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Vortrag

„Die deutschen Länder – Motor oder Bremser der europäischen Einigung?"

"Bewertung der deutschen Föderalismusreform und ihre Auswirkungen auf Europa“

Bei einer gemeinsamen Veranstaltung des EU-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Verbindungsbüros des Landes Sachsen-Anhalt bei der EU hielt am 8. Dez 2004 Ministerrpäsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer einen Vortrag bei der KAS in Brüssel.

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Vortrag

Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts sprach zum Thema: „Die deutschen Länder – Motor oder Bremser der europäischen Einigung?

Bewertung der deutschen Föderalismusreform und ihrer Auswirkungen auf Europa“

Nachfolgend finden Sie die Rede des Ministerpräsidenten abgedruckt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie wissen, sind die deutschen Länder besonders stolz auf ihre föderale Tradition. Manch einer vermutet, wir würden im deutschen Föderalismus die Lösung für alle europäi-schen Probleme sehen. Diesen Einwand möchte ich gleich vorab zurückweisen. Aber Sie werden verstehen, dass es für die deutschen Länder, die innerstaatlich über umfangreiche Kompetenzen und Rechtsetzungsbefugnisse verfügen, von besonderer Bedeutung ist, in welche Richtung sich die Europäische Union entwickelt und welche Rolle Deutschland – Bund und Länder – dabei spielt.

In Deutschland bekräftigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Maastrichter Ver-trag die Ablehnung eines europäischen zentralistischen Superstaates, in dem die heutigen Mitgliedstaaten der EU, ihre Länder und Regionen aufgehen würden. Die Europäische Union kann nur als Staatenverbund erfolgreich sein. Zu Recht wird daher im Entwurf des Europäi-schen Verfassungsvertrages als Devise der Europäischen Union „In Vielfalt geeint“ vorge-schlagen. „Die Vielfalt in der Einheit zeichnet Europa aus, seit es gedacht worden ist“, schrieb der Historiker Hagen Schulze. “Die Pluralität der europäischen Staatenwelt, die Buntheit ihrer Identitäten und Verfassungen, ihre dauerhafte kulturelle Vernetzung... unter-scheiden diesen Kontinent seit jeher von den großflächigen Reichen der anderen Kontinen-te.“ Aus unserer Sicht muss der Integrationsprozess zwischen übertriebenem Zentralismus und übertriebenem Regionalismus zu einem ausgewogenen Mittelweg finden.

In diesem besten europäischen Sinne tragen die deutschen Länder dazu bei, die europäi-sche Integration voranzubringen. Das Konzept vom „Europa der Regionen“ hat zur Einrich-tung des Ausschusses der Regionen als eigenständige Institution geführt. Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im europäischen Vertragswerk war ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Und mit dem Verfassungsvertrag erhalten wir weitere Neuerungen, die die Mitwirkungsrechte der Länder und Regionen in Europa stärken, ohne das Integrationsprojekt als Ganzes zu schwächen:

·Die Achtung der nationalen Identität und das Subsidiaritätsprinzip wurden auf die lo-kale und regionale Ebene ausgeweitet.

·Mit Hilfe des sogenannten Frühwarnsystems können die Länder und Regionen künf-tig über die nationalen Parlamente bereits im Vorfeld Einspruch einlegen, wenn euro-päische Gesetzentwürfe gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen. Die Parlamente erhalten außerdem das Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof bei Subsidiari-tätsverstößen.

·Über die nationalen Parlamente und ihre Kammern erhielten die Länder und Regio-nen auch ein Einspruchsrecht bei Anwendung der sogenannten Passereelle (Artikel IV-444), nach der der Europäische Rat einstimmig den Übergang zu Mehrheitsent-scheidungen beschließen kann.

·Der Ausschuss der Regionen wurde durch weitere Mitwirkungsbefugnisse und ein ei-genes Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof zur Wahrung seiner Rechte und bei Subsidiaritätsverstößen gestärkt.

Alle diese Verbesserungen tragen auch die Handschrift der deutschen Länder, die über ihre eigenen Kontakte sowie durch „sanften Druck“ auf die Bundesregierung dazu beitrugen, dass es in einer die Vielfalt Europas tatsächlich stärkenden Richtung vorangeht.

