationalistische SMER-SD von PM Fico,
- sozialdemokratische HLAS-SD (Abspaltung von SMER-SD, die SMER-SD ähnlich ist) – ein Abgeordneter stimmte nicht mit,
- nationalistische SNS,
Aus der Opposition stimmten mit:
- christdemokratische KDH (EVP-Mitglied) – bis auf zwei Abgeordnete
- zwei Abgeordnete aus der Antikorruptionsbewegung Hnutie Slovensko (EVP-Mitglied) – der Rest der Fraktion stimmte dagegen.
- ein Abgeordneter der Kleinstpartei Christliche Union.
Der Rest der Opposition, d.h. die Progressive Slowakei und liberale SaS waren dagegen bzw. blieben der Abstimmung fern.
Für die Verfassungsänderung waren mind. 90 der 150 Abgeordnetenstimmen erforderlich. Bei der Schlussabstimmung stimmten genau 90 Abgeordnete dafür. Der Gesetzentwurf wurde im Frühling 2025 von der Regierung ins Parlament eingebracht. Änderungsanträge der KDH wurden von der Koalition in den Text aufgenommen. Dass bei der Schlussabstimmung die notwendige Mehrheit zustande kam, galt allerdings als Überraschung. Lange Zeit hat es nicht nach einer Mehrheit ausgesehen. Letztlich halfen der Regierung unangekündigt auch weitere Abgeordnete der Opposition. Als Grund nannten sie, dass sie den Inhalt für wichtiger erachtet haben als aus parteipolitischen Gründen gegen Fico zu stimmen.
Die Verfassung schreibt nun Grundsätze fest, die teilweise in einfachen Gesetzen formuliert sind, wie. z.B. Verbot der Leihmutterschaft, Gleichstellung zw. Frau und Mann oder Adoptionsregelung.
Im Vorfeld der Abstimmung wurde darüber diskutiert, ob der Grundsatz vom Verfassungsvorrang in Sachen nationaler Identität die slowakische Mitgliedschaft in der EU oder Europarat untergräbt oder nicht. Dies bleibt abzuwarten, da das Konzept der nationalen Identität nicht detailliert definiert ist und hierbei das Verfassungsgericht künftig wichtige Rolle spielen wird. Allerdings ändern sich für die Slowakei keine internationalen Verpflichtungen, die das Land bereits mit Verträgen eingegangen ist.
Auch die Festschreibung der zwei Geschlechter, die biologisch definiert sind, ändert nichts an der aktuellen Gesetzeslage im Land. Es macht allerdings etwaige Änderung dieser Gesetze schwieriger. Denn für eine Änderung wird künftig eine Verfassungsmehrheit benötigt.
Eine Annäherung an Russland durch die Novelle - wie es einige Medien darstellen - war kein nennenswerter Bestandteil der innenpolitischen Debatte über die Verfassungsänderung im Land, das bei dem Thema der Nähe zu Russland gespalten ist.
Die innenpolitischen Folgen
Die Progressive Slowakei und die liberale SaS kritisierten Hnutie Slovensko (Bewegung Slowakei – EVP Mitglied) stark, weil zwei Abgeordnete aus deren Reichen die Verfassung unterstützt haben. Sie haben zugleich eine zukünftige Zusammenarbeit mit der Bewegung ausgeschlossen. Dass bringt die Opposition in eine schwierige Lage. Denn ohne Hnutie Slovensko ist eine Regierungsmehrheit für die Opposition nicht möglich, zumindest laut aktueller Umfragen. Zudem handelte es sich um zwei Abweichler. Die überwiegende Mehrheit ihrer Abgeordneten stimmte nicht mit für die Verfassungsänderung. Die Beziehungen in der Opposition waren auch vor der Wahl angespannt, jetzt ist aber ein neuer Streit in der Opposition entfacht.
Die christdemokratische KDH ist wiederum erleichtert. Für sie war es schwierig, angesichts Ficos Außenpolitik und harter wachstumsdämpfender Sparmaßnahmen mit der Regierungskoalition zu stimmen. Allerdings befanden sich im Text der Verfassungsänderung viele Punkte, für die die KDH seit Jahren in der Öffentlichkeit streitet. Ein Fernbleiben der Abstimmung hätte den Christdemokraten wohl mehr geschadet als nunmehr die Unterstützung. Die KDH dürfte jetzt eher bereit sein, mit den Progressiven zukünftig eine Regierung zu bilden, weil einige deren Grundsätze jetzt Verfassungsrang haben. So hat sich nach der Abstimmung auch der KDH-Vorsitzende Majersky geäußert.
Obwohl die Abstimmung einen Streit in den Reihen der Opposition hervorgebracht hat, lautet eine der entscheidenden Fragen, ob und inwiefern der Premierminister Fico die Verfassungsänderung in Wählerzuspruch umsetzt. Denn mit der Aufnahme der Werte im Bereich Familie, Geschlecht und Souveränität in die Verfassung waren im Juni 2025 drei Viertel der Bürger einverstanden. Allerdings prägen die aktuelle politische Debatte im Land neben drei Fico-Putin-Treffen innerhalb letzter zehn Monate auch harte Sparpakete und Steuer-bzw. Abgabenerhöhungen. Diese mutet Ficos Regierung aktuell den Bürgern und Firmen schon das dritte Jahr in Folge zu. Die Slowakei ist polarisiert und wirtschaftlich sowie in Bezug auf die öffentlichen Finanzen in keiner guten Verfassung. Den Menschen stehen schwierige Jahre bevor. Neue politische Führung wählen die Slowakinnen und Slowaken in zwei Jahren, i.e. im Herbst 2027.
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