Asset-Herausgeber

Über die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Deutschland

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Die Inflationsrate erreicht Höchststände. Kurzfristig ist kaum mit einer Entspannung zu rechnen: Die Bundesbank erwartet für das Jahr 2022 im Jahresdurchschnitt für Deutschland eine Inflationsrate von etwa sechs Prozent,1 die Europäische Zentralbank geht für die Eurozone von einer Inflationsrate von etwa fünf Prozent aus.2 Damit nimmt die finanzielle Belastung, beispielsweise durch Wohnkosten, insbesondere für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen weiter zu. 2019 gaben etwa zwei Drittel der Haushalte an, die monatlichen Wohnkosten als gewisse oder gar große Belastung zu empfinden.3 Unter armutsgefährdeten Haushalten galt dies sogar für 75 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Wahrnehmung in den letzten Jahren deutlich verschärft hat. Wohnen gilt als die soziale Frage unserer Zeit. Doch trifft diese Einschätzung in Deutschland tatsächlich zu?

Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Land der Mieterinnen und Mieter. Nicht einmal die Hälfte aller deutschen Haushalte besitzt Wohneigentum (46,5 Prozent).4 Infolgedessen ist die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger von steigenden Mietpreisen betroffen: Zwischen 2010 und 2019 stiegen die inserierten Mieten sowohl im Neubau als auch im Bestand um circa 34 Prozent.5 In einigen Großstädten, beispielsweise in Berlin, München oder Stuttgart, war der Anstieg noch wesentlich höher und betrug rund fünfzig Prozent. Dies führte teilweise zu gravierenden Eingriffen in bestehende Mietmärkte, zum Beispiel zur – später durch das Bundesverfassungsgericht zurückgenommenen – Deckelung der Angebotsmieten im Rahmen des Berliner Mietendeckels.

 

Unterschiede zwischen Stadt und Land

 

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Kaufpreisentwicklung von Wohnimmobilien. In den letzten zehn Jahren stieg der sogenannte Häuserpreisindex für Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser um 55 Prozent.6 Wenngleich die Kaufpreise insbesondere in dicht besiedelten Großstädten gestiegen sind, verfestigt sich dieser Trend auch im ländlichen Raum. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verbraucherpreise vergleichsweise moderat um lediglich vierzehn Prozent.

Diese Zahlen legen nahe, dass die finanzielle Belastung von Haushalten durch die aufzubringenden Wohnkosten in den letzten zehn Jahren nominal deutlich gestiegen ist. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Wiederholungsbefragung privater Haushalte zu Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC-Befragung) aus dem Jahr 2018, dass die Anzahl von Personen, die durch Wohnkosten über die Maße belastet sind, seit 2013 leicht zurückgegangen ist. Mit anderen Worten: Der Anteil von Haushalten, die mehr als vierzig Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aufwenden, ist seit 2013 von 16,4 Prozent auf 14,2 Prozent gesunken.7 Dies ist insbesondere auf die gute wirtschaftliche Entwicklung vor der Corona-Pandemie zurückzuführen. Inwiefern sich die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg auf die (subjektive) Wohnkostenbelastung von Haushalten auswirken werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht quantifizieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Belastung zugenommen hat.

Dennoch sind nicht alle Haushalte in Deutschland gleichermaßen von dieser Entwicklung betroffen. Entscheidend für den Grad der finanziellen Belastung ist zunächst, ob die Menschen in der Stadt oder auf dem Land leben. Da die Wohneigentumsquote in Deutschland mit steigender Besiedlungsdichte sinkt, leben Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner besonders oft in Mietwohnungen.8 Gleichzeitig sind Personen in Miethaushalten häufiger von Wohnkostenüberlastung betroffen als Eigentümerinnen und Eigentümer. Die Mietbelastung ist somit in Städten in der Regel wesentlich höher. Ungeachtet der Lohnentwicklung sind Mieterinnen und Mieter somit verhältnismäßig am stärksten belastet, wenngleich die Miet- und Kaufpreise in ganz Deutschland gestiegen sind. Besonders betroffen sind aber auch Personengruppen mit bestimmten sozio-demografischen Charakteristika, beispielsweise Alleinerziehende, armutsgefährdete Personen sowie Menschen mit Migrationshintergrund.9

 

Knappes Gut Wohnimmobilie

 