Der Bund hat in der deutschen Debatte versucht, den Verfassungsvertrag einseitig als Erfolg der Bundesregierung zu verkaufen. An dieser Stelle muss aber deutlich gesagt werden, dass das Ergebnis zumindest ein gemeinsamer Erfolg von Bund und Ländern ist. Dem Druck der Regierungschefs der Länder und ihrer damaligen Drohung, dem Vertrag von Nizza nicht zuzustimmen, ist es zu verdanken, dass sich der Bund die Forderung nach einer Verbesse-rung der Kompetenzabgrenzung in Europa zu Eigen gemacht hat. Auch das Prinzip der doppelten Mehrheit, das die Bundesregierung jetzt als größten Verhandlungserfolg feiert, haben die Länder im Jahr 1995 - im Vorfeld der Regierungskonferenz von Amsterdam - ent-wickelt. Noch in der Regierungskonferenz von Nizza hat es die Bundesregierung für nicht durchsetzbar gehalten. Dass es nun so gekommen ist, verdanken wir ganz wesentlich der auch von den deutschen Ländern geförderten Konventsmethode. Sie eröffnet den Ländern und Regionen die Möglichkeit, über ihre eigenen parlamentarischen Vertreter die Verhand-lungen zu beeinflussen und steht damit im Gegensatz zu den alten Regierungskonferenzen, die hinter verschlossenen Türen stattfanden. Somit hat auch die Verhandlungskunst des Vertreters der deutschen Länder, des Ministerpräsidenten Erwin Teufel aus Baden-Württemberg, ein wenig zum Erfolg beigetragen.

Lassen Sie mich aber auch hervorheben, dass wir unsere Forderungen stets mit Augenmaß erhoben haben. Uns liegt die europäische Einigung mindestens genauso am Herzen wie jenen, die in einer mehr zentralistischen Staats- und Rechtstradition verwurzelt sind. Die deutschen Länder haben bereits im Kontext von Maastricht auf die Idee einer zweiten, regi-onalen Kammer des Europäischen Parlaments verzichtet. Wir sind auch im Vorfeld der neu-en Verfassung davon ausgegangen, dass regionale Mitwirkung in Brüssel, regionale Mitbe-stimmung aber vorrangig in den Mitgliedstaaten und nach deren unterschiedlicher innerstaatlicher Ordnung stattfinden soll. Nichts liegt uns ferner, als innenpolitische Probleme des Regionalismus oder des Separatismus auf die europäische Ebene zu verlagern und hier für neues Blockadepotential zu sorgen.

Andererseits sollte aber auch ein gewisses Verständnis dafür da sein, dass das eine oder andere deutsche Land Probleme damit hat, nicht mit am Ratstisch Platz nehmen zu können, obwohl es nach Größe, Wirtschaftskraft, Wohlstand und Bevölkerung durchaus mitgliedstaatliche Qualitäten aufweist. Das Klagerecht der Parlamentskammern in Subsidiaritätsfragen kann hier als „ultima ratio“ einen gewissen Ausgleich schaffen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine innerstaatliche Ausgestaltung, nach der im Sinne eines effektiven Minderheitenschutzes eben auch wirklich einzelne Länder oder eine kleine Gruppe von Ländern Klage erheben können. Über diese Frage wird im Ratifizierungsverfahren des EU-Verfassungsvertrages in Deutschland, das im Januar anlaufen wird, wohl noch mit dem Bund geredet werden müssen.

Wie bereits erwähnt, haben die deutschen Länder mit dafür gesorgt, dass sich das Gewicht Deutschlands im Rat mit der Einführung der doppelten Mehrheit auf einen Schlag verdop-peln wird. Da müssen wir natürlich aufpassen, ob die Bundesregierung auch wirklich die In-teressen des Gesamtstaates, also von Bund und Ländern, vertritt. Und wenn sich der Bun-desfinanzminister – wie zuletzt am 15. November diesen Jahres - hier in Brüssel öffentlich über die deutschen Ministerpräsidenten beschwert, dann liegt die tiefere Ursache seiner Probleme vielleicht darin, dass er sich zu einseitig um die Sanierung des Bundeshaushaltes kümmert und die Auswirkungen seines Sparkurses auf die Länder nicht in gleichem Maße mit bedenkt. Dass er zum Beispiel vom Nettozahler Deutschland redet, aber in Wirklichkeit nur brutto rechnet. Dass ihn nur interessiert, was der Bund an den EU-Haushalt abführen muss, aber nicht was Deutschland insgesamt an Rückflüssen aus dem EU-Haushalt zugute kommt. Oder dass er von den hausgemachten Schwierigkeiten nationaler Finanzpolitik ab-lenken möchte und dafür sogar den Euro-Stabilitätspakt aufs Spiel setzt.

