Asset-Herausgeber

von Viktor Frank

Proteste und Inflationsbekämpfung in der Mongolei

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Anfang April 2022 wurde in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar lautstark gegen die Politik der mongolischen Regierung protestiert. Unmittelbarer Auslöser der Proteste waren Äußerungen einiger Politiker, die jungen Menschen mangelnden Patriotismus vorwarfen und die Bevölkerung zu mehr Sparsamkeit in ihrem Konsum aufriefen. Vor allem die Aufforderung zum Sparen stieß in der Mongolei, in der etwa dreißig Prozent der Bürgerinnen und Bürger schon jetzt unter der Armutsgrenze leben, auf wenig Verständnis. In der zurzeit wirtschaftlich angespannten Situation verschärfen fehlende Zukunftsperspektiven und die immense Inflation den Ärger der jungen Generation zusätzlich.

Beflügelt durch die Hoffnung auf eine sich erholende Weltwirtschaft, verabschiedete die mongolische Regierung Ende 2021 eine ambitionierte New Revival Policy: Mit großangelegten Investitionen in die einheimische Wirtschaft und durch die Implementierung zahlreicher Projekte vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Energie sollte die Entwicklung des Landes vorangetrieben werden. Der Corona-Ausbruch in China und der russische Überfall auf die Ukraine, der Transporte durch Russland und damit den Handel mit der Europäischen Union erheblich erschwert, zerstörten die Hoffnung auf eine rasche Erholung der mongolischen Wirtschaft. Der Mangel an ökonomisch sinnvollen alternativen Handelsrouten wirkt sich aktuell besonders gravierend auf die Wirtschaft des zwischen Russland und China liegenden Binnenstaates aus. Bereits einige Wochen nach Verabschiedung der neuen Politikziele wurde deutlich, dass der ehrgeizige Plan zu scheitern droht.

Mit einer für 2022 prognostizierten Inflationsrate zwischen 14 und 15,5 Prozent erlebt die Mongolei zurzeit die stärkste Preissteigerung seit 2008. Selbst in der Krise Mitte der 2010er-Jahre blieben die Preise sowie der Wechselkurs der Landeswährung stabiler. Weltweit gestiegene Preise für Energieträger, Lebensmittel und Dünger treiben auch in der Mongolei, die alle Ölprodukte und 88 Prozent der Düngemittel sowie einen Großteil seiner Lebensmittel aus Russland und China importiert, die Inlandspreise nach oben. Hinzu kommt eine geringe Warenverfügbarkeit infolge der bereits seit Oktober 2021 aufgrund der Corona-Pandemie geschlossenen Grenze zu China. Der Warenimport wird auch durch die mangelnde Verfügbarkeit von Devisen erschwert. Die drastischen Eingriffe der russischen Zentralbank in den Devisenhandel in Russland führten dazu, dass russische Staatsbürger und Firmen auf den mongolischen Devisenmarkt zurückgriffen. Die Mongolei musste daraufhin den Devisenumtausch einschränken. Die mongolische Zentralbank schätzt, dass der Ukraine-Krieg allein für drei bis fünf Prozentpunkte der Inflation verantwortlich ist.

Die rigide chinesische Zero-COVID-Politik erschwert nicht nur den Warenimport, sondern auch den Export von Rohstoffen. Aufgrund logistischer Einschränkungen konnte die stark von Rohstoffeinnahmen abhängige Mongolei 2021 nur bedingt von der weltweit gestiegenen Rohstoffnachfrage profitieren. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im letzten Jahr nur um 1,4 Prozent, nachdem es 2020 um 4,4 Prozent eingebrochen war. Im ersten Quartal 2022 brachen der Rohstoffexport um 34,8 Prozent und die Industrieproduktion um 24,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein.

Aktuell konzentriert sich die Regierung auf die Unterstützung der Bevölkerung und die Bekämpfung der grassierenden Inflation. Die dazu ergriffenen Maßnahmen erscheinen teilweise konträr zueinander. Die Anhebung der Mindestrente sowie des Mindestlohnes um 29,7 Prozent beziehungsweise 31 Prozent Anfang 2022 ohne Wirtschaftswachstum oder eine gesteigerte Warenverfügbarkeit droht die Geldentwertung zu beschleunigen. Gleichzeitig versucht die Regierung, mit steuerlichen Entlastungen von Importeuren von Erdölerzeugnissen sowie mit direkter Unterstützung von Fleisch- und Mehlproduzenten die Preissteigerung der wichtigsten Konsumgüter in den Griff zu bekommen. Noch im Vorjahr wurde versucht, die Benzinpreise mit gesetzlich geregelten Höchstpreisen einzudämmen. Dieser Versuch endete mit einer landesweiten wochenlangen Benzinknappheit, als die Einkaufspreise die Verkaufspreise überschritten. Dass