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Strategien für Rohstoffsicherheit

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Rohstoffe sind nicht nur Grundlage wirtschaftlicher Stärke und gesellschaftlichen Wohlstands, sondern systemrelevant für unseren Wirtschaftsstandort. Für ein industriell geprägtes Land wie Deutschland sind stabile und verlässliche Rohstoffmärkte von strategischer Bedeutung – sie sichern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und die Stabilität der Volkswirtschaft. Nahezu alle Wertschöpfungsketten sind auf den Zugang zu Metallen, Mineralien und industriellen Vorprodukten angewiesen. Wachsende geopolitische Spannungen, der weltweite Wettbewerb um knappe Rohstoffe und Chinas gezielte Rohstoffpolitik, mit der wirtschaftliche Abhängigkeiten geschaffen werden, verändern die Voraussetzungen für Deutschland und Europa grundlegend. Gleichzeitig macht der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten gezielt als Druckmittel eingesetzt werden können. Deutschland steht zudem vor der Herausforderung, auf eine veränderte Politik eines seiner wichtigsten Partner zu reagieren, die geprägt ist von selektiver Kooperation und einem Rückzug aus internationalen Verpflichtungen. Dies erfordert auch eine grundlegende Anpassung der deutschen Außenwirtschaftspolitik.

Deutschland und Europa stehen in der Verantwortung, eine strategische Rohstoffpolitik zu forcieren, die der deutschen Wirtschaft den Zugang auch zu kritischen Rohstoffen sichert. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Resilienz – es geht auch um die Fähigkeit, unsere industrie- und sicherheitspolitischen Interessen eigenständig zu vertreten. Dies erfordert einen grundlegenden Perspektivwechsel, der die langfristige Versorgungssicherheit und strategische Resilienz in den Mittelpunkt stellt.

Unser Ziel muss jetzt sein: Mit klarem politischem Kurs, marktwirtschaftlichen Anreizen, internationalen Partnerschaften und konkreten Projekten wollen wir die Rohstoffversorgung Deutschlands strategisch absichern.

 

Deutschlands Abhängigkeit von globalen Rohstoffmärkten

Deutschland ist in hohem Maße auf Importe angewiesen – insbesondere bei sogenannten kritischen Rohstoffen, die für die Digitalisierung, die Dekarbonisierung und die industrielle Wertschöpfung von zentraler Bedeutung sind. Dazu zählen unter anderem Lithium, Kobalt, Nickel, Seltene Erden, Graphit oder auch Silizium. Der aktuelle Bericht zur Angebotskonzentration bei mineralischen Rohstoffen der Deutschen Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)[1] zeigt: Bei Seltenen Erden besteht eine nahezu hundertprozentige Importabhängigkeit – vor allem von China, das bei vielen dieser Rohstoffe eine marktbeherrschende Stellung innehat.

Hinzu kommt, dass die Bundesrepublik nicht nur die Rohstoffe selbst importiert, sondern auch bei Vorprodukten und Verarbeitungsschritten oftmals auf ausländische Anbieter angewiesen ist. Diese doppelte Abhängigkeit macht die deutsche Industrie anfällig für geopolitische und wirtschaftliche Verwerfungen.

Ein strukturelles Defizit zeigt sich ebenfalls bei der heimischen Rohstoffgewinnung: Trotz vorhandener Lagerstätten werden diese zu wenig erschlossen oder durch konkurrierende Nutzungsinteressen blockiert. Insbesondere im Bereich Steine-Erden-Rohstoffe, die für die Bauwirtschaft unverzichtbar sind, wird laut einer jüngst veröffentlichten Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung[2] auch im Jahr 2045 noch eine erhebliche Abhängigkeit von heimisch gewonnenen Primärrohstoffen bestehen, die in diesem Umfang nicht annähernd durch Sekundärrohstoffe wie Recyclingbaustoffe oder industrielle Nebenprodukte ersetzt werden können.

Die Ausgangslage ist also klar: Deutschland steht bei der Rohstoffversorgung im internationalen Vergleich unter erheblichem Druck. Importabhängigkeit, fehlende Veredelungs- und Recyclingkapazitäten und eine durch langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren gebremste heimische Rohstoffwirtschaft stellen ein strategisches Risiko dar – und eine wirtschaftspolitische Schwäche, die es dringend zu beheben gilt.

 

Aktuelle und potenzielle Risiken

Die Rohstoffabhängigkeit Deutschlands ist nicht nur ein statistischer Befund. Die Konzentration auf wenige Lieferanten birgt konkrete Risiken für den Industriestandort, seine Innovationskraft und seine wirtschaftliche Souveränität: Ein Exportstopp aufgrund politischer Konflikte kann innerhalb weniger Wochen ganze Lieferketten unterbrechen. Die von China als Reaktion auf die Zollpolitik der neuen US-Regierung angekündigten Exportkontrollen für bestimmte Seltene Erden und Magnete betreffen alle Länder der Welt, auch Deutschland. Unternehmen sind unmittelbar von der neuen zusätzlichen Dual-Use-Lizenzprüfung[3] durch die chinesischen Behörden betroffen und müssen nun für Lieferungen in Drittländer Genehmigungen bei der chinesischen Regierung beantragen. Inwieweit und wann diese tatsächlich erteilt werden, ist offen. Branchenvertreter und Studien warnen seit Langem vor dieser Erpressbarkeit.