Vergleichbare Auseinandersetzungen sind auch Kern und Hintergrund der Arbeiten in der „Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundes-staatlichen Ordnung“.

Sie soll

·die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder,

·die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und

·die Finanzbeziehungen (insbesondere Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzie-rungen) zwischen Bund und Ländern

überprüfen.

Dass all diese Fragen auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union beleuchtet werden, liegt auf der Hand.

Seit über einem Jahr hat die Föderalismuskommission nun beraten. Die Phase der Ent-scheidungen steht unmittelbar bevor. Die insgesamt 7 von der Kommission eingesetzten Projektgruppen haben ihre Arbeit beendet und ihre Ergebnisse auf der Klausurtagung der Kommission am 4. November 2004 vorgestellt. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt war in den Projektgruppen 1 (Art. 84, Materielle Zugriffsrechte, Europa) und der Projektgruppe 7 (Hauptstadt) vertreten. Am 26. November haben die Vorsitzenden der Kommission, Edmund Stoiber und Franz Müntefering, einen Entwurf mit konkreten Vorschlägen zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf durchläuft derzeit die Fraktionen des Bundestages und die Ländergremien. Am 17. Dezember 2004 wird die Kommission zu ihrer Abschlusssit-zung zusammenkommen. Im Januar 2005 soll das eigentliche Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Bundesrat beginnen.

Artikel 23 GG

Besondere Bedeutung gewann im Laufe der Verhandlungen das Zusammenwirken von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (Artikel 23 GG). Hier wurde von Bundesseite – für die Länder teilweise überraschend vehement - behauptet, dass sich der mit der Zustimmung zum Maastricht-Vertrag eingeführte Europa-Artikel des Grundgeset-zes nicht bewährt habe. Die Mitwirkung der Länder in Europaangelegenheiten beeinträchtige die Position Deutschlands in der EU, speziell in den Verhandlungen des Rates sowie bei der Umsetzung von EU-Recht. Die Mär vom „German Vote“ – der durch die Länderhaltung ver-ursachten Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung - machte die Runde. Vorwürfe von einer Neben-Außenpolitik der deutschen Länder wurden von den Medien schnell aufgegrif-fen. Endlich war der Schuldige gefunden, warum nicht alle deutschen Wünsche in Europa in Erfüllung gehen.

Allein – Belege für die angeblich den gesamtstaatlichen Interessen Deutschlands und der europäischen Integration zuwiderlaufenden Erfahrungen mit Artikel 23 GG wurden zu kei-nem Zeitpunkt geliefert. Die bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung von Artikel 23 GG zeigen erkennbar ein anderes Bild. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern funk-tioniert in der Praxis. Hierfür sprechen die folgenden Fakten:

·Vom Bundesrat werden pro Jahr im Durchschnitt 150 bis 200 Vorlagen der EU beraten. Von 1993 bis November 2004 hat der Bundesrat über 1.800 Stellungnahmen zu derar-tigen Vorlagen abgegeben. Der überwiegende Teil dieser Stellungnahmen ist von der Bundesregierung gem. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG lediglich zu berücksichtigen und des-halb für sie rechtlich nicht bindend – von einer Blockade im Rat kann also schon von daher keine Rede sein.

·Artikel 23 Absatz 5 sieht vor, dass die Bundesregierung Stellungnahmen des Bundesra-tes maßgeblich berücksichtigen muss, wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnis-se der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind. Seit 1998 bis einschließlich Oktober 2004 hat der Bundesrat nur in 46 von über 1000 Stellungnahmen die maßgebliche Berücksichtigung gefordert. Dies entspricht einem Anteil von lediglich ca. 4,6 %. Die Bundesregierung hat diesem Verlangen in 24 Fällen widersprochen. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen führten in der Praxis aber nicht zu Problemen, da inhaltlich zwischen der Position der Bundesregierung und der der Länder kein Widerspruch bestand. Lediglich in einem einzigen Fall (Drs. 693/99, Richtlinienvorschlag zur Plan UVP) kam es aufgrund inhaltlicher Differenzen zu einem Streitfall, in dem sich allerdings die Bundesregierung durchsetzte.

·Bei Vorhaben, die auf Artikel 308 EGV (Lückenschlusskompetenz) gestützt werden, ist vor Zustimmung der Bundesregierung im Rat das Einverständnis des Bundesrates not-wendig, soweit dessen Zustimmung nach innerstaatlichem Recht erforderlich wäre oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären (§ 5 Abs. 3 EUZBLG). Seit 1998 hat die Bundesregierung in neun Fällen problemlos das Einvernehmen mit dem Bundesrat hergestellt.

·Im Rahmen der Benennungen von Bundesratsbeauftragten wirken Länderminister bzw. Ministerpräsidenten, die durch den Bundesrat benannt werden, in den Räten mit. Es geht dabei um die Räte für Bildung, Kultur, Wettbewerb sowie Justiz und Inne-res. Der Bundesrat hat für diese Ratsformationen z. Zt. insgesamt neun Länderminister bzw. Ministerpräsidenten benannt. Seit 1998 hat der Bundesrat in 8 Fällen die Übertra-gung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter gefordert. In drei Fällen hat die Bundesregierung dem widersprochen. Mit diesen Auffassungsunterschieden wurde jedoch pragmatisch umgegangen. Alle Beteiligten kamen in den Verhandlungen zu Wort. Inhaltlich gab es keine unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Positionen der Bundesregierung und des Bundesrates. Auch in diesen Fällen kann also schon aus quantitativen Gründen von einer Blockade des Rates durch die Länder keine Rede sein.

·Und schließlich: Wie will der Bund ohne die Länder in Brüssel sachkundig in Materien verhandeln, in denen er innerstaatlich gar nicht die Kompetenzen besitzt und folglich auch nicht über die Kapazitäten und die Erfahrungen verfügt, die man für vernünftige Politik benötigt? Die Einbeziehung der Beauftragten des Bundesrates in die deutsche Verhandlungsdelegation hat sich in vielen Sachfragen bewährt. Dazu gehört insbeson-dere auch die EU-Strukturpolitik, die fast ausschließlich von den Ländern umgesetzt wird. Die Einbeziehung von Ländervertretern in die deutsche Verhandlungsdelegation verhindert, dass sich die Bundesregierung allzu stark von eigenen, bisweilen sachfrem-den Erwägungen leiten lässt. Zugleich werden über die Bundesratsbeauftragten, aber viel stärker noch über die Vertretungen der Länder in Brüssel unsere Erfahrungen und Anregungen in die Vorfeldarbeit der europäischen Politikentwicklung eingebracht.

·Auch bei der Umsetzung von europäischem in nationales Recht hat das derzeitige Umsetzungsdefizit mit dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland nur sehr wenig zu tun. Deutschland hat zurzeit 27 Richtlinien nicht innerhalb der gesetzlichen Frist umgesetzt. Dafür sind die Länder allein in vier Fällen verantwortlich: die Richtlinie über die Haltung von Wildtieren in Zoos, die Seilbahnrichtlinie, die Wasserrahmenricht-linie und die Richtlinie zur Diplomanerkennung. Bei den beiden erstgenannten Richtli-nien hängt die Umsetzung jeweils nur noch an einem Land. Ende 2003 waren es noch 53 nicht umgesetzte Richtlinien, darunter drei in Länderzuständigkeit. Der Bund hat in-nerhalb eines Jahres 27 überfällige Richtlinien umgesetzt – indem er sein e internen Ab-stimmungsprobleme überwand.

Diese Fakten sprechen für sich. Es drängt sich daher die Frage auf, welche Zielsetzung der Bund mit seiner Kritik wirklich verfolgt. Angesichts der immer stärkeren Europäisierung der nationalen Rechtsordnung stellt eine „Alleinvertretung“ des Bundes in Brüssel ein geradezu ideales Mittel dar, innerstaatliche Kompetenzen der Länder über den europäischen Umweg auszuhebeln. Allerdings erhebt sich dann die Frage, wie ernst es dem Bund mit dem deut-schen Föderalismus wirklich ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Länder in EU-Angelegenheiten zu einer Art „Befehlsempfänger“ des Bundes machen lassen und in der innerstaatlichen Abstimmung warten, bis sich die Bundesressorts irgendwann einmal geei-nigt haben.

Die Länderseite legte bei ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Mitwirkung der Länder an der EU-Rechtsetzung Wert auf eine Erhöhung der Verbindlichkeit des Bundesratsvotums, die Verbesserung des Abstimmungsverfahrens zwischen Bund und Ländern, innerstaatliche Maßnahmen zur Umsetzung des Verfassungsvertrags und weitere Maßnahmen zur Stär-kung der Beteiligungsrechte der Länder. Die Bundesregierung möchte dagegen eine Strei-chung der Absätze 3 bis 7 des Art. 23 GG. Im Grundgesetz wäre dann nur noch verankert, dass Bundestag und Bundesrat die Gelegenheit haben, zu Rechtsetzungsvorhaben der Eu-ropäischen Union Stellung zu nehmen, dass die Bundesregierung diese Stellungnahmen bei den Verhandlungen berücksichtigt und gegebenenfalls Rechenschaft über Verlauf und Er-gebnis der Verhandlungen ablegt.

