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Länderberichte

Ex-Präsident Sebastián Piñera gewinnt erste Runde der Präsidentschaftswahl in Chile

von Andreas Michael Klein, Lynn Gödecke

Niedrige Wahlbeteiligung - Debakel für die Christdemokraten

Am 19. November 2017 fanden in Chile die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Rund 14 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgefordert. Zudem wurden Teile des Senats sowie die Regionalräte neu gewählt.

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Für die Präsidentschaftswahl standen insgesamt acht Kandidaten zur Auswahl. Die meisten Stimmen (ca. 2,4 Millionen) erhielt Ex-Präsident Sebastián Piñera von der rechts-konservativen Koalition „Chile Vamos“ mit 36,6 Prozent. Der zweitstärkste Kandidat war Alejandro Guillier (Koalition „La Fuerza por la Mayoría“) mit 22,7 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von Beatriz Sánchez des linken Bündnisses „Frente Amplio“, die 20,3 Prozent erzielte. Der unabhängige Kandidat José Antonio Kast erreichte 7,9 Prozent der Stimmen. Die Kandidatin der Democracia Cristiana (PDC), Carolina Goic, erlangte 5,9 Prozent der Stimmen, knapp vor Marco Enríquez-Ominami mit 5,7 Prozent.

Am 17. Dezember 2017 stellen sich somit die Kandidaten Sebastián Piñera und Alejandro Guillier in einer Stichwahl dem Wahlvolk zur Abstimmung, wer für die kommenden vier Jahre das 18 Millionen Volk führen wird. Amtsinhaberin Michelle Bachelet durfte sich nicht erneut um das höchste Staatsamt bewerben, da das chilenische Wahlrecht die direkte Wiederwahl des Staatspräsidenten nicht erlaubt.

Auswirkungen des neuen Verhältniswahlrechts

Erstmals wurde auf nationaler Ebene in Chile nach dem neuen Verhältniswahlrecht gewählt, das das noch aus der Diktaturzeit Augusto Pinochets binominale Wahlrecht ablöste. Um eine faire Repräsentation aller Regionen des Landes zu gewährleisten, wurde zudem die Zahl der Abgeordneten und Senatoren erhöht.

Aufgrund der neuen Möglichkeiten des Verhältniswahlrechts ist im Vorfeld der Wahl das Parteiengfüge in Bewegung geraten. Das die letzten vier Jahre regierende Parteienbündnis der Nueva Mayoría wurde Anfang des Jahres von der christdemokratischen Partei PDC aufgekündigt. Erstmals seit dem Ende der Militärdiktatur stellte die PDC mit ihrer Parteivorsitzenden, Senatorin Carolina Goic, eine eigene Kandidatin auf und bewarb sich mit einer eigenständigen Liste ihrer Kandidaten bei der Parlamentswahl.

Die übrigen Parteien der Nueva Mayoría – Partido Socialista (PS), Partido para la Democracia (PPD), Partido Radical Socialdemócrata (PRSD), Partido Comunista (PC) – vereinigten sich in der Koalition “La Fuerza por la Mayoría” hinter ihrem Präsidentschaftskandidaten Alejandro Guillier. Andere kleinere linke Parteien wie beispielsweise das Movimiento Autonomista, la Izquierda Autónoma, Partido Ecologista Verde, Partido Pirata de Chile u.a. schlossen sich zum Bündnis Frente Amplio mit ihrer Kandidatin Beatriz Sánchez zusammen.

Seit dem Jahr 2015 bereits versammelt sich die konservative Rechte Chiles im Wahlbündnis „Vamos Chile“ mit den Parteien Unión Demócrata Independiente (UDI), Renovación Nacional (RN), Evópoli und der Partido Regionalista Independiente (PRI).

Die Rechte siegt bei der Parlamentswahl

Bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer liegt die RN mit 23,2 Prozent der Stimmen vor der konservativen UDI mit 20,0 Prozent der Stimmen. Weiter abgeschlagen folgen die PS mit 12,3 Prozent, vor der DC mit 8,5 Prozent. Die RD liegt mit 6,5 Prozent knapp vor den drei Parteien Partido Comunista (PC), Partido Radical (PR) und PPD mit jeweils 5,2 Prozent. Auf den weiteren Plätzen folgen die Parteien EVOP (3,9 Prozent), Partido Humanista (PH) (3,2 Prozent), Federación Regionalista Verde Social (FREVS) (2,6 Prozent) und Partido Liberal (PL) (1,3 Prozent). Nach dem neuen Wahlgesetz wird das zukünftige Parlament aus 155 statt 120 Abgeordneten bestehen.

