Zu wählen ist in Brasilien nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht: Brasilianische Staatsangehörige im Alter von 18 bis 70 Jahren sind zur Abgabe ihrer Stimme verpflichtet. Jugendlichen ab 16 Jahren und Älteren ab 70 Jahren steht es frei zu wählen. Wahltage sind traditionell der erste und letzte Sonntag im Oktober. Wer seine Wahlpflicht nicht ausübt und unentschuldigt fehlt, muss eine Strafe in Höhe von bis zu 35 Reais (knapp 9 EUR) zahlen. Andernfalls ist es unmöglich, einen Personalausweis oder Reisepass zu beantragen. Bei mehrfachem unentschuldigtem Fernbleiben kann ein Staatsbürger sogar sein Wahlrecht verlieren.
Das präsidentielle Regierungssystem der Republik Brasilien ist durch eine Mischung aus dem Mehrheitswahlrecht sowie dem Verhältniswahlrecht charakterisiert.
Der Staatspräsident, die 27 Gouverneure sowie die Bürgermeister von Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern werden alle vier Jahre mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Erreicht kein Kandidat die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang, so kommt es zu einer Stichwahl zwischen den zwei bestplatzierten Kandidaten aus dem ersten Wahlgang. Seit 1994 ist das Amt des Staatspräsidenten auf vier Jahre beschränkt und seit 1997 können sich Vertreter der Exekutive in einem konsekutiven Turnus zur Wiederwahl stellen. So konnte Fernando Henrique Cardoso (PSDB) 1998 als erster Präsident Brasiliens direkt wiedergewählt werden. Mit einfacher Mehrheit werden hingegen Senatoren und Bürgermeister von Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern gewählt.
Damit eine Kandidatur um ein politisches Amt für Vertreter der Exekutive möglich ist, sind Mandatsträger dazu verpflichtet, ihr aktuelles politisches Amt bis zum 7. April 2018 niederzulegen (portugiesisch: desincompatibilização). Ausgenommen von dieser Vorschrift sind Mandatsträger, die sich um das gleiche politische Amt bewerben, welches sie bereits innehaben. Der aktuelle Staatspräsident Michel Temer muss sein Amt also nicht aufgeben und kann sich potentiell zur Wiederwahl stellen. Darüber hinaus ist die Mitgliedschaft in einer Partei zwingende Voraussetzung für eine Kandidatur. Für einen Zeitraum von 30 Tagen ist es Mandatsträgern der Legislative und Exekutive sieben Monate vor der Wahl möglich, die Partei zu wechseln, ohne dabei ihr Mandat zu verlieren (portugiesisch: janela de troca de partidos). Jede Partei hat großes Interesse daran, neue Mitglieder in ihren Reihen zu begrüßen, denn durch die Vergrößerung der Partei winkt dieser mehr finanzielle Unterstützung sowie mehr kostenlose Werbezeit im Fernsehen und im Radio.
Nach dem Verhältniswahlrecht (portugiesisch: representação proporcional) werden Abgeordnete und Stadträte gewählt. Dabei können die Wähler einen Kandidaten einer Partei oder einer sogenannten Wahlkampfkoalition (portugiesisch: coligação), einem Zusammenschluss zweier oder mehrerer Parteien, wählen. Die Sitze im Parlament werden an die Parteien oder Wahlkampfkoalitionen gemäß der auf die Partei oder die Wahlkampfkoalition entfallenen Stimmen nach dem Prinzip der „offenen Liste“ (portugiesisch: lista aberta) besetzt. Das heißt: Die Kandidaten mit den meisten Stimmen einer Liste erhalten ein Mandat, eine Rangordnung gibt es nicht. Im Gegensatz zum Prinzip der „geschlossenen Liste“ (portugiesisch: lista fechada) stimmen die Brasilianer also primär für einzelne Personen anstatt für eine Partei.
Im brasilianischen Zwei-Kammer-System setzt sich der Kongress aus dem Senat (portugiesisch: Senado) und dem Abgeordnetenhaus (portugiesisch: Câmara dos Deputados) zusammen. Dabei repräsentiert der Senat die 26 brasilianischen Bundesstaaten und den Bundesdistrikt Brasilia. Jeder Gliedstaat entsendet 3 Senatoren in den Senat. Somit zählt der Senat insgesamt 81 Mitglieder, die für die Dauer von acht Jahren gewählt werden. Nach dem in Brasilien gängigen Rotationsprinzip werden im Herbst 2018 lediglich 54 der 81 Senatoren, also zwei Drittel der Mitglieder des Senats, neu bestimmt. Im Jahr 2022 werden erneut 27 der 81 Senatoren gewählt. Dies entspricht einem Drittel.
