Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Das neue EU-Energielabel – wirksames Mittel zur Senkung des Energieverbrauchs?

von Kai Zenner

DIHK-KAS Brüsseler Initiative – wirtschaftspolitischer Gesprächskreis

Im Juli hat die EU-Kommission eine Novellierung dieses Instrumentes vorgeschlagen. Mit einer einheitlichen „A-G-Skala“ sollen z. B. die Angaben zur Energieeffizienz auf den Labeln für den Käufer wieder übersichtlicher werden. Der Kommissionsvorschlag wirft jedoch eine Reihe von Fragen auf: Geht eine Produktdatenbank zu Lasten realer Produkttests? Unter welchen Bedingungen sollten neue Label in den einzelnen Produktgruppen eingeführt werden? Diese und weitere Fragen werden Herr Reul und Herr Hodson kommentieren und anschließend gemeinsam diskutieren.

Asset-Herausgeber

„Das neue EU-Energielabel – wirksames Mittel zur Senkung des Energieverbrauchs?"

14. Januar 2016 | 09:00 bis 10:30 Uhr | Europabüro Brüssel

Mitte Januar trafen sich Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der Privatwirtschaft im Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel, um über das neue Energielabel der Europäischen Union zu debattieren. Mit der Sitzung wurde zugleich die neue Workshop-Reihe "Brüsseler Initiative – wirtschaftspolitischer Gesprächskreis" in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag ins Leben gerufen. Als Sprecher nahmen neben dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe und MdEP Herbert Reul, der Referatsleiter 'Energieeffizienz von Produkten' aus der DG Energy in der Europäischen Kommission, Paul Hodson und der Vizepräsident 'Public Affairs' von Robert Bosch GmbH, Kai Lücke, teil.

Hintergrund:

1998 wurde das Energielabel zur Kennzeichnung der Energieeffizienz verschiedener Produktgruppen europaweit eingeführt. Die Kennzeichnungspflicht umfasst u.a. Kühl- und Gefriergeräte, Staubsauger, Lampen, Waschmaschinen, Elektrobacköfen, Geschirrspüler, Heizungen und Fernseher. Die anfangs angewendete Skala von A (Sehr effizient) bis G (Sehr ineffizient) wurde zu einem späteren Zeitpunkt mit den als sehr energieeffizient geltenden A+, A++ und A+++ Kategorien erweitert. Durch die Kennzeichnungspflicht hat der Marktanteil besonders energieeffizienter Geräte in vielen Produktgruppen zugenommen. Konsumenten haben nun eine bessere Übersicht über die Vielfalt an energieeffizienten Produktangebote und somit die Möglichkeit schnell verschiedene Produkte miteinander zu vergleichen. In den Worten von Herrn Hodson (Europäische Kommission): "‘Das Energielabel ist, nach dem Euro, eines der erfolgreichsten Projekte der Europäischen Union. Es kommt EU-Konsumenten zugute und macht die Union wettbewerbsfähiger. Unser Konzept wurde weltweit kopiert und hilft heute die Energieeffizienz auch außerhalb der Union zu verbessern."

Zuletzt wurde ein Problem allerdings immer deutlicher: das Energielabel ist Opfer seines eigenen Erfolgs geworden. So sind viele Produktkategorien fast komplett saturiert, wobei fast alle Produkte auf der Skala entweder unter A++ oder A+++ fallen. Tests der Europäischen Kommission haben ergeben, dass Konsumenten kaum einen Unterschied zwischen den verschiedenen A+ Kategorien sehen und dass es heutzutage wenig Anreize gibt für Hersteller ihre Produkte weiterhin zu verbessern, wenn ihre Produkte schon die bestmögliche Kategorie erreicht haben.

Lösungsvorschläge der Kommission:

Herr Hodson erklärte in seiner Rede, dass es drei konkrete Lösungsvorschläge seitens der Kommission gibt: (1) Die Skala so belassen, wie sie ist (2) eine weitere Kategorie hinzufügen (z.B. A++++) oder (3) die Skalierung beim Energielabel neu ausrichten und die Skala auf das altbewährte A bis G System zurücksetzen. Studien, welche die Kommission hierzu in Auftrag gegeben hat, hätten ergeben, dass Konsumenten die dritte Option bevorzugen. Eine Skala von A bis G ist für sie am übersichtlichsten und hebt die Unterschiede beim Abschneiden hinsichtlich der Energieeffizienz hervor.

Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission letzten Sommer den Vorschlag erbracht, die Etikettierung für die Energieeffizienz umzustrukturieren, womit die drei A+ Kategorien wegfallen würden. Dieser Prozess würde schrittweise stattfinden, wobei die ersten zwei Kategorien (A und B) leer gelassen werden und die sich jetzt in den besten Kategorien befindenden Produkte in die Kategorie ‘C‘ zurückgesetzt werden. Ziel ist es, Hersteller wieder vermehrt zur Innovation zu stimulieren und also zu motivieren energieeffizientere Produkte auf den Markt zu bringen. Auf lange Sicht würden sich durch die Innovationskraft der Hersteller und der verbesserten Energieeffizienz ihrer Produkte die beiden Kategorien ‘A‘ und ‘B‘ wieder automatisch füllen. Sobald wieder 30% aller Produkte in einer Produktgruppe auf der Skala die beiden Bestnoten ‘A‘ und ‘B‘ erreichen, wird die Skala erneut neu kalibriert, um einer zu hohen Konzentration in den oberen Klassen entgegen zu wirken. Die Kommission schlägt dabei vor, diese vorgestellten Veränderungen schrittweise umzusetzen, wobei ein Zeitraum von fünf Jahren angepeilt wird nachdem die Direktive erfolgreich angenommen wurde. Für manche Produktarten soll diesbezüglich eine längere Schonfrist gelten, da sich diese generell noch in den unteren Energieeffizienz-Kategorien befinden.

Da gleichzeitig die Rechtsstrukturen in diesem Umfeld überarbeitet werden, so Herr Hodson, macht die Europäische Kommission darüber hinaus auch den Vorschlag, eine neue Datenbank einzuführen, auf welcher die spezifischen Produktdetails von den Herstellern hochgeladen werden müssen und somit für den Konsumenten zugänglich gemacht werden. Dieser Schritt würde des Weiteren die Arbeit der Marktüberwachungsbehörden erleichtern und ihr viel Zeit ersparen, da sie nicht mehr bei jedem einzelnen Hersteller die Produktdaten anfragen müssten. In solch einem einheitlichen System könnten Beamte und Konsumenten die produktspezifischen Daten viel besser miteinander abgleichen.

Kritik aus dem Parlament:

Herr Reul wies daraufhin, dass es schwer abschätzbar sei, welche Konsequenzen der 2005 in der Europäischen Union eingeführte CO2-Emissionshandel habe. Bei der Energieeffizienz ginge es nicht um die Frage 'ja' oder 'nein', sondern vor allem um das 'wie'. Herr Reul stellte daher zwei Fragen: Erstens, muss man wirklich so weitgehende Veränderungsprozesse in Gang setzen? So habe das jetzige Energielabel mit den drei 'A+' Kategorien gut funktioniert und es gebe kaum Hinweise dafür, dass die Effektivität des Labels seit Einführung der drei neuen Kategorien nachgelassen habe. Es gebe laut Reul nur ein objektives Problem, welches man angehen müsse: Bei drei bis vier Produkten der Produktkategorien sei die Skala heute ausgereizt. Dies könnte man schnell und einfach lösen indem man über den Rechtsweg die Skala modifiziert. Stattdessen werde nun aber ein sehr hoher Aufwand betrieben und man versuche gleich das "Rad neu zu erfinden". Viel Geld und Zeit werden so in etwas investiert, was bereits gut funktioniere.

Die zweite Frage, die Herr Reul anführte lautete: Was will man genau mit der neuen Richtlinie eigentlich erreichen? Im Kommissionsvorschlag, sowie im Ratsbeschluss, würde der richtige Rahmen fehlen. Dies könnte man gut mit zwei kurzen Beispielen veranschaulichen: (1) Die Kommission schlägt vor second-hand-Produkte vom Anwendungsbereich aus zu nehmen. Der Rat meint jedoch zum jetzigen Zeitpunkt, dass diese Produkte mit umfasst seien. Dies würde bedeuten, dass auch der Flohmarktverkäufer seine Produkte etikettieren müsse. In der Praxis sei der Vorschlag daher nur sehr schwer umzusetzen. (2) Wie sollen Handwerker dieser Richtlinie Folge leisten? Viele praktizieren ihr Metier noch mit Katalogen und müssten, falls die Direktive tatsächlich umgesetzt werde, neue Katalog herstellen. Ungewiss seien in dieser Hinsicht auch noch immer die Haftungsbedingungen, wenn Produkte falsche Etikette tragen.

In Bezug auf die Datenbank wurde von Herrn Reul argumentiert, dass diese nicht nötig sei. Die Daten würden bisher in den allermeisten Fällen fristgerecht an die anfragenden Behörden weitergeleitet werden und seien somit einsehbar für die Kommissionsbeamten. Darüber hinaus müsse solch eine Datenbank instand gehalten werden, was viel Personal und finanzielle Ressourcen benötige. Viel Aufwand werde für etwas betrieben, was am Ende doch wieder niemandem nutzt, argumentierte Herr Reul. Letztendlich sei das Argument, dass man die Datenbank für die Marktüberwachung brauche einfach nicht stichfest. Gespräche mit der Marktüberwachungsbehörde der Europäischen Union hätten eindeutig ergeben, dass sie keine Datenbank brauche, um ihre Arbeit auszuführen. Die Marktüberwachungsbehörde sei nicht in erster Linie für die Richtigkeit der Daten zuständig; ihre Aufgabe sei vielmehr die Prüfung des richtigen Etikettierens der Geräte. Eine Erweiterung der Zuständigkeitsbereich würde der Marktüberwachungsbehörde daher nicht helfen. Im Gegenteil, die wahre Marktüberwachung wird dadurch eher behindert.

Standpunkt der Privatwirtschaft:

Energieeffizienz bietet Europa im Wettbewerb mit Asien große Chancen, so Herr Lücke von der Robert Bosch GmbH. Das Energielabel als Instrument zur Reduzierung des Energieverbrauchs habe sich über die letzten Jahre bewährt. Jedoch gebe es, wie schon von den Vorrednern bemerkt, ein Problem bei der Skalierung der unterschiedlichen Produktgruppen. Die unterschiedliche Realität, was Technologie und Markt angeht, müsse zur Kenntnis genommen werden. So würden beispielsweise Waschmaschinen heute in den meisten Fällen in die Kategorie A+++ und A++ fallen. Der Konsument sehe hierbei also nur sehr geringe Unterschiede, weswegen es Sinn machen würde, die Skala neu zu entwickeln oder an anzupassen.

Es gebe wiederum andere Produkte wie Heizungen, so Lücke, wo die Realität eine ganz andere ist. So würde das Durchschnittsalter einer Heizung in Deutschland beachtliche 24 Jahre betragen. Für Verbesserung der Energieeffizienz gebe es somit noch viel Potenzial in dieser Produktkategorie. Für die meisten Häuser ist der Brennwertkessel oder eine Wärmepumpe die beste Lösung, welche die bisher vorhandene Heizung ersetzen könnte. Das Problem ist aber, dass die beiden genannten Produkte allerdings sehr schlecht bei der Energieeffizienz abschneiden würden. Wenn die Kommission nun jedoch reskaliert, würden die beiden Produkte noch weiter auf der Skala abrutschen und womöglich sogar in die Kategorien 'D' und 'E' fallen. Der Konsument würde Brennwertkessel und Wärmepumpen dann nicht mehr kaufen, da sie als besonders ineffizient gekennzeichnet wären. Eine solche Entwicklung würde es den Herstellern sehr schwer machen, die benötigten finanziellen Mittel durch die Produktverkäufe zu erreichen und diese dann später in der Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Energieeffizienz zu investieren. Ein negativer Langzeiteffekt wäre die Folge: es käme zu einer verlangsamten Steigerung der Energieeffizienz von Produkten. Laut Lücke müsste die Kommission noch deutlicher zwischen Produktgruppen unterscheiden und gleichzeitig Produzenten die benötigte Flexibilität gewährleisten.

Die Entwicklung einer europaweiten Datenbank wird von Lücke mit Skepsis betrachtet. Zum einen kritisierte er, dass sensible Daten in die Datenbank gestellt werden sollen, u.a. mit Prüfberichten von einigen hundert Seiten. Zum anderen befürchtete er, dass sich dieses Unterfangen zu einem bürokratischen 'Datenfriedhof' entwickeln würden, mit abertausenden von Seiten, die letztlich aber niemand lese. Abschließend verwiese Herr Lücke darauf, dass die Sensibilität, der auf dieser Datenbank gespeicherten Daten, beachtlich sei. Personen könnten sich unbefugten Zugriff verschaffen, um Wirtschaftsspionage zu betreiben. Der hieraus resultierende Schaden könnte beträchtlich sein.

JULES-BERNARD VOß

KAI ZENNER

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber