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Veranstaltungsberichte

Sicherheitspolitik der NATO und EU in Zeiten des Umbruchs

Schwierige Partner, neue Gegner, verstärkte Kooperation

Aktuell ist in der Weltpolitik so einiges am brodeln und vieles Bekanntes und Vertrautes ins Wanken geraten. Beste Gelegenheit also bei einem Mittagsgespräch mit Wolfgang Rudischhauser, Vize-Präsident der Bundesakademie für Sicherheit (BAKS), den dringendsten Fragen der Sicherheitspolitik der NATO und EU in Zeiten des Umbruchs nachzugehen.

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Für Rudischhauser war die Rückkehr ins Ländle ein Heimspiel, kommt er doch ursprünglich aus Biberach. Die BAKS, bei welcher er nach anderen großen diplomatischen Stationen landete, ist das zentrale, ressortübergreifende Amt des Bundes zu Weiterbildung in Fragen der Sicherheitspolitik. Ihr Auftrag ist es, in den verschiedenen Ressorts ein stärkeres sicherheitspolitisches Bewusstsein und Kompetenzen zu schaffen.

Drei zentrale Punkte stachen in dem Gespräch hervor:

1)Der Transatlantische Bund ist stärker wie es scheint

Die USA begannen schon unter Präsident Obama, sich weniger für Europa zu interessieren, mit einer Außen- und Sicherheitspolitik, die v.a. den mittleren Osten und Asien im Visier hatte. In der NATO wurden die Partner ermutigt mehr Richtung 2% Ziel zu tun. Schon während des Wahlkampfes forderte sein Nachfolger Trump vehement, dass sich Amerikas „Verbündete“ mehr an den Kosten des Verteidungsbündnisses beteiligen müssten. Im Mai 2017 schien dann der Höhepunkt des Misstrauens erreicht zu sein, als Trump in der Rede am NATO-Hauptquartier seine Verbündeten brüskierte. Die klare Erwartungshaltung bleibt. Auch der Versuch des „Dealmakings“ zeigt sich bei Trump, indem er zum Beispiel Zugeständnisse in der Handelspolitik an erhöhte Rüstungsausgaben und den kauf amerikanischer Waffen koppelt. Jedoch sind die Amerikaner unter Trump und vor allem dank seines Verteidigungsministers Mattis im Baltikum stärker engagiert als noch unter Obama. Auch die neue National Defense Strategy betont die Wichtigkeit der NATO und der westlichen Verbündeten. Seit kurzem ist Trump allerdings mit dem Hardliner John Bolton als Berater unterwegs, den Rüdischhauser als „Missionar“ und nicht Politiker sieht. Auch der Falke Mike Pompeo, welche Außenminister werden soll, birgt Potenzial für neue Überraschungen der Trump-Administration.

2)Europa muss mehr für sich selber sorgen und ist dazu noch nicht in der Lage

...deshalb bleibt die NATO so essentiell. Die Annektierung der Krim war ein Weckruf für Europa und zeigt, dass Russland sich nicht scheut in Europa seine Interessen militärisch durchzusetzen.

Mit dem starken Wirtschaftswachstum der EU wächst der Druck, mehr zu investieren. Europa ist schon aktiver wie zuvor, engagiert sich u.a. mit Friedensmissionen in Afrika.

Allerdings bleiben klare Defizite. Seit dem Scheitern der Verteidigungsgemeinschaft in den 50er Jahren kommt Europa auf keinen grünen Ast, was eine durchdachte, einheitliche Verteidigungsstrategie angeht. Die aktuellen Einsätze in Krisengebieten beschränken sich v.a. auf zivile, polizeiliche Missionen.

