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Länderberichte

Ziemlich schlechte Freunde

von Dr. Kristin Wesemann

Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner verstört mit ihrer Außenpolitik den Westen und die Nachbarn

Seit die Kirchners regieren, geht Argentinien auch in der Außenpolitik neue Wege. Während die Nachbarn internationale Bündnisse pflegen, schottet sich das zweitgrößte Land Südamerikas ab. Präsidentin Cristina Kirchner und ihre Regierung wollen so verhindern, dass das Land von außen kontrolliert wird. Stattdessen lässt man sich auf Abenteuer mit zweifelhaften Partnern ein. Die Europäische Union und die USA sehen mit Sorge, wie Argentinien beispielsweise den Iran oder Angola umwirbt. Und auch daheim ist der Kurs hoch umstritten – zumal er die Wirtschaft schwächt.

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Die „Geheimwaffe“ der amerikanischen Diplomatie heißt William Burns. Sein neuer Chef, Außenminister John Kerry, nennt ihn den „Goldstandard für eine ruhige, anpackende Diplomatie“. Präsident Barack Obamas früherer außenpolitischer Berater und heutiger Stabschef Denis McDonough sagt, Burns sei der „Inbegriff des Diplomaten“. Eine Zeitlang wurde er sogar als Hillary Clintons Nachfolger im State Department gehandelt. Der Karrierebeamte ist jedoch auf seinem Posten geblieben – und hat es mit Argentinien zu tun.

Besonders freundlich sind die Beziehungen zwischen Washington und Buenos Aires schon eine ganze Weile nicht mehr. Dass Argentinien enge Beziehungen zu Kuba und Venezuela pflegt, zu zwei Staaten, die nicht dem demokratischen Ideal des Westens entsprechen – daran hatte man sich im State Department mittlerweile gewöhnt. Als jedoch im Februar 2011 der argentinische Zoll ein Transportflugzeug der US-Luftwaffe am internationalen Flughafen Ezeiza festhielt und nach eigenen Aussagen illegale Waffen und Drogen beschlagnahmte, war man aufs Neue verstört – und verblüfft überdies. Denn die Boeing C-17 hatte Routineausrüstung an Bord, mit der die argentinische Polizei Sondereinsätze trainieren sollte.

Die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner blieb indes dabei, es handle sich um illegales Material und Drogen. Auch ein Anruf bei Außenminister Héctor Timerman änderte daran nichts. Kenner vermuten ein persönliches Racheäktchen des Staatsoberhauptes. Frau Kirchner, heißt es, nehme es Barack Obama dauerhaft übel, dass er auf seiner ersten Lateinamerikareise im März 2011 nicht in Buenos Aires vorbeigekommen sei. Als wäre er im Nebenberuf Verschwörungstheoretiker, hatte Außenminister Timerman den Verzicht Obamas damit erklärt, dass Argentinien weder amerikanische Waffen kaufe noch Verteidigungs- und Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten schließe.

Der Konflikt um die Boeing verschwand zwar aus den Schlagzeilen, wohl auch, weil Argentinien, was man am Río de la Plata naturgemäß anders sieht, nicht zu den Staaten gehört, mit denen sich die amerikanische Außenpolitik in erster Linie und rund um die Uhr beschäftigt. Doch die Rhetorik gegenüber Washington blieb scharf. Und im State Department ist der Kummer über den innen- und außenpolitischen Diskurs Argentiniens mittlerweile so groß, dass William Burns Héctor Timerman jüngst zu einem Zwiegespräch empfing.

Internationale Sorge um die Pressefreiheit

Burns berichtete von der amerikanischen Sorge um die argentinische Meinungsfreiheit und erklärte dem Kollegen, wie fundamental diese für die Demokratie sei. Dass Cristina Kirchner und ihre Leute regelmäßig neue Ideen entwickeln, um regierungskritische Medien besser zu kontrollieren, hat sich längst herumgesprochen. Am Mediengesetz, das vor allem Clarín träfe, den größten Konzern im Nachrichtengeschäft, arbeiten sich die Instanzen der Justiz seit mehr als drei Jahren ab. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Jüngst hat die Regierung Zeitungen und Zeitschriften verboten, Anzeigen von Supermärkten und Elektrowarenhäusern zu drucken. Weltweit stehen Printmedien unter wirtschaftlichem Druck, weil die traditionellen Geschäftsmodelle aus seligen Papierzeiten in der digitalen Gegenwart offenkundig nicht mehr funktionieren. Werbeerlöse und Auflagen brechen ein, Redaktionen werden verkleinert, Auslandsbüros geschlossen, Journalisten schlechter bezahlt oder gleich ganz entlassen. Auch in Argentinien müssen die Zeitungen um Einnahmen kämpfen – umso härter trifft sie das jüngste Werbeverbot. Nach Schätzungen des renommierten Club Político Argentino haben sich die regierungskritischen Blätter bislang zu 30 Prozent über die Anzeigen der Einkaufsmärkte finanziert. Anders als regierungstreue Medien kommen sie nicht oder nur im Ausnahmefall in den Genuss staatlicher Werbung.

Auch Studien zur Pressefreiheit belegen, dass sich für Journalisten, Leser, Hörer und Zuschauer in Argentinien etwas ändert. Drei Jahrzehnte nach dem Ende Militärdiktatur (1976 bis 1983) und der Rückkehr zur Demokratie steht das Land schlechter da als in den Neunzigern. In der aktuellen Rangliste zur Pressefreiheit von Freedom House teilt sich Argentinien mit Kenia und Haiti Platz 104 (von 197).

