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Veranstaltungsberichte

Virtuelle Demokratie – Ökonomische Auswirkungen

von Friedrich Christian Matthäus

Edition Fortaleza

Die zweite Ausgabe 2015 der Veranstaltungsreihe „Virtuelle Demokratie“ fand an der Föderalen Universität Ceará in Fortaleza zu den ökonomischen Auswirkungen Virtueller Geschäftsaktivitäten statt. Welche Rolle kommt in diesem Sinne der Sozialen Marktwirtschaft zu? Postgraduierte Wirtschaftsstudentinnen- und studenten gingen diesen Fragen mit den Experten aus der Praxis nach, bis ein Stromausfall die Großstadt Fortaleza lahmlegte und allen die Abhängigkeit von Strom und die Aktualität energiesicherheitspolitischer Politiken vor Augen führte.

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Die Seminarreihe „Virtuelle Demokratie“ gehört zum festen Kerncurriculum der Konrad-Adenauer-Stiftung Brasilien; die Auswirkungen der im Virtuellen Raum gegebenen Anonymität sowie das Überwinden geographischer Distanzen lassen die Digitale Revolution des frühen 21. Jahrhunderts in einem Atemzug mit der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts nennen. Das Seminar im Nordosten Brasiliens beschäftigte sich vorwiegend mit den Auswirkungen auf die Lokalwirtschaft und die vor Ort in den Kommunen verwirklichte Verantwortung unternehmerischen Handelns. Auch hier legt die Stiftung mit dem erhardschen Konzept der Sozialen Marktwirtschaft einen weiteren Fokus.

Kalinka Copello, Expertin für partizipative Prozesse demokratischen Handelns im Internet bei der in Rio de Janeiro ansässigen Denkfabrik Institut für Technologie und Gesellschaft erläuterte die Vorzüge der Internetplattform Plataforma Brasil, einem Internetmedium für qualitative Diskussionen interessierter Bürgerinnen und Bürger, die Reformen wünschen. In Kategorien unterteilt wird hier auch die Reichweite der Veränderungen auf die Lokalwirtschaft in den Städten und Gemeinden durch das Internet diskutiert.

Sivaldo Pereira da Silva ist Hochschulprofessor an der Föderalen Universität Alagoas und spezialisiert auf jedwede technischen Entwicklungen des Internets sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft. Pereira da Silva berichtete von dem Gefälle zwischen Stadt und Land und einem so entstehenden Demokratiedefizit für all jene, die keinen oder nur unzureichenden Zugang zum Medium Internet hätten. Plastisch bedeute dies, dass in der Großstadt Fortaleza nahezu ein jeder die Möglichkeit habe, sich im Internet zu informieren, Recherche zu betreiben und sich zu politischen und ökonomischen Zwecken zu vernetzen. In der wirtschaftlich wenig entwickelten steppenartigen Sertão-Region im Inneren des Bundesstaates Ceará sei dies technisch bereits nicht mehr gegeben. Diese Menschen hätten - so kam er auf Copellos Ausführungen zurück - gar keine Möglichkeiten, an Diskussionsforen à la Plataforma Brasil teilzuhaben. Brasilien sei technisch gesehen in starkem Maße von der Funktionalität dicker Unterwasserkabel abhängig, welche das Land mit Nordamerika und Europa verbinden. Sollten diese einmal nicht mehr ausreichend funktionieren oder Umweltschäden auftreten, könne ein Internet-Blackout das Land lahmlegen – ökonomisch, aber auch sicherheitspolitisch. Über diese ernsthaften Folgen für die nationalstaatliche und lokale Ökonomie machten sich viel zu wenig politisch Verantwortliche ausreichend Gedanken.

Die sich an das erste Panel anschließende Debatte war von der lebhaften Auseinandersetzung mit den zuvor vorgetragenen Standpunkten Copellos und Pereira da Silvas geprägt.

Allgegenwärtig wurde die Frage zur Internetreichweite, als zu Beginn der zweiten Rednerrunde ein Stromausfall die gesamte Großstadt Fortaleza lahmlegte und das Seminar - ohne Strom, Handyempfang und Internet - ein frühzeitiges Ende nahm. Nie war die Frage nach Interneterreichbarkeit, die just auf dem Podium diskutiert worden war, plastischer und aktueller. Es waren sodenn alle „offline“ und es wurde bewusst, wie abhängig unser gesamtes modernes Leben von sicherer Stromversorgung ist. Für die Lokalökonomie bedeutete der zwei Stunden andauernde Totalstromausfall einen hoch zu beziffernden Schaden. Energiesicherheit und Virtuelle Sicherheit bedingen sich gegenseitig. Die Ökonomie des 21. Jahrhunderts ist in empfindlichem Ausmaße von der kalkulierbaren, kostengünstigen und sicheren Stromversorgung abhängig, lautete denn im Nachhall auf das Seminar der Tenor auf den Universitätsfluren des rasch geräumten dunklen Seminarraums. Die Möglichkeit des individuellen Internetzugangs ist eine durchweg politische, denn nur der uneingeschränkte Zugang zum Medium Internet und seinen Diskussionsplattformen zum politischen Diskurs geben dem mündigen Bürger die Möglichkeit, sich wann immer er möchte partizipativ in den politischen Diskurs und die daraus resultierenden Prozesse einzubringen. Internetzugang ist also ein genuines Staatsbürgerrecht; ein Gros bezeichnet ihn gar als Menschenrecht.

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Kontakt

Franziska Hübner

Franziska Hübner bild

Referentin Stabsstelle Evaluierung

Franziska.Huebner@kas.de +49 30 26996-3513
Virtuelle Demokratie - Campo Grande KAS Brasilien

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