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Vortrag

"Die Zukunft des Westens"

Im Rahmen eines vom Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Dinner-Roundtables sprach Herr Karl Lamers, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vor 85 geladenen Gästen zum Thema:„Zukunft des Westens“.

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Der Vortrag

Die europäische Geschichte sei an einem kritischen Punkt angelangt, diagnostizierte Karl Lamers: Die bislang erarbeiteten Vorschläge des europäischen Konvents bedeuteten in vielen Punkten einen Fortschritt. Viele seit Jahren gestellte Forderungen, etwa zur Rechtspersönlichkeit der EU, würden nunmehr umgesetzt. In wirtschaftspolitischen Verhandlungen habe die Europäische Union längst ein großes Gewicht in die Waagschale zu werfen. Doch wenn die Gemeinschaft in der Außen- und Verteidigungspolitik auch zukünftig nicht als Akteur auftrete, werde sich das bestehende Ungleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Macht und außenpolitischer Einflusslosigkeit nicht verringern lassen. Europa müsste somit weiterhin als ökonomischer Riese und politischer Zwerg charakterisiert werden.

Eine eigene Identität bilde sich immer durch die Abgrenzung zum Anderen, so Lamers. Dieser Grundsatz gelte auch für das Selbstverständnis Europas, dass sich in Abgrenzung zu den Vereinigten Staaten von Amerika bilden müsse. Dass sich die Europäer der transatlantischen Unterschiede bewusst werden, erachtete der ehemalige außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als dringlich und gleichzeitig schwierig, weil die USA offen oder verdeckt an jedem europäischen Tisch sitzen würden, d.h. mithin einen Teil Europas ausmachten. Amerika sei Europa „so nah wie so fern“: Einerseits konstatierte Lamers ein zunehmendes Auseinanderdriften von Lebensgefühl und Wertvorstellungen. Andererseits sei ein gemeinsames Handeln Europas und Amerikas heute jedoch stärker vonnöten als zu Zeiten des Kalten Krieges und des Kampfes gegen den Kommunismus. Der internationale Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen forderten den Westen als Gesamtheit heraus. Beide Seiten des Atlantiks bildeten eine Schicksalsgemeinschaft, deren Dominanz nunmehr infrage gestellt werde. Die amerikanisch-europäische Schicksalsgemeinschaft müsse sich heute anders gestalten und den neuen Herausforderungen angepasst werden. Die Nato müsse unter anderem dadurch erneuert werden, dass sich innerhalb der Bündnisses ein stärkerer europäischer Pfeiler entwickelt. Somit könne eine echte gemeinschaftliche Festlegung der Positionen des Bündnisses entstehen, da die Vereinigten Staaten ihre eigenen Positionen nur zur Verhandlung stellten, wenn sie die Gegenseite Ernst nehmen würden. Dieser Grundsatz treffe auch für die amerikanische Sicht Europas zu.

Die Ursachen für die in der Irakkrise deutlich gewordenen Unterschiede der amerikanischen und der europäischen Sichtweise seien nicht behoben. Der grundsätzliche Streit um die richtige Strategie zur Verteidigung der eigenen Sicherheit und Interessen sowie um die Ideen einer multipolaren oder unipolaren Ordnung bestehe allerdings nicht nur zwischen Amerika und seinen europäischen Partnern, sondern auch innerhalb der europäischen Gemeinschaft. Mithin seien die Möglichkeiten, eine umfassende gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik bzw. Verteidigungspolitik zu etablieren, skeptisch zu bewerten. Hinter den innereuropäischen Meinungsunterschieden, die durch den Brief der Acht einen Höhepunkt erreichten, erkannte Lamers die grundsätzliche Befürchtung verschiedener Staaten, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik werde unter der Führung Frankreichs und Deutschlands stehen. Die innereuropäische Zerstrittenheit während der Irakkrise führte Lamers auch darauf zurück, dass Deutschland und Frankreich nicht hinreichend für ihre Positionen geworben hätten: Die richtige Reaktion auf den sich abzeichnenden Disput wäre eine Gipfelkonferenz der europäischen Staaten gewesen. Die unterschiedlichen Positionen zwischen dem „europäischen“ und dem „atlantischen Europa“ hätten einen fundamentalen Streit verursacht. Zudem werde sich Europa nach der 2004 anstehenden Erweiterung noch schwerer tun, eine gemeinsame außenpolitische Position zu finden, so Lamers. Aufgrund des innerhalb Europas kaum zu erreichenden Grundkonsenses seien zwei Konsequenzen zu ziehen: Bei Positionsbestimmungen der gemeinschaftlichen Außenpolitik sei ein Rückgriff auf Mehrheitsentscheidungen nötig. Zudem verteidigte Lamers die Idee eines „Kerneuropas“ für den Fall, dass sich die Gesamtheit der EU-Mitgliedsstaaten bei Fragen der gemeinschaftlichen Außenpolitik auch zukünftig als nicht handlungsfähig erweisen würde. Dieses Kerneuropa solle „fest“ und „nicht unbegrenzt“ sein, um geschlossen agieren zu können. Keineswegs sollten jedoch die nicht von Anfang an eingebundenen Staaten für alle Zeit ausgeschlossen bleiben. Ein Stärkung der europäischen sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit müsse laut Lamers auch durch eine Aufstockung der für die Bereiche der Außenpolitik und Verteidigung vorhandenen Mittel versucht werden, was etwa durch eine anderen Verteilung der in den Haushalten veranschlagten Zuwächse erreicht werden könnte. Durch die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsstruktur würden zudem Synergieeffekte frei, so dass die europäische Verteidigungsidentität gestärkt werde, „ohne dass ein Pfennig mehr ausgegeben“ werden müsse.

Angesichts der neuen Herausforderungen für die gesamte westliche Welt, die einen zukünftig immer stärker schwindenden Anteil an der Weltbevölkerung ausmache, sei eine umfassende Antwort notwendig, so Lamers. Europäischer Antiamerikanismus sei töricht. Zu groß seien die transatlantischen Gemeinsamkeiten und die Deckungsgleichheit der Interessen. Die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen könne nur gefunden werden, wenn man Verständnis für sein Gegenüber aufbringen könne. Man müsse versuchen, die Welt mit den Augen der eigenen Feinde zu betrachten. Der gegen Amerika und den Westen gehegte Hass beruhe nicht auf der Lebensweise der Amerikaner, die auch in den Heimatländern der Terroristen vielfach bewundert werde, sondern vielmehr auf der Angst vor einer vollkommenen Fremdbestimmtheit durch den Westen. In vielen Teilen der Welt herrsche auch deshalb eine regelrechte Sehnsucht nach einem starken, außenpolitisch handlungsfähigen Europa vor, dessen Schaffung Lamers nachdrücklich anmahnte.

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Veranstaltungsort

Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung, Avenue de L´Yser 11, 1040 Brüssel

Referenten

  • Herrn Karl Lamers
    • ehemaliger Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag
      Kontakt

      Dr. Peter R. Weilemann †

      _Die Zukunft des Westens_

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      Europabüro Brüssel