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielschichtig und lassen sich durch Veränderungen auf Miet- und Kaufmärkten erklären. Zum einen ist die Nachfrage nach Wohnimmobilien in den letzten Jahren stark gestiegen. Zu dieser Dynamik tragen insbesondere drei Faktoren bei: Erstens ist die Bevölkerung in Deutschland bis einschließlich 2018 um 2,5 Millionen Menschen gewachsen. Dies entspricht einem Zuwachs von 3,1 Prozent und ist vor allem auf eine hohe Nettozuwanderung zurückzuführen. Zweitens ist zugleich die durchschnittliche genutzte Wohnfläche in Quadratmetern gestiegen. Mehr Menschen benötigen also immer mehr Wohnraum, sodass die Nachfrage nach (Miet-)Wohnungen zuletzt stark gestiegen ist. Drittens werden Immobilien durch die wirtschaftlichen Entwicklungen seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 mehr nachgefragt:10 Die lange Niedrigzinsphase führte in den letzten Jahren dazu, dass private Haushalte und Unternehmen verstärkt in Immobilien investieren, „was das Preisniveau und den Druck auf die Mieten bei Rendite-Objekten erhöht“.11

Gleichzeitig konnte die Entwicklung des Angebots nicht mit der stetig wachsenden Nachfrage nach (Wohn-)Immobilien mithalten. Trotz zunehmender Wohnungsbautätigkeit seit den 2010er-Jahren12 sind die Preise für das knappe Gut Wohnimmobilie daher deutlich gestiegen. Das zeigt sich insbesondere bei den Preisen für Bauland und Baukosten, die seit 2009 um 87 Prozent beziehungsweise 28 Prozent gestiegen sind.13 Zuletzt hat sich dieser Prozess deutlich verschärft. Einerseits nehmen die Herausforderungen durch den Fachkräftemangel weiter zu, und der Anteil von Personen im Haupterwerbsalter (das heißt im Alter von 25 bis 64 Jahren) an der Gesamtbevölkerung wird infolge des demografischen Wandels weiter sinken.14 Andererseits führen die zunehmenden Lieferengpässe bei Baustoffen seit Beginn der Corona-Pandemie zu weiter steigenden Erzeugerpreisen insbesondere für einzelne Materialien wie Holz oder Stahl.15

Hinzu kommt, dass die geringe Effizienz im Bereich der Wohnungsplanung zu langatmigen Planungsprozessen bei kommunalen Verwaltungen führt: Vakante Stellen in Planungsämtern, die mangelnde Digitalisierung von Prozessen und eine Vielzahl an Regulierungen tragen zu einem stetig wachsenden Bauüberhang bei.

In jüngster Vergangenheit liegt der Fokus insbesondere auf Fragen der Immobilienfinanzierung. Dafür verantwortlich sind unter anderem neue und zusätzliche Anforderungen an die Eigenkapitalrücklagen von Banken, veränderte Fördermöglichkeiten für energieeffiziente Gebäude sowie zuletzt stark steigende Bauzinsen. Doch auch wenn sich viele Mieterinnen und Mieter den Wechsel in Wohneigentum wünschen, sollten ihre Bedürfnisse nicht unbeachtet bleiben – insbesondere, da sich ihre Vorstellungen über die eigene Wohnsituation während der Corona-Pandemie oftmals geändert haben.

Wie kann die Politik kurz- und mittelfristig auf die steigende Wohnkostenbelastung von Haushalten antworten? Um einen Beitrag zur Vermögensbildung von Haushalten zu leisten (insbesondere mit Blick auf die Altersvorsorge), gilt es erstens, zusätzliche Impulse zur Förderung von Wohneigentum zu setzen. Hierfür gibt es eine Reihe von möglichen Instrumenten, beispielsweise die Besserstellung von Eigentümerinnen und Eigentümern, die ihre Immobilie selbst nutzen, steuerpolitische Maßnahmen oder aber ein stärkerer Fokus auf die Förderung bei der Finanzierung eines Immobilienerwerbs.16 Zweitens ist es wichtig, den Wohnungsbau voranzutreiben, vor allem durch die Harmonisierung und Dynamisierung von Prozessen sowie Investitionen in die strukturelle und digitale Infrastruktur.17 Vor dem Hintergrund aktueller Preissteigerungen empfiehlt es sich drittens, die Mittelschicht gezielt steuerlich zu entlasten. Eine Verbindung dieser Ansätze, gepaart mit einer stärkeren Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen, könnte eine Antwort auf die soziale Frage unserer Zeit geben.

 

Felicitas Schikora, geboren 1991 in Augsburg, Promotion im Bereich Migrations- und Arbeitsmarktökonomik, Referentin Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, Hauptabteilung Analyse und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

1 „Sechs Prozent Inflation in diesem Jahr“. Interview mit Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, 06.04.2022, www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/bundesbank-joachim-nagel-interview-101.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
2 Europäische Zentralbank: Von Experten der EZB erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Euro-Währungsgebiet, März 2022, www.ecb.europa.eu/pub/projections/html/ecb. projections202203_ecbstaff~44f998dfd7.de.html [letzter Zugriff: 29.04.2022].
3 Statistisches Bundesamt: Finanzielle Belastung durch gesamte Wohnkosten, 08.02.2022, www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/Tabellen/belastung-wohnkosten-bevoelkerung-silc.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
4 Pekka Sagner / Michael Voigtländer: Wohneigentumspolitik in Europa. Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft, erstellt im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, www.iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-wohneigentumspolitik-in-europa. html [letzter Zugriff: 29.04.2022].
5 Anja M. Hahn / Konstantin A. Kholodilin / Sofie R. Waltl: Die unmittelbaren Auswirkungen des Berliner Mietendeckels: Wohnungen günstiger, aber schwieriger zu finden, DIW Wochenbericht 8/2021, S. 117-124, 
www.diw.de/de/diw_01.c.811698.de/publikationen/wochenberichte/2021_08_3/die_unmittelbaren_auswirkungen_des_berliner_mietendeckels__wohnungen_guenstiger__aber_schwieriger_zu_finden.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
6 Statistisches Bundesamt: Datenreport 2021. Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Gesamtausgabe, 10.03.2021, www.destatis.de/DE/Service/Statistik-Campus/Datenreport/ Downloads/datenreport-2021.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
7 Ebd.
8 Felicitas Schikora: Bausteine für eine bessere Steuerung von Mietmärkten, Monitor Wohnen, Nr. 3/2022, Konrad-Adenauer-Stiftung, April 2022, www.kas.de/en/monitor/detail/-/content/bausteine-fuer-eine-bessere-steuerung-von-mietmaerkten [letzter Zugriff: 25.04.2022].
9 Statistisches Bundesamt, a. a. O., En. 6.
10 Ralph Henger: „Mehr Wohnungsbau erfordert schnelles Handeln auf allen Ebenen, aber keinen Aktionismus“, in: Wirtschaftsdienst (Hrsg.): Wohnen in der Stadt: Wege zur Lösung des Knappheitsproblems, Nr. 9, September 2019, S. 603–624, www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/9/beitrag/wohnen-in-der-stadt-wege-zur-loesung-eines-knappheitsproblems.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
11 a. a. O., S. 604.
12 Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat: Faktenblätter zum deutschen Wohnungsmarkt, Februar 2021, S.11, www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/bauen/wohnen/faktenblaetter-zum-deutschen-wohnungsmarkt-2021.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
13 Felicitas Schikora: Planen, Bauen, Wohnen. Hürden der Wohneigentumsbildung, Monitor Wohnen, Nr. 1/2022, Konrad-Adenauer-Stiftung, April 2022, www.kas.de/en/monitor/detail/-/content/planen-bauen-wohnen-huerden-der-wohneigentumsbildung [letzter Zugriff: 25.04.2022].
14 Sachverständigenrat für Integration und Migration: Fakten zur Einwanderung in Deutschland, November 2021, S. 2, www.svr-migration.de/publikationen/fakten-zur-einwanderung-in-deutschland/ [letzter Zugriff: 25.04.2022].
15 Statistisches Bundesamt: Baumaterialien im Jahr 2021 stark verteuert, Pressemitteilung Nr. N 006, 10.02.2022, www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/02/PD22_N006_61.html [letzter Zugriff: 25.04.2022].
16 Vgl. Felicitas Schikora, a. a. O., En. 13.
17 Vgl. Felicitas Schikora: Mit Modernisierung und Digitalisierung Wohnungsbau fördern. Drei Lösungsansätze, Monitor Wohnen, Nr. 2/2022, Konrad-Adenauer-Stiftung, April 2022, www.kas.de/de/monitor/detail/-/content/mit-modernisierung-und-digitalisierung-wohnungsbau-foerdern [letzter Zugriff: 25.04.2022].

 

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