Neben den geopolitischen Risiken ist die Preisvolatilität ein ernst zu nehmender Faktor. Stark schwankende Preise für Lithium, Kobalt oder Nickel – teilweise mit Steigerungen von mehreren Hundert Prozent innerhalb weniger Monate – erschweren langfristige Investitionen, gefährden die Planbarkeit und treiben die Produktionskosten in die Höhe.[4] Viele mittelständische Unternehmen sehen sich nicht in der Lage, derartige Preissprünge etwa durch Hedging[5] abzufedern.

Damit ist klar: Engpässe treffen nicht nur Großkonzerne, sondern vor allem den industriellen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Unternehmen, die nicht über globale Einkaufsstrukturen oder langfristige Verträge verfügen, geraten bei Lieferengpässen schnell ins Hintertreffen. Die Folgen reichen von Produktionsstillständen über Arbeitsplatzverluste bis hin zur Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland. Im Kern geht es allerdings nicht nur um operative Beschaffungsprobleme – es geht um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland.

Die Sicherung der Rohstoffversorgung ist nicht mehr nur eine betriebswirtschaftliche Aufgabe einzelner Unternehmen, sondern eine strategische Herausforderung für Politik und Wirtschaft. Mit der „Rohstoffstrategie der Bundesregierung“, dem EU Critical Raw Materials Act und dem Rohstofffonds der Kreditanstalt für Wiederaufbau wurden hierfür wichtige Grundlagen geschaffen. Folgen muss nun ein koordiniertes und ambitioniertes Handeln. Ziel ist es, Investitionen in Rohstoffgewinnung, -verarbeitung und -recycling zu unterstützen und zu erleichtern, einen Teil der dazu notwendigen Prozesse wieder in die Europäische Union zurück zu verlagern und die strategische Diversifizierung der Importquellen unserer Unternehmen voranzutreiben. Für Deutschland und Europa bedeutet dies im Hinblick auf die Rohstoffgewinnung, neue Rohstoffpartnerschaften zu entwickeln – auch jenseits unserer klassischen „Wertepartner“, um die Wirtschaft bei der Rohstoffbeschaffung politisch zu flankieren und zu unterstützen. Die rohstoffreichen Länder erwarten im Gegenzug für ihre Rohstoffe eine Stärkung der Wertschöpfung vor Ort – von der Weiterentwicklung des Bergbausektors bis hin zur Schaffung von Weiterverarbeitungskapazitäten entlang der Wertschöpfungskette. Hier müssen wir verstärkt ansetzen, um die Diversifizierung voranzubringen.

 

Interessengeleitete Rohstoffpolitik

Neue Initiativen wie der Aufbau einer strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Zentralasien verbunden mit Investitionen im Rahmen des Global Gateway-Programms[6] zeigen, dass eine weitere Diversifizierung möglich ist. Solche Allianzen müssen ausgebaut werden – mit den Schwerpunkten Zugang zu Lagerstätten, der Entwicklung von lokalen Industrien entlang der Wertschöpfungskette, gemeinsame Standards und langfristige Investitionssicherheit. Auch die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung müssen gezielt eingesetzt werden, um deutsche Unternehmen beim Markteintritt zu unterstützen.

Zieht sich Deutschland aus strategischen Märkten zurück, überlassen wir das Feld Akteuren wie China oder Russland – mit weitreichenden Folgen. Eine rein auf „like-minded Staaten“ basierende Außenwirtschaftspolitik verkennt die Realität auf den Weltmärkten. Die europäische und deutsche Rohstoffpolitik muss interessengeleitet sein: wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und strategisch.

Ziel der neuen Bundesregierung in der Rohstoffpolitik muss es sein, Abhängigkeiten zu reduzieren, die Versorgungssicherheit zu erhöhen und die Eigenverantwortung der Unternehmen zu stärken. Dabei gilt: Staatliche Flankierung darf private Initiative nicht ersetzen, sondern muss sie gezielt ergänzen. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht dazu einige wichtige Maßnahmen im Rohstoffbereich vor. So soll die Bevorratung wichtiger Rohstoffe erleichtert werden. Ein mögliches Instrument wäre die Schaffung steuerlicher Anreize für Unternehmen für die Bevorratung wichtiger Rohstoffe, ohne das Steueraufkommen zu belasten. Darüber hinaus wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, den Rohstofffonds der Bundesregierung mit zusätzlichen Mitteln auszustatten, um Projekte zur Gewinnung und Weiterverarbeitung kritischer Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft zu stärken.