Im Gegensatz dazu werden die insgesamt 513 Volksvertreter des Abgeordnetenhauses in direkter und geheimer Wahl alle vier Jahre auf einmal gewählt. Zwar entsprechen die 27 Wahlkreise den 26 Bundesstaaten sowie dem Bundesdistrikt Brasilia, jedoch ist die Einwohnerzahl der Gliedstaaten nicht proportional zu den zugeteilten Sitzen pro Staat im Abgeordnetenhaus. Dies führt dazu, dass einige Staaten mit Blick auf die Vertreter im Abgeordnetenhaus überrepräsentiert sind und ein einziger, nämlich São Paulo, unterrepräsentiert ist. Der Grund hierfür liegt in Artikel 45 der brasilianischen Verfassung in Verbindung mit der Lei Complementar nº 78 aus dem Jahr 1993, welche jedem Staat ein Minimum von 8 Sitzen garantiert und ein Maximum von 70 Sitzen vorschreibt.
Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus müssen die Parteien erstmalig eine Sperrklausel von 1,5% der gültigen Stimmen in mindestens neun Bundesstaaten überwinden. Bis 2030 soll die Sperrklausel auf 3% ansteigen. Diejenigen Parteien, die bei der Wahl im Herbst 2018 die 1,5%-Hürde unterschreiten, verlieren ab dem Folgejahr 2019 den Zugang zum Fundo Partidário und erhalten künftig keine Werbezeit mehr im Fernsehen. Das Ziel der Einführung der 3%-Hürde besteht darin, die Anzahl der im Parlament vertretenen Parteien zu reduzieren, um die Kammer handlungsfähiger zu machen. Derzeit sind im Abgeordnetenhaus 25 Parteien vertreten, die Regierungskoalition besteht aus nicht weniger als elf Parteien. Bemerkenswert ist, dass bei den letzten Parlamentswahlen nur elf Parteien die nach wie vor virtuelle Sperrklausel von 3% überschritten.
Über die Vorbereitung und Organisation sowie die rechtmäßige Durchführung der Wahl wacht das Oberste Wahlgericht (portugiesisch: Tribunal Superior Eleitoral, TSE). Bei ihm müssen sich bis zum 7. April 2018 (sechs Monate vor der Wahl) alle Parteien registrieren, die an der Wahl teilnehmen wollen. Daneben ist das Oberste Wahlgericht zuständig für die Regelung der Wahlkampffinanzierung. So hat es 2015 im Sinne der Korruptionsbekämpfung und -prävention die Spendenzahlungen von Unternehmen an Parteien verboten. Privatpersonen ist es weiterhin erlaubt, maximal 10% ihres Privatvermögens an Kandidaten oder Parteien zu spenden. Der Stichtag zur Berechnung des Prozentsatzes ist der letzte Tag des Vorwahljahres. Als Reaktion auf das Verbot der Firmenspenden hat der Kongress im Jahr 2017 einen neuen Wahlfonds (portugiesisch: Fundo Especial de Financiamento de Campanha, FEFC) geschaffen. Nach Schätzungen beziffert sich dieser auf 1,7 Mrd. Reais (rund 400 Mio. EUR), welche das Oberste Wahlgericht am 18. Juni 2018 nach den folgenden Kriterien an die zur Wahl zugelassenen Parteien verteilt: 2% der Summe wird den Parteien zu gleichen Teilen zugesprochen; 15% werden unter den Parteien entsprechend ihrer Anzahl an Senatoren aufgeteilt (Stichtag: 28. August 2017); weitere 35% werden dem Wahlausgang im Jahr 2014 entsprechend unter den Parteien verteilt; die verbleibenden 48% des Fonds werden proportional zu der Anzahl der Vertreter der Parteien im Abgeordnetenhaus zugeteilt (Stichtag: 28. August 2017). Nicht verwendete Mittel müssen zurückgegeben werden. Im Mai 2018 hat das Oberste Wahlgericht entschieden, dass mindestens 30% des Wahlfonds Frauen zugutekommen müssen.
Neben dieser temporären Finanzspritze im Wahlkampf stellt der 2018 rund 1 Mrd. Reais (über 200 Mio. EUR) umfassende Parteifonds (portugiesisch: Fundo Partidário) eine dauerhafte Finanzierungsquelle für Parteien dar. Ein kleiner Teil von 5% des Parteifonds wird gleichmäßig an Parteien verteilt, die rechtmäßig beim Obersten Wahlgericht registriert sind. Der Großteil von 95% wird entsprechend des Wahlergebnisses der Parteien bei den letzten nationalen Wahlen (2014) verteilt.
Anders als beim Wahlfonds kann das Geld aus dem Parteifonds nicht nur zu Wahlkampfzwecken genutzt werden, sondern auch für die Aufrechterhaltung des Parteisitzes, die Bezahlung von Mitarbeitern, politische Werbung allgemeiner Natur, zur politischen Förderung von Frauen u.v.m.
Eng verbunden mit der Parteienfinanzierung ist die kostenlose Sendezeit im Fernsehen und im Radio. In einem Zeitraum von 35 Tagen steht den Parteien vom 31. August bis zum 4. Oktober täglich rund eine Stunde kostenlose Werbezeit im Fernsehen und im Radio zu. Die exakte Sendezeit bemisst sich nach der Größe der Partei. Auch hier reserviert das Oberste Wahlgericht mindestens 30% der Werbezeit für weibliche Kandidaten. Der Zeitraum der kostenlosen Wahlwerbung wurde von ursprünglich 45 Tagen auf 35 Tage verkürzt.
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