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Veranstaltungsberichte

Veranstaltung "Das Erbe der Weltmeisterschaft"

von Nicholas Ottersbach
Am 10. Juli 2014 veranstaltete die KAS Brasilien in Anlehnung an die publizierte Zeitschrift „Das Erbe der Weltmeisterschaft“ eine öffentliche Debatte. Über 100 Interessierte diskutierten mit Blick auf die zukünftige Entwicklung Brasiliens, die langfristigen Auswirkungen der Weltmeisterschaft.

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Vor Beginn der Weltmeisterschaft herrschte ein ausgesprochen pessimistischer Diskurs bezüglich der Austragung des Großevents. Einige waren davon überzeugt, dass dies die schlechteste Weltmeisterschaft aller Zeiten sein würde. In Anbetracht der starken Emotionen, feurigen Auseinandersetzungen und vielen Tore schien dieser Pessimismus jedoch fehl am Platz und verlief sich zusehends im Verlauf der Weltmeisterschaft. Entgegen der Erwartungen wurde das Großevent nicht nur für die Brasilianer, sondern auch für die Touristen, die angereist waren um ihre Mannschaft zu unterstützen, zu einer bleibenden Erfahrung. Einige sprechen nun von sogar von der spannendsten Sportveranstaltung in der Geschichte der Fußballweltmeisterschaft.

Die große Frage ist jedoch, was außerhalb des Spielfelds in Erinnerung bleiben wird. Was wird letztendlich für Brasilien dabei herauskommen? Werden die Vorteile, die sowohl von Seiten der FIFA als auch von der brasilianischen Regierung versprochen wurden, zum Tragen kommen? Ziel der Veranstaltung war es, Wissenschaftler, Politiker und Journalisten sowie Interessierten zusammenzuführen und eine Austauschplattform zu bieten, um diverse Fragen zu diskutieren.

Felix Dane, Leiter des Auslandsbüros der KAS in Brasilien, eröffnete die Veranstaltungen. Dane betonte, dass die bevorstehende Debatte einen Blick auf die brasilianische Gesellschaft werfe n sowie die Auswirkungen der Weltmeisterschaft auf den zukünftigen Weg des Landes thematisieren solle. Harald Klein, Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Rio de Janeiro, schloss sich den einführenden Worten an und sprach von dem positiven Bild Brasiliens in der Welt, das als Vermächtnis der Weltmeisterschaft gesehen werden kann. Er verwies darauf, dass sich die anfänglichen Befürchtungen vieler Touristen mit dem Anpfiff der Spiele in Luft auflösten. Ferner stellte er fest, dass das Land seine Fähigkeit zu Planen, Organisieren und erfolgreich Großveranstaltungen durchzuführen, unter Beweis stellte. Mit abschließenden Worten erinnerte er das Publikum jedoch daran, dass es noch zu früh sei, um die Frage nach den langfristigen Auswirkungen der Weltmeisterschaft auf Brasilien zu beantworten.

Als erster Redner des Abends sprach Humberto Dantas, der am Institut für Soziologie und Politik in São Paulo tätig ist. Er erklärte, dass die einladende Wesensart des brasilianischen Volkes, die Freundlichkeit und das herzliche Verhalten gegenüber Anderen als eindeutiges Vermächtnis des Megaevents gesehen werden kann. Brasiliens organisatorisches Talent und die Fähigkeit, Großveranstaltungen auszurichten sei niemals angezweifelt worden. Die Planungskapazität des Landes wird jährlich an Neujahr und Karneval und wurde auch jüngst zum Besuch des Papstes im Jahr 2013 unter Beweis gestellt, so Dantas. Er betonte ebenfalls, dass der reibungslose Ablauf der WM als Folge von Extremmaßnahmen gesehen werden muss, die von der Regierung implementiert wurden. Beispiele hierfür sind die militärische Besetzung des Viertels Complexo da Maré, einer allgemein bekannten, unruhigen Favela oder auch die vielen Feiertage, die national erlassen wurden, um den reibungslosen Transport zu den Stadien zu gewährleisten. Dantas schloss mit den Worten, dass die Freude der Brasilianer der größte Erfolg der Großveranstaltung war.

Bruno Kazuhiro, Vorsitzender der liberalen Partei Democratas von Rio de Janeiro, teilte Dantas Wahrnehmung hinsichtlich der Fröhlichkeit des brasilianischen Volkes. Laut Kazuhiro wird die Gastfreundschaft der Brasilianer, ihre Freundlichkeit und die Fähigkeit, selbst Angesichts der Niederlage von 7:1 gegen Deutschland das Lachen zu bewahren, in Erinnerung bleiben. Kazuhiro betonte allerdings, dass dies Qualitäten des brasilianischen Volkes und nicht der Regierung sein. Deshalb sollte den Brasilianern und nicht der Regierung zum Erfolg der Weltmeisterschaft gratuliert werden. Er lobte die Bemühungen der Regierung hinsichtlich der Sicherheitslage sowie das Funktionieren der Flughäfen. Kritisierte jedoch im Gegenzug die mangelnde kulturelle und administrative Kompetenz. So war es beispielsweise nur wenigen Brasilianern vorbehalten Englisch zu lernen, um mit den ausländischen Touristen kommunizieren zu können – Polizisten, Verkäufer etc. wurde darauf nicht vorbereitet. Des Weiteren, so Kazuhiro, brachte die Weltmeisterschaft nur wenig Vorteile für die brasilianische Jugend mit sich. Die Regierung scheiterte in vielen organisatorischen Aufgaben, unter anderem bei der Durchführung öffentlicher Projekte. So wurden nicht einmal 50% der vorgesehenen Arbeiten beendet. Aufgrund dessen gilt es, die Leistungsfähigkeit der Regierung kritisch zu hinterfragen.