PESCO (Permanent Structured Cooperation) bezeichnet Rudischhauser als eine „sleeping beauty“, der es letzten Endes an Konsequenz fehlt ob der fehlenden Koalition der Willigen. Deshalb stellt sie aktuell nur eine Ergänzung zu den NATO-Strukturen dar. Eine echte europäische Armee scheint weit entfernt. Dies liegt u.a. daran, dass immer wieder Nationalismen verhindern eine gemeinsame Lösung zu finden. So werden gerade auch in Deutschland Rüstungsprojekte nach reinen nationalen Interessen geplant um die heimische Industrie zu schützen, was jedoch für den Steuerzahler teuer und Europas Sicherheit ineffizient ist.

3)Die Herausforderungen für Deutschland und die EU sind nicht nur militärischer Natur

...und daher auch nicht mit rein militärischen Mitteln zu lösen. Putins hybride Kriegsführung streut über die staatlichen Kanäle wie RT und Sputnik Falschinformationen in der gesamten westlichen Hemisphäre. Aber auch durch Cyberangriffe wie kürzlich auf die Netze des Bundes macht der Kreml immer wieder klar, dass der Westen ständig herausgefordert ist.

Währenddessen treten in der EU u.a. in Polen und Ungarn Nachahmer des autoritären Stils Putins auf und spalten die EU. Auch die jüngsten Wahlerfolge und die neue rechtsnationale Regierung Österreichs lassen das geschlossene Auftreten Europas bröckeln. Hier gilt es auf Gutdeutsch den Laden zusammen zu halten und mit einem klaren Bekenntnis zu den westlichen liberalen Werten den Stellenwert der EU zu stärken. Dazu müssen jedoch auch Fortschritte in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sichtbar werden. Auch Deutschland spielt hier keine rühmliche Rolle, halten sich die aktuelle Bundesregierung und die Kanzlerin doch merklich zurück was eine klare Außenpolitik und eine Stärkung Europas angeht.

Auch im Südosten der EU liegt Konfliktpotenzial. So verfolgt die Türkei unter Erdogan eine ganz eigene Interessenspolitik, die der der NATO und der EU teilweise diametral entgegensteht. Doch auch hier ist Diplomatie gefragt, da die Türkei ein geopolitisch wichtiger Partner bleibt. Offen bleibt jedoch, inwieweit Erdogan hier bereit ist wieder mehr zu kooperieren.

Innere Herausforderungen dominieren

Man kann also feststellen, dass die größte Gefahren der EU eher interner Natur sind und sowohl in EU, als auch NATO ein stärkerer Zusammenhalt und neue, vertiefte Kooperation notwendig sind. In der Diskussion mit den Teilnehmenden kamen weitere wichtige Fragen zu Tage, die dies unterstreichen. Zum Beispiel die Gefahr neuer Abhängigkeiten gegenüber China, aber auch die geplante Northstream Pipeline als geopolitisches Problem für Europa. Mit Hinblick auf das 2% Ziel verwies Rudischhauser darauf, dass hier Qualität wichtiger wie die Quantität der Ausgaben sei. So wurde in der Vergangenheit sowohl in Deutschland, als auch Europa das Geld teilweise einfach nicht strategisch klug ausgegeben. Hier kam auch wieder die Problematik der Eigeninteressen der Rüstungsindustrie zur Sprache.

In Bezug auf Russland, plädierte Rudischhauser dafür, dass der Dialog wieder intensiviert werden müsse, verwies aber auch darauf, dass sich dies auf Moskauer Seite in letzter Zeit oft schwierig gestaltet habe.

In Hinblick auf die große Anzahl von Geflüchteten aus Afrika in Europa war man sich an diesem Mittag einig, dass man es verpasst hat eine Art Marshallplan für Afrika aufzustellen. Hier sahen alle Teilnehmenden großen Handlungsbedarf.

Man hätte noch stundenlang weiterdiskutieren können, schließlich wurde zum Beispiel die Nordkorea-Frage nur am Rande gestreift. Wir freuen uns jedenfalls über ein gelungenes Mittagsgespräch und einen geschärften Verstand für die aktuellen Fragen der Sicherheitspolitik.

Autor: Johannes Heinemann

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Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Baden-Württemberg

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