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Vortrag

"Gibt es einen neuen Antisemitismus?"

Am 1. April veranstaltete das Europabüro der KAS in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Brüssel eine Vortragsveranstaltung mit Herrn Prof. Dr.Dr.h.c. Ernst-Ludwig Ehrlich, derzeitiger Vizepräsident ehrenhalber des B’nai B’rith Europa.

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Er sprach zu dem Thema „Gibt es einen neuen Antisemitismus?“, ein Thema, dass, so Prof. Ehrlich zu Beginn seines Vortrags, heute leider wieder behandelt werden müsse, denn Verdrängung mache die Dinge ärger. Vor zehn Jahren habe man angenommen, dass der Antisemitismus aus Deutschland und Europa weitestgehend verschwunden sei. Leider sei diese Annahme heute nicht mehr haltbar. Hinter der Kritik an der Politik des Staates Israel verberge sich eine neue Form von Antisemitismus. Dabei sei es eigentlich selbstverständlich, eine Regierung kritisieren zu können, ohne das gesamte Volk zu belasten. Im Falle Israels aber entwickele sich aus einem Generalangriff auf den Staat sogar eine negative Haltung gegenüber allem Jüdischen, obwohl nur in Israel lebende Juden Einfluss auf die Politik ihres Staates nehmen können. Gerade wegen der engen Verbindung zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus bedauerte Prof. Ehrlich, dass die Medien beispielsweise über die Aktivitäten der israelischen Opposition nicht berichten, jedenfalls nicht in demselben Maße, in dem sie negative Schlagzeilen bringen. Das sei gefährlich, weil übermäßige Israel-Kritik, auch wenn sie keinen antisemitischen Hintergrund habe, Antisemitismus begünstigen könne, insbesondere dann, wenn der Rezeptor den Nahost-Konflikt nicht durchschaue. Prof. Ehrlich sagte weiter, dass Israel-Kritik und Antisemitismus nicht identisch sein müssen, wenn die Kritik nicht antisemitisch sei, Antisemitismus nicht begünstige und Israel als Staat nicht zu delegitimieren versuche. Auf den Ton der Darstellung käme es an! Prof. Ehrlich kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die arabische Presse, warf aber auch der europäischen Presse vor, dass sie an Israel andere Maßstäbe anlege als an die arabischen Nachbarstaaten, beispielsweise.

Antisemitismus könne, so Prof. Ehrlich weiter, lange unterschwellig bleiben, um anschließend in einer Krisensituation plötzlich zu Tage zu treten – die Juden als Sündenböcke.

Bei dem neuen Antisemitismus, der derzeit in Europa zu beobachten sei, aber handele es sich um einen neuen Antizionismus, der wiederum eine Form von Rassismus darstelle. Dieser Antizionismus sei radikal, er ziele auf die Vernichtung des Staates Israel ab. Prof. Ehrlich wies darauf hin, dass sich die Verbreitung einer solchen Einstellung nicht mit der Politik des Staates Israel rechtfertigen lasse, denn es handele sich um ein Phänomen, dass bereits unter anderen Regierungen als der Sharons zu beobachten gewesen sei. Vor diesem Hintergrund warnte Prof. Ehrlich davor, die Antisemitismus-Theorie zu überdehnen, indem man sie auf Situationen anwende, auf die sie nicht zutreffe, da dies zum Verlust der Begriffsschärfe führen könne.

Antisemitismus und Israel-Kritik gingen seit Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 zusammen, ein Phänomen, dass sich mit den Nahost-Kriegen verstärkt habe, wobei der 3. Nahost-Krieg im Jahr 1967 eine Ausnahme darstellte, da Israel mit dem gegen Goliath kämpfenden David identifiziert wurde. Der Jomkipur-Krieg im Jahr 1973 beendete diesen Wohlwollen, und es begann sich eine dem Antisemitismus verwandte Form des Antizionismus zu verbreiteten. Den Gipfel dieses Prozesses stellte die - wie Prof. Ehrlich sagte - bösartige Erklärung der VN dar, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte. Seit diesem Zeitpunkt lasse sich ein weiteres interessantes Phänomen beobachten: Anders als der klassische Antisemitismus, sei der Antizionismus eine Sache der Linken, und beinhalte, insbesondere in Verbindung mit Anti-Amerikanismus, auch antisemitische Elemente.