Während die Linke in Chile stark fragmentiert aus der Parlamentswahl hervorgeht, darf sich die Rechte als Sieger fühlen. Die RN steigerte ihr Ergebnis aus dem Jahr 2013 von 15,8 Prozent deutlich. Gemeinsam mit UDI, die 4,16 Prozent auf ihr Ergebnis von 2013 verlor, und Evopoli, die sich erstmals zur Wahl stellte, kommt das rechte Parteienbündnis „Vamos Chile“ auf 47,1 Prozent Stimmenanteil.

Deutlich an Stimmen büßte die christdemokratische Partei ein. Nach 17,5 Prozent Stimmenanteil im Jahr 2013 kam die PDC noch auf 8,5 Prozent. Damit ist die Partei im Kongress zukünftig mit 13 Abgeordneten (2013:20 Abgeordnete) vertreten. Die Parteivorsitzende und Präsidentschaftskandidatin der PDC übernahm noch am Wahlabend die Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Partei und trat von ihrem Parteiamt zurück.

„Unsere Kampagne basierte auf Ethik und Verantwortung und heute, im Moment der Niederlage, sind diese Konzepte so präsent wie nie zuvor. Wir alle hier sind für die gemeinsam getroffenen Entscheidungen verantwortlich und ich bin die Verantwortliche, die sie angeführt hat. Daher, als Konsequenz der tiefen ethischen Verantwortung, trete ich von meinem Posten als Parteivorsitzende zurück“.

Für die zweite Runde der Präsidentschaftswahl am 17. Dezember stellt sich Carolina Goic hinter den Kandidaten der Linken und gab eine Wahlempfehlung für Alejandro Guillier ab. Bis zum Jahr 2021 bleibt Goic gewählte Senatorin für die Region Magallanes und chilenische Antarktis.

Schlussfolgerung und Ausblick

Mit dem Geschäftsmann und Ex-Präsidenten Sebastian Piñera sowie dem Journalisten und unabhängigen Senator Alejandro Guillier setzen sich die beiden Favoriten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl durch, die lange Zeit die Umfragen angeführt haben. Überraschend stark schnitt die Kandidatin des links-alternativen Bündnisses „Frente Amplio“, Beatriz Sánchez, ab, die nur wenige Prozentpunkte hinter Alejandro Guillier liegt. Für die Kandidatin der christdemokratischen Partei, Senatorin Carolina Goic, die sich mit Erwartungen auf ein besseres Resultat in den Wettbewerb begeben hatte, ist das magere Ergebnis von unter 6 Prozent eine herbe Enttäuschung, so dass sie mit ihrem Rücktritt vom Parteivorsitz die erwartbare Konsequenz zog.

Der reibungslose Verlauf des Wahlkampfes sowie die rasche Auszählung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses zeugt einmal mehr von der demokratischen Reife und Stabilität der Republik Chile. Die Umstellung des Wahlsystems vom binominalen System auf das Verhältniswahlrecht ist vollzogen. Dennoch, die niedrige Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent zeigt, dass sich ein Großteil des Wahlvolkes augenblicklich nicht von den zur Auswahl stehenden Parteien und ihren Kandidaten angesprochen fühlt.

Trotz der Abkehr vom binominalen Wahlsystem war der Wahlkampf nach wie vor stark von der Blockbildung in ein linkes und rechtes Lager geprägt. Einzig die PDC hat versucht, mit ihrer Kandidatin und ihrer programmatischen Ausrichtung die politische Mitte zu besetzen. Mit dem enttäuschenden Abschneiden der PDC muss dieser Ansatz - zumindest für den Augenblick - als nicht erfolgreich bewertet werden. Während sich die Lager um Sebastian Piñera und Alejandro Guillier für die zweite Runde in vier Wochen sammeln, hat bereits am Montag nach der Wahl die Aufarbeitung des Wahlergebnisses innerhalb der PDC begonnen. Noch ist es zu früh, über das Ergebnis der Richtungsauseinandersetzung innerhalb der chilenischen Christdemokratie zu spekulieren. Erste Verlautbarungen aus dem Parteivorstand lassen jedoch darauf schließen, dass das Führungspersonal der PDC eher auf „eine Rolle rückwärts“ setzt und eine erneute Annäherung an das linke Lager anstrebt, als im „Alleingang“ den freien Platz in der politischen Mitte zu besetzen.

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