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Veranstaltungsberichte

Die Welt der Arbeit aus sozialchristlicher Sicht

Gesprächsrunde mit dem deutschen Bundestagsabgeordneten Peter Weiß

Das chilenische Arbeitssystem steht vor einer Reform. Vor diesem Hintergrund fand am 14. Juni 2014 eine Gesprächsrunde mit dem deutschen Bundestagsabgeordneten Peter Weiß zu dem Thema "Die Welt der Arbeit aus sozialchristlicher Sicht" statt.

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Anlässlich des Besuchs des deutschen Bundestagsabgeordneten Peter Weiß und vor dem Hintergrund der in Chile bevorstehenden Reform des Arbeitssystems fand am Samstag, den 14. Juni 2014 ein Seminar unter dem Motto „Die Welt der Arbeit aus humanistisch-christlicher Sicht“ in Santiago de Chile statt. Das Seminar wurde durch die Leiter der beiden veranstaltenden Organisationen, Holger Haibach von Seiten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chile sowie Gustavo Venegas vom Centro de Democracia y Comunidad, eröffnet. Im Rahmen des Seminars wurden u.a. der Sinn und Ablauf von Kollektiv- und Tarifverhandlungen sowie deren Hauptakteure und ihre jeweilige Rolle thematisiert. Zunächst stellte Herr Weiß, der neben seiner Tätigkeit als MdB auch Chef der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion ist, den Sinn und Zweck der Kollektivverhandlungen in Deutschland vor. Gustavo Venegas zufolge sei es von großer Wichtigkeit dem Beispiel Deutschlands mit Blick auf dieses Thema Gehör zu schenken, da Chile es im Gegensatz zu Deutschland noch nicht geschafft habe, Arbeitnehmer und –geber zu Tarifverhandlungen erfolgreich zusammenzuführen. Die anstehende Reform des Arbeitssystems wurde vor dem Hintergrund der Informationen von Herrn Weiß u.a. von dem chilenischen Staatssekretär für Arbeit, Francisco Díaz, und Gewerkschaftsvertretern erörtert und diskutiert.

Die Sozialpartnerschaft, ein Kernelement der Sozialen Marktwirtschaft, habe in Deutschland in Form von Kollektivverhandlungen und Tarifverträgen eine lange Tradition. Bereits der ehemalige Wirtschaftsminister und spätere Kanzler Deutschlands, Ludwig Erhard, habe die Notwendigkeit erkannt, die Gesetze des freien Marktes in Einklang mit sozialem Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund erklärte Peter Weiß die Grundprinzipien der Tarifverhandlungen in Deutschland. Er schreibt dem Tarifvertrag eine friedensstiftende Wirkung zu, da einerseits verschiedene Akteure an der Konsensfindung beteiligt seien, andererseits die den Verhandlungen folgende einjährige „Friedenspflicht“ keine Streiks zulasse. Eine besondere Bedeutung lässt Peter Weiß dem Prinzip der Allgemeinverbindlichkeit zukommen. Dieses erlaube es per Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch die Bundes- bzw. Landesregierung zwischen Mitgliedern des Arbeitgeberverbands und Gewerkschaftlern erzielte Ergebnisse auch auf nicht-Mitglieder zu übertragen. Patricio Vallespín, Mitglied des Ausschusses für Arbeitsrecht im chilenischen Kongress, betonte in seinem Kommentar, dass die Kollektivverhandlungen per Sektor in Chile in erster Linie als Bedrohung wahrgenommen werden würden, während sie in Deutschland als effektives Instrument hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitssystems dienten. Auch Jorge Consales, Vizepräsident der Arbeitnehmerfront der chilenischen Christdemokraten, steht dem in Chile bestehenden Arbeitssystem kritisch gegenüber: er fordert mehr Selbständigkeit und wünscht sich von Seiten der Christdemokraten ein größeres Engagement in Kollektivverhandlungen, um flächendeckende oder Branchenverträge zu ermöglichen.

Die bevorstehende Reform des chilenischen Arbeitssystems begründete der Staatssekretär des Arbeitsministeriums, Francisco Díaz, mit der Notwendigkeit, der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit in Chile ein Ende zu setzen. So strebt die Regierung u.a. eine zügige Umsetzung der Steuerreform an und plädiert für einen ausgewogeneren Zugang zur Arbeitswelt. Besonders Frauen und ärmere Bevölkerungsteile seien diesbezüglich stark benachteiligt in der chilenischen Gesellschaft. Bisher bestünden keine wirksamen Mechanismen um einen ausgewogeneren Zugang zu gewährleisten. Daher sei es umso wichtiger, breite Teile der Bevölkerung durch Bildung zu befähigen und mit Blick auf die Arbeitsrechtsreform eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen. Dazu zählt er insbesondere die Einführung von minimalen Standards für Kollektivverhandlungen sowie die Gründung eines Fonds zur Stärkung der Gewerkschaften. Unterstützt wurde der Arbeitsminister in seinen Ausführungen sowohl von Sergio Pradenas Sudy, Anwalt für Arbeitsrecht und Gewerkschaftsberater, als auch von dem Jurastudenten und Gewerkschaftsführer des multinationalen Unternehmens Unísono, Francisco Lara. Beide befürworteten nicht nur Díaz Ausführungen, sondern wiesen auch darauf hin, dass diejenigen, die sich im Rahmen einer Gewerkschaft besonders für die Rechte der Arbeitnehmer einsetzten, Repressalien von Seiten ihrer Arbeitgeber erfahren würden. Solange diese Akteure nicht gesetzlich besser vor solchen Benachteiligungen geschützt seien, sei ein Engagement für viele Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft eher unattraktiv.

In den sich an die Vorträge anschließenden Diskussionsrunden waren zwei Themen besonders bedeutsam. Zum Einen interessierten sich die Seminarteilnehmer insbesondere für das Thema Streikrecht, zum Anderen war der Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor hinsichtlich des Arbeitsrechts für eine Vielzahl von Teilnehmern ebenso von großem Interesse. Beide Themen sind zentrale Punkte der in Chile stattfindenden Diskussion mit Blick auf die Reform des Arbeitssystems. Zum Thema Streikrecht erklärte Peter Weiß, dass dieses gesetzlich nur in Form von Grundregeln festgehalten sei, die entsprechenden Details hingegen in den Kollektivverträgen festgelegt seien. Der Ablauf eines Streiks von Tarifverhandlungen gestalte sich in Deutschland so, dass zunächst eine Einladung zu Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und –nehmern bzw. den jeweiligen Vertretern erfolgen müsse. Sollte diese ausgeschlagen werden, so komme den Arbeitnehmern das Recht in Streik zu treten zu. Auf eine positive Reaktion auf die Einladung zu Kollektivverhandlungen von Seiten der Arbeitgeber müssten jedoch Verhandlungen erfolgen. Ein Streik könne nur von einem Arbeitsgericht, z.B. aufgrund von Unverhältnismäßigkeit, untersagt werden. Außerdem existiere seit einigen Jahren ein Schlichtungsverfahren, bei dem ein oder zwei von den Konfliktparteien ernannte Mediatoren die Verhandlungen ergebnisorientiert leiten würden. Hinsichtlich des Unterschieds zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor wies Peter Weiß darauf hin, dass sich der Staat in die Verhandlungen innerhalb des privaten Sektors nicht einmische. Im öffentlichen Sektor hingegen sei die Rolle des Staates differenzierter zu betrachten. Staatsangestellte könnten wie im Privatsektor Verhandlungen führen und streiken, wobei der Staat als Arbeitgeber Teil der Tarifverhandlungen sei. Den in Beamtenverhältnissen stehenden Arbeitnehmern ist jedoch jegliche Form von Streik verboten, wofür ihnen im Gegenzug ein sicherer Arbeitsplatz garantiert wird. Zudem werde für die Beamten in der Regel der Tarifabschluss für die Angestellten des öffentlichen Dienstes übernommen.

Die Teilnehmer der Veranstaltung waren in erster Linie Gewerkschaftsvertreter, Abgeordnete, Studenten, welche die Vorträge und Diskussionen mit großem Interesse verfolgten und anschließend den Wunsch nach vertiefenden und weiterführenden Veranstaltungen bezüglich der Reform des chilenischen Arbeitssystems äußerten.

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