Auch in den Bereichen, in denen die Länder innerstaatlich für die Gesetzgebung zuständig sind, möchte der Bund ein Alleinvertretungsrecht in der Außenvertretung erhalten und die Stellungnahme des Bundesrates lediglich berücksichtigen. In Fällen ausschließlicher Ge-setzgebungskompetenz der Länder soll der Übergang der Verhandlungsführung auf Län-derminister entfallen. Die Positionen zu Art. 23 GG liegen derzeit also noch weit auseinan-der. Bleibt zu hoffen dass es im Ergebnis zu Verbesserungen des Abstimmungsprozesses zwischen Bund und Ländern unterhalb der Verfassungsebene kommt.

Ein Erfolg der Föderalismuskommission setzt voraus, dass ihre Ergebnisse in Bundesrat und Bundestag eine Zweidrittelmehrheit finden. Daher kommt es entscheidend darauf an, dass im Verhandlungsprozess der Länder untereinander und mit dem Bund auf Lösungen hinge-wirkt wird, die in diesem Sinne mehrheitsfähig sind.

Abschluss

Bei aller Auseinandersetzung im Detail dürfen wir eines nicht vergessen:

Deutschland wie Europa haben einen erheblichen Reformstau zu überwinden. Bei der Her-stellung der deutschen und der europäischen Einheit gibt es viele Bezugspunkte und Parallelen.

Nunmehr geht es darum, die europäische Einheit, die wir durch die Osterweiterung der EU gewonnen haben, im täglichen Leben zu vollenden. Wir müssen Vorurteile überwinden, Chancen ergreifen und Risiken minimieren. Dabei spielt die Einbindung der Länder und Re-gionen in den europäischen Integrationsprozess und die konsequente Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips als Maxime tagtäglicher Politik der erweiterten Union eine noch größe-re Rolle als bisher. Je größer Europa wird, um so wichtiger wird es, seine Vielfalt in Einheit zu bewahren, damit sich alle in diesem größeren Europa zu Hause fühlen.

Bereits den Gründervätern der heutigen EU war klar: Das Integrationsprojekt kann nur gelin-gen, wenn sich die Union als Wertegemeinschaft konzipiert. Je größer diese Union gewor-den ist, um so intensiver und wichtiger war die Diskussion über die gemeinsamen Zielvorstellungen und Werte. Sie führte über die Grundrechtecharta und den Europäischen Konvent zum Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrages, der nunmehr zur Ratifikation nach den jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften ansteht. Und je deutlicher die Konturen des neuen, erweiterten Europa hervortreten, um so klarer wird: Europa braucht diese Verfas-sung. Europa braucht eine Verfassung, die die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union nach innen und außen stärkt, ihre Vertiefung gewährleistet und insbesondere auch die Mit-wirkungsrechte der Länder und Regionen auf europäischer Ebene erweitert. Der Schutz der nationalen Identität und die damit einhergehende Verankerung der Länder und Regionen im Verfassungsvertrag sowie der weitere Ausbau des Subsidiaritätsprinzips als eine justitiable Schranke für die Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen sind weitreichende Neuerun-gen, die ich begrüße. Für die deutschen Länder und für jede Region mit eigenen Gesetzge-bungskompetenzen in der EU sind diese Neuerungen von geradezu existentieller Bedeu-tung, denn der Rahmen, der ihnen nach der EU-Rechtsetzung verbleibt, entscheidet im praktischen Sinne über das Maß ihrer Eigenstaatlichkeit.

Der europäische Kontext der deutschen Föderalismusreform ist ein Argument mehr für die Überwindung von Blockadepotentialen, die Entschlackung allzu stark verflochtener deut-scher föderaler Strukturen. Aber er ist kein Argument dafür, die neu verteilten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern in Deutschland über den Brüsseler Umweg zu zentralisieren.

In diesem Sinne werden die deutschen Länder auch in Zukunft Motor der europäischen Eini-gung bleiben!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Veranstaltungsort

Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung, Avenue de L´Yser 11, 1040 Brüssel

Referenten

  • Herrn Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer
    • Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
      Kontakt

      Dr. Peter R. Weilemann †

      „Die deutschen Länder – Motor oder Bremser der europäischen Einigung?_

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