Auch deshalb redete Burns, für einen Diplomaten zumal, Klartext mit Timerman – ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang, der zeigt, wie ernst die USA die aktuelle Entwicklung nehmen. Denn gewöhnlich werden hochrangige Regierungsvertreter für ihre Taten eher zwischen den Zeilen kritisiert und verwarnt. Das aber war ein Verriss auf offener Bühne. Die Pressefreiheit sei maßgeblich für die Demokratie, erklärte Burns dem Kollegen aus Buenos Aires.

Der Kampf um das Öl

Schon länger erregt Argentinien Aufsehen mit seiner „kämpferischen Außenpolitik“. Die unangekündigte Enteignung des spanischen Ölkonzerns Repsol, die verächtliche Rhetorik gegenüber den westlichen Volkswirtschaften, die Handelsreisen nach Afrika und Asien, der Streit um die Fregatte „Libertad“, das regelmäßige Säbelrasseln mit Blick auf die Falklandinseln, die intensive Kooperation mit Iran und der konfrontative Politikstil nach innen und außen haben das zweitgrößte Land des Kontinents in den vergangenen zwölf Monaten international stark isoliert.

Der Konflikt mit Großbritannien um die Falklandinseln schwelt seit Jahrzehnten. Argentiniens Militärjunta hatte die Inseln 1982 angegriffen, um mithilfe eines gemeinsamen äußeren Feindes vom wirtschaftlichen und politischen Chaos im Land abzulenken. Nachdem 2010 unterirdische Ölvorkommen entdeckt worden waren, haben Buenos Aires und London die Zeiten relativer Harmonie auch wieder hinter sich gelassen.

Der Argentinien-Experte Mark Jones von der Rice University glaubt, es gehe nicht vordergründig ums Öl. Vielmehr wolle die Regierung abermals, ähnlich wie 1982, von wirtschaftlichen Problemen ablenken. In Argentinien seien die Malvinas eines der wenigen Themen außer Fußball, für die das zerrissene Land zusammenstehe. „Las Malvinas fueron, son y serán argentinas“ („Die Malwinen waren, sind und werden argentinisch sein“) ist eines der beliebtesten Grafitos an Hauswänden – und ein Satz, auf den sich alle soziale Schichten fast ausnahmslos einigen können. Zum einen kann Cristina Kirchner kaum anders agieren: Ein argentinisches Staatsoberhaupt, das die Malwinen verloren gäbe, riskierte mutmaßlich seine politische Zukunft. Zum anderen werden alle internationalen Proteste über den Beifall der Masse daheim kompensiert.

Nach den Kolonialismusvorwürfen an die britische Regierung im vergangenen Jahr schrieb Cristina Kirchner diesmal übrigens einen Brief an Premierminister David Cameron: „Heute vor 180 Jahren, am 3. Januar, wurde Argentinien in einem unverfrorenen Akt des Kolonialismus des 19. Jahrhunderts der Malvinas beraubt, die 14.000 Kilometer von London entfernt sind.“ Sie forderte ihn und sein Land zum Dialog auf, schickte den Brief in Kopie an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und berief sich zudem auf die Erklärung der Weltorganisation aus dem Jahr 1960, den Kolonialismus zu beenden. London zeigte sich unbeeindruckt und verwies auf das Selbstbestimmungsrecht der Kelper – so nennen sich die Einwohner der Falklands. Die sprachen sich jüngst in einem Referendum über den politischen Status des Landes mit 99,8 Prozent für die dauerhafte Zugehörigkeit zu Großbritannien aus. Damit müsste der Streit als gelöst gelten. Doch Argentiniens Regierung bleibt stur und erkennt das Votum nicht an. Der Regierungschef der Falklands, Mike Summers, warf Buenos Aires vor, die Kelper wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln – nur weil diese keine Lateinamerikaner seien.

Während der Konflikt seit 30 Jahren vor allem mit Wortgewalt ausgetragen wird, hat der spanische Konzern Repsol direkt zu spüren bekommen, was es bedeutet, wenn Argentinien seine Muskeln zeigt. Im Morgengrauen des 16. April 2012 erschienen bewaffnete Beamte der Bundespolizei in der Repsol-Zentrale in Buenos Aires und zwangen die Mitarbeiter, das Gebäude zu verlassen. Präsidentin Kirchner hatte angeordnet, die argentinische Tochter YPF zu verstaatlichen, und zwar sofort. Sie sagte später, der Schritt sei im nationalen Interesse erfolgt, er bringe die Souveränität über die Ölvorräte zurück und sichere die Unabhängigkeit Argentiniens.

Die spanische Regierung, die Europäische Union und die Geschäftsleitung von Repsol bezeichneten die Vorgänge als „illegal“. In Madrid sprach Ministerpräsident Mariano Rajoy von einer „feindlichen“ und „willkürlichen“ Maßnahme. Der Präsident von Repsol, Antonio Bufau kündigte an, man werde sämtliche Rechtsmittel prüfen, um wenigstens eine Entschädigung zu erhalten. Spanien ist noch vor den Vereinigten Staaten der größte Direktinvestor in Argentinien.

Den vollständigen Länderbericht mit Fußnoten lesen Sie im pdf (siehe oben).

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6. Mai 2013
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Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner | Foto: Presidencia de la Republica del Ecuador/Flickr Presidencia de la Republica del Ecuador/Flickr

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