Wie äußert sich der „neue Antisemitismus“, den Prof. Ehrlich als Antizionismus bezeichnet?

Muslime inner- und außerhalb des Nahen Ostens bedrohen Juden auch außerhalb der Region, obwohl der Islam keine Aufforderung dieser Art enthalte. In einigen europäischen Ländern, beispielsweise in Frankreich, läge dies in der Schwierigkeit begründet, junge Einwanderer zu integrieren, woraufhin diese ihren Frust an Juden ausließen. In der Grauzone des Nahost-Konflikts bestehe die Gefahr, dass antisemitische Denkstrukturen, die aus der arabischen Welt nach Europa hineingetragen würden, unerkannt blieben und sich der Antisemitismus wieder etabliere. Dies werde dadurch begünstigt, dass die europäischen Institutionen sich schwer damit tun, der neuen Form des Antisemitismus zu begegnen. Prof. Ehrlichs zentrale Aussage lautete deshalb, dass dem Antisemitismus arabisch nationalistischer Prägung ebenso entschieden entgegengetreten werden müsse, wie dem jeder anderen Prägung. Dies sei möglich ohne anti-islamisch oder –arabisch zu agieren, und es hätte zwei positive Nebenwirkungen: Es fördere den Kampf gegen die Unterdrückung aller religiösen Minderheiten, und es ermögliche konstruktive Kritik an der Politik des Staates Israel. Allerdings müsse man das wahre Problem ansprechen. In der Terminologie der EU sei eine interessante Begriffsverschiebung zu beobachten: Der Begriff Antisemitismus werde vermieden und statt dessen von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit (Prodi) gesprochen. Das treffe den Kern des Problems nicht!

Es sei die Aufgabe aller demokratischen Staaten, dem Antisemitismus den Eintritt durch die Hintertür zu verweigern! Dies sei auch im Sinne der jungen und freien Muslime in Europa, die nicht vergiftet werden sollen.

Zum Schluss seines Vortrags ging Prof. Ehrlich auf den Bericht eines Antisemitismus-Forschungsinstitutes in Berlin ein, den dieses im Auftrag der EU angefertigt hatte. Er untersuche die Entwicklung des Antisemitismus seit dem Jahr 2000. In Deutschland sei die Zahl antisemitischer Übergriffe in dieser Zeit kaum gestiegen, vor allem in Frankreich und Dänemark sähe es aber anders aus. In diesen Ländern seien die Mehrzahl der Übergriffe von islamistischen Aktivisten verübt worden. Auch in den Niederlanden sei die Zahl der Übergriffe gestiegen, wobei sie hier in keinem Fall von Muslimen verübt worden seien. Das Problem müsse also von den einzelnen Staaten in unterschiedlicher Art und Weise behandelt werden. Die EU ihrerseits müsse erklären, warum sie einen ersten Bericht im November letzten Jahres abgelehnt hatte, obwohl das Ergebnis dem des jetzigen Berichts sehr ähnlich war.

Zusammenfassend sagte Prof. Ehrlich: Wir leben in einer bewegten Zeit, von der wir glaubten, wie würden sie nicht mehr erleben, weil der Antisemitismus längst in die Lexika der Antike und der frühen Neuzeit verbannt worden sei. Da dem nicht so sei, sei es unsere Aufgabe, beständigen Druck auf unsere Regierungen auszuüben, damit die entsprechenden Repressionen vorgenommen und mit Hilfe der entsprechenden Erziehung dazu beitragen werde, dass eine Mauer gegen den Antisemitismus errichtet wird.

Prof. Ehrlich beendete seinen Vortrag mit den Worten: „Der Antisemitismus vergiftet die Seele!“

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Veranstaltungsort

Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung, Avenue de L´Yser 11, 1040 Brüssel

Referenten

  • Herrn Prof.Dr.Dr.h.c. Ernst-Ludwig Ehrlich
    • derzeitiger Vizepräsident ehrenhalber des B’nai B’rith Europa
      Kontakt

      Dr. Peter R. Weilemann †

      _Gibt es einen neuen Antisemitismus?_

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