Die neue Bundesregierung will die heimische Rohstoffgewinnung durch eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtern. Auch die Länder sind in der Verantwortung, dazu ihren Beitrag zu leisten.

Zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft und des Recyclings soll die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie pragmatisch umgesetzt werden. Wichtig sind dabei Technologieoffenheit, klare Investitionsanreize und ein realistischer Zeitrahmen für die Implementierung notwendiger industrieller Verfahren und Prozesse. Recyclingfähigkeit, Produktsicherheit und Wirtschaftlichkeit müssen gemeinsam betrachtet werden, und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft muss im Mittelpunkt stehen.

Die künftige Resilienz der Rohstofflieferketten in Deutschland und Europa hängt maßgeblich auch davon ab, wie schnell und effizient innovative Technologien und Verfahren im großen industriellen Maßstab umgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang kommt der Forschung und Entwicklung eine zentrale Bedeutung zu. Nur durch sie können die gewonnenen Erkenntnisse effizient in die industrielle Praxis überführt werden, um die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft nachhaltig zu stärken.

In der Außen- und Entwicklungspolitik wird sich die neue Bundesregierung wieder stärker an unseren wirtschaftspolitischen Interessen orientieren. Die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung werden strategisch ausgerichtet und finanziell gestärkt. Dadurch können wir auch zu einer größeren Versorgungssicherheit beitragen.

Die Sicherung der Rohstoffversorgung ist kein Selbstläufer, sondern eine politische Gestaltungsaufgabe: In einer zunehmend fragmentierten Weltordnung und angesichts wachsender geoökonomischer Spannungen bedarf es einer Rohstoffpolitik, die nicht nur auf Krisen reagiert, sondern auch strategisch vorsorgt: auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Deutschland sollte hierzu auch seine Wirtschafts-, Außen- und Entwicklungspolitik enger miteinander verzahnen – auch, um anderen Staaten das Feld nicht zu überlassen.

Die Sicherung unserer Rohstoffversorgung ist weit mehr als ein industriepolitisches Spezialthema. Stabile Rohstofflieferketten bedeuten Wirtschaftssicherheit. Wer Wertschöpfung und Wohlstand in Deutschland erhalten will, muss die Rohstoffsicherheit zur Chefsache machen.
 

Stefan Rouenhoff, geboren 1978 in Goch (Kreis Kleve), Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, seit 2025 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

 

[1] Deutsche Rohstoffagentur (DERA): DERA Rohstoffinformationen 56. DERA-Rohstoffliste 2023. Angebotskonzentration bei mineralischen Rohstoffen und Zwischenprodukten – potenzielle Preis- und Lieferrisiken, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Berlin, Mai 2023, www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/DERA_Rohstoffinformationen/rohstoffinformationen-56.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [letzter Zugriff: 23.05.2025].
[2] RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Rohstoffnachfrage 2045: Ressourcen sichern, Zukunft bauen. Perspektiven für mineralische Primär- und Sekundärrohstoffe. Studie im Auftrag des Bundesverbands Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs), Essen, März 2025, https://cdn.prod.website-files.com/664355396b105bd9a4e9cadb/67e68247988a76b6c758f80c_Steine-Erden-Rohstoffstudie%202025%20-%20RWI.pdf [letzter Zugriff: 23.05.2025].
[3] „Dual Use“ bedeutet die Verwendbarkeit einer Anlage oder eines Wirtschaftsgutes sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke [Anm. d. Redaktion].
[4] Der Preis für Lithiumcarbonat stieg von etwa fünf Euro pro Kilogramm im Jahr 2020 auf ein Allzeithoch von rund 77 Euro pro Kilogramm im April 2022 – ein Anstieg um mehr als 1.400 Prozent. Anschließend fiel der Preis bis Anfang 2025 wieder auf unter zehn Euro pro Kilogramm, was einem Rückgang um über 85 Prozent entspricht.
[5] "Unter Hedging versteht man die Absicherung von Wertpapierpositionen gegen eine negative Kursentwicklung durch den Kauf beziehungsweise Verkauf von Derivaten, die geeignet sind, von derselben Kursentwicklung zu profitieren. Besonders Wechselkursrisiken werden durch Hedging-Transaktionen abgesichert, zum Beispiel von stark exportabhängigen Unternehmen. Auch Rohstoffpreise werden von Unternehmen gern abgesichert, die von deren Entwicklung stark abhängig sind, wie etwa Fluggesellschaften." [Quelle: F.A.Z. Börsenlexikon, Anm. d. Redaktion].
[6] „Global Gateway“ („Tor zur Welt“) ist eine Initiative der Europäischen Union, die von der Europäischen Kommission und dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik am 1. Dezember 2021 vorgestellt wurde. Ziel ist, zwischen 2021 und 2027 eine Summe von bis zu 300 Milliarden Euro in den Bereichen Digitales, Energie und Verkehr zu investieren sowie Gesundheits-, Bildungs- und Forschungssysteme in Schwellen- und Entwicklungsländern sowie weltweit zu stärken [Anm. d. Redaktion].

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