Vítor Wilher setzt sich als Blogger intensiv mit Wirtschaftsfrage auseinander. Er gab den Anwesenden einen Einblick in die wirtschaftlichen Vermächtnisse der Weltmeisterschaft. Wilher gab zu, vor Beginn der WM zu den großen Pessimisten gezählt zu haben. Doch, obgleich viele Befürchtungen sich nicht als wahr erwiesen, bedeutet das nicht, dass die WM als großer Erfolg gefeiert werden kann. Er stimmte der Aussage des Generalkonsuls Harald Klein hinsichtlich der Verbesserung des Bildes Brasiliens in der Welt zu und sieht in dieser Verbesserung des großen Erbes. Die erfolgreiche Durchführung des Megaevents trug dazu bei, viele Ängste bezüglich des Scheiterns der Olympiade im Jahr 2016 abzubauen. Einige Misserfolge nannte er dennoch. So hätte das Bruttoinlandsprodukt infolge der erwarteten zusätzlichen Einnahmen steigen sollen, stattdessen ist eine Zunahme der Inflation zu verzeichnen. Mit Blick auf die Wahrnehmung Brasiliens im Ausland betonte Wilher, dass der zukünftige Präsident dieses positive Bild instrumentalisieren müsse, um die wirtschaftliche Situation des Landes zu verbessern. Er unterstrich die Notwendigkeit, ausländische Direktinvestitionen zu erhöhen und sprach von der Wichtigkeit makroökonomischer Strukturreformen.

Der politische Blogger Jan Kruger begann seinen Diskurs mit einem kritischen Blick auf den Mangel an Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln. Er beklagt, dass die Brasilianer stets nach Sündenböcken suchen, die sie für das Übel der Gesellschaft verantwortlich machen würden. Dieses Verhalten müsse sich ändern, so Kruger. Das Vermächtnis der Weltmeisterschaft sollte folglich in einem erhöhten Verantwortungsbewusstsein liegen. Zudem kritisierte er die kurzfristige Sichtweise, die in Politik und Gesellschaft des Landes vorherrsche. Kruger merkte an, dass der politische und gesellschaftliche Diskus sich nicht auf die Vorbereitungen für die Olympiade 2016 in Rio beschränken sollte. Denn soziale Verantwortung dürfen nicht auf eine Mandatszeit politischer Entscheidungsträger begrenzt sein. Seine abschließenden Worte galten der passiven Haltung der brasilianischen Gesellschaft. Er betonte die Notwendigkeit, politische Versprechen einzufordern.

João Viégas ist im Bereich der Fallsicherung bei der Staatsanwaltsanwaltschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro tätig. Er schloss die Runde der eingeladenen Autoren mit einem kurzen Blick auf die Umweltauswirkungen der WM. Einführend legte er seine Arbeit dar und verwies auf die Notwendigkeit bestimmter Lizenzen, die für infrastrukturelle Vorhaben von den zuständigen Behörden vor Baubeginn vergeben werden müssen. Bei Großprojekten müssen Studien in Auftrag gegeben werden, die potentielle ökologische Auswirkungen untersuchen, denn die Projekte müssen so nachhaltig wie möglich durchgeführt werden. Darüber hinaus müssen größere Projekte zudem von Politikern und anderen staatlichen Organen analysiert werden. Infolge dieses aufwendigen bürokratischen Prozesses können viele wichtige Projekte im Bereich der Stadtplanung nicht innerhalb der vierjährigen Mandatszeit implementiert werden. Ein Beispiel für dieses ineffiziente Verfahren ist der Bau der Metrolinie 4 in Rio. Höchstwahrscheinlich wird die Linie nicht bis zu den Olympischen Spielen fertig gestellt werden, ganz zu schweigen von dem fehlenden Mehrwert für die lokale Bevölkerung.

Nach den kurzen Beiträgen der eingeladenen Autoren, wurde die Diskussion für das Publikum eröffnet. Viele Teilnehmer richteten sich mit Fragen an die anwesenden Autoren und stellten ihre Sicht auf die Entwicklung Brasiliens dar. Die Anmerkungen und Diskussionsbeiträge gingen von Inflation, über politische Straflosigkeit bis hin zu politischer Bildung in der Öffentlichkeit und waren sehr breit gefächert. Was alle Beiträge einte, war der Wunsch, die Weltmeisterschaft als Ausgangspunkt für soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungen zu nutzen. Denn eine Verbesserung der Lebensqualität des brasilianischen Volkes wäre ein wahrhaftig nachhaltiges Vermächtnis der Weltmeisterschaft.

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Kathrin Zeller

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12. Juni 2014
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