Wie steht es um das Wohlbefinden der deutschen Wirtschaft? Um dieser Frage nachzugehen, fühlt man am besten den pochenden Puls: die Familienunternehmen. 86 Prozent der deutschen Firmen sind inhabergeführt – vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum industriellen Großkonzern. Sie forschen und entwickeln, zahlen pünktlich und regelmäßig Steuern und stellen den Großteil der Ausbildungsplätze. Kurz: Sie übernehmen Verantwortung für unsere Zukunft.
Sarna Röser kann täglich spüren, wie es dem Mittelstand geht. Da ist einerseits das schwäbische Tiefbauunternehmen ihres Vaters, dessen Nachfolge sie eines Tages antreten wird. Und vor allem ist da ihr Amt, das sie in diesen Zeiten mehr denn je einnimmt: Die 32-Jährige ist Bundesvorsitzende des Verbands Die Jungen Unternehmer. Die Organisation hat mehr als 1.000 Mitglieder, die Inhaber oder Gesellschafter eines Unternehmens und maximal 40 Jahre alt sind – und mindestens eine Million Euro Jahresumsatz machen oder zehn Mitarbeiter haben.
In den vergangenen Monaten hat der Verband mehrere Studien über die Lage der Wirtschaft durchgeführt. Als Sarna Röser im sechsten Teil der digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret die Ergebnisse vorträgt, ähnelt ihr Befund einer Krankenakte: Zwei Drittel der Familienunternehmen haben mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Mehr als die Hälfte der Firmen musste Kurzarbeit einführen. Und jeder dritte Unternehmer gibt an, dass seine finanziellen Reserven unter den bisherigen Bedingungen weniger als sechs Wochen reichen werden.
„Vermögenssteuer wäre Gift für die Wirtschaft“
„Das Schlimmste ist, wenn wir von einer Gesundheitskrise in eine Wirtschaftskrise schlittern“, sagt Röser. Man müsse jetzt schauen, „wie wir den Schaden minimieren. Und das kriegen wir nur hin, wenn die Unternehmen branchenweit öffnen können.“ In der Öffentlichkeit sind es aktuell vor allem Aktiengesellschaften, die lautstark nach Hilfen für ihre Branchen rufen. Das wäre aber der falsche Weg, betont die Verbandsvorsitzende. „Wir müssen stattdessen die Rahmenbedingungen für alle verbessern.“
Konkret fordert sie eine Entlastung für die Wirtschaft in Form von niedrigeren Steuern und Bürokratieabbau. Eine Vermögenssteuer, wie sie jetzt von einigen Politikern gefordert wird, sei „Gift für die Wirtschaft“. Die Unternehmen kämpften aktuell ums Überleben und mobilisierten die letzten Reserven, da könne es keine zusätzlichen Abgaben geben.
Über bürokratische Hürden berichtet sie aus eigener Erfahrung: Ihr familieneigenes Unternehmen Karl Röser, das seit fast 100 Jahren Stahlbetonrohre baut, könne zwar theoretisch weiterhin Baustellen beliefern. Praktisch aber gebe es an vielen Orten einen Baustopp, weil die Behörden aus dem Home Office die neuen Bauanträge nicht schnell genug abarbeiteten.
Außerdem weist Sarna Röser auf ein Problem hin, dass viele Unternehmer „nachts nicht schlafen lässt“. Der Staat hilft mit Krediten und Bürgschaften, die Folgen der Coronakrise abzufedern. Aber wie soll man es schaffen, dieses Geld irgendwann zurückzuzahlen? „Da kommt ein riesiger Schuldenberg auf einen zu.“ Um die Rechnung irgendwann einmal begleichen zu können, dürfe es jetzt keine Mehrbelastung geben. Stattdessen müsse man die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Unternehmen die zukünftig benötigten Steuern erwirtschaften können.
„Der Mittelstand braucht mehr Luft zum Atmen“
Georg Schneider, Koordinator für Wirtschaftspolitik bei der Konrad-Adenauer-Stiftung im Büro Bonn, weist auf die besondere Bedeutung des Mittelstands für Deutschland hin: „Das ist ein essentieller Baustein in der sozialen Marktwirtschaft, um ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe in der Breite zu ermöglichen. Gerade auch im ländlichen Bereich.“ Der Staat müsse nun Reformen anstoßen, „die dem Mittelstand mehr Luft zum Atmen geben“.
Zum Abschluss des Livestreams geht es noch um die Frage, wie Sarna Röser auf die Zukunft blickt. Ihre klare Antwort: „Ich bin grundsätzlich Optimistin. Wir sind kreative Problemlöser und lassen uns von solchen Dingen nicht abschrecken.“ Es war ein meinungsstarkes und differenziertes Gespräch mit einer Frau, die aus erster Hand über die Lage des Mittelstands berichtete.
Am Mittwoch, 20. Mai geht #KASkonkret in die nächste Runde: Dann sprechen wir mit dem Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan über die Frage, wie sich seine Stadt für die neue Normalität wappnet. Wir sehen uns im Facebook-Livestream der Konrad-Adenauer-Stiftung!