Ohrenkuss ist ein Magazin, das von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird. In seinem Bonner Redaktionsteam schreiben derzeit fünfzehn Autorinnen und Autoren darüber, was sie fühlen und was sie bewegt. Dazu kommen Fernkorrespondenten von überall auf der Welt, die ihre Texte einsenden. Die Redaktionsmitglieder sind zwischen 19 und 59 Jahren alt.
„Menschen wollen glücklich sein“, postuliert Fernkorrespondentin Maria Trojer. Glück bedeute „was Wahres in sich“ und könne an unvermuteten Orten zu finden sein: „So versteckt sich das Glück in der Tafel Schokolade.“ Ihr Redaktionskollege Martin Weser sekundiert ihr: „Das Glück kann überall sein, muss man suchen.“
Ein Glücksgarant ist für die Ohrenkuss-Redakteure die Liebe, über die Carina Kühne schreibt: „Ich habe einen Freund, der mich liebt, und eine Familie, die immer für mich da ist. Wenn ich Probleme habe, bin ich nie allein und habe immer jemanden zum Reden.“ Auch Maximilian Kurth macht die Liebe glücklich: „Meine Freundin ist ein Glück. Weil ich hab ein Herz für sie und sie hat ein Herz für mich.“
Dominic Edlers beschreibt Glücksmomente so: „Wenn jemand zum mir Nett ist, vielleicht ein Nettes Mädchen mit Schöne Augen.“ Aber nicht nur die Liebe zu einer anderen Person macht glücklich. Genauso wichtig ist, mit sich selbst zufrieden zu sein: „Das Herz ist voll in Glück: man ist Verliebt im sich Selbst. Man kriegt Schöne Augen.“
Judith Klier verbindet Glück und Familie: „Glück bedeutet für mich sehr viel im leben und das man mit der familie glücklich sind. Das schönste ist mein Patenkind weil sie mir ein Glückliches Kind ist und das bedeutet mir sehr viel.“ Auch Johanna von Schönfeld ist ein Familienmensch und empfindet Glück: „Wenn meine Geschwister zu meiner Seite stehen. Ich bin ein Familyund Freundschaftstyp und dann bin ich glücklich. Ich liebe die Gespräche und das Zuhören. Das bringt mir Glück.“
Johanna von Schönfeld sprudelt über vor Glück, wenn sie tanzt: „Bei jeder Party bin ich fast immer überhappy, denn ich bin eine Partytante. Wenn die Clubs gut besucht sind, wär ich happy. Ich lasse mich gerne treiben und dance (phonetisch: dänze) einen ab. Mein Herz dancet und blüht auf.“
Verena Günnel liebt es, in der Sonne zu liegen. „Da ist es so schön warm.“ Doch Erfüllung findet sie nicht allein in der Freizeit: „Aber am liebsten gehe ich in meine Arbeit zu meinen lieben Kollegen.“
Die Mitglieder der Ohrenkuss-Redaktion geben an, glücklich zu sein. Jedenfalls überborden die Probleme nicht. Dass sie unter ihren Begrenzungen mehr leiden, als es Nicht-Behinderte unter den ihren tun, scheint eine unzutreffende Fremdwahrnehmung zu sein. Die Probleme, die genannt werden, sind teils ganz alltäglicher Natur. So hadert Antonio Nodal mit dem Älterwerden, hat aber schon handfeste Lösungen parat: „Problem: Ich bin alt. Ich bin schon 38. Ich will lieber jung sein. Ich war mal schön. Was hilft? Ich bleibe fit. Ich mache Sport: Boxen und Fahrrad fahren, boxen und Tennis spielen. Ich will schön sein. Ich liebe das. Und Lachen, das hilft. Ich glaube ja, das hilft.“
Verena Günnel macht sich andere Sorgen. Die Arbeit in einem Bonner Altenheim fällt ihr schwer: „Ich hab viel Probleme in mein Arbeit, weil ich nicht so schnell bin. Wenn ich da Probleme habe, dann kriege ich Erschöpfung, brauche ich Hilfe. Ich habe Angst davor, ich kriege das ja mit, was da schief läuft. Ich habe keine Wahl, das abzuhalten. Das ist viel für mich, kriege ich Stress davon. Das ist schwierig für mich zu entscheiden: hier bleiben oder gehen.“ Sie holt sich Rat und Trost von ihren Kollegen – und von ihrer Chefin: „Es gibt ein Mensch, dem ich vertrauen kann. Die ist meine Ansprechpartnerin: meine Chefin. Muss man ansprechen Dann kriege ich mein Problem los. Und es hilft mir darüber zu sprechen, mit den Ohrenkuss-Kollegen. Die können trösten. Das tut gut.“
Das Thema Vorurteile wurde von den Redakteuren nicht selbst benannt. Aber dazu befragt, gibt Maria Trojer selbstbewusst an: „Andere sagen, dass die Menschen mit Down-Syndrom dumm und ohne Gehirn sind – auch so was kann ein Vorurteil sein, weil man so nicht sagen darf, nur weil wir anders aussehen. Ich finde es nicht normal, was die anderen über uns sagen. So was kann gar nicht stimmen.”
Viel mehr beschäftigt die Redakteure das Thema Selbstbestimmung. Verena Elisabeth Turin beteuert: „Für mich bedeutet selber bestimmen sehr, sehr wichtig. Weil ich sehr gerne mitreden möchte, wenn es um mich geht.“
Julian Göpel, der als Hausmeisterhelfer arbeitet, unterscheidet verschiedene Lebensbereiche: „Ich kann alles alleine in meiner Wohnung alles alleine machen. Bei der Arbeit darf ich nicht alleine bestimmen, die werden da gesprochen. Ich brauche Unterstützung wegen Technikkeiten. Handwerkeln kann ich auch alleine: Malerei, Gärtnern kann ich alleine. Getränke kann ich hochbringen und Gepäck für die Gäste, die zu uns in der Firma kommen. Die Anweisungen habe ich bei meinen Vorgesetzten zu tun. Ich Melde mich immer telefonisch bei meinen Vorgesetzten an.“
Anna-Lisa Plettenberg missfällt, dass sie nicht alle Entscheidungen allein treffen kann. „Dann fühle ich mich generft.“ Aber sie hat ein Rezept dagegen. „Dann gehe ich zum Klavier und spiele Noten.“ Katja Sothmann ist dankbar für Anregungen, aber will sich nicht bevormunden lassen: „Natürlich können die anderen mir Tipps geben, wie ich das machen soll. Aber nicht einmischen, weil das ist meine Sache. Das bestimme nur ich.“
Veronika Hammel schreibt: „Ich bin manchmal ohnmächtig.“ Ihre Botschaft, um die Ohnmacht zu überwinden, lautet: „Mit Einander Reden.“
Der Beitrag wurde zusammengestellt von Anne Leichtfuß, Redaktionsteam Ohrenkuss. Weitere Informationen zum Projekt Ohrenkuss unter https://ohrenkuss.de/ohrenblog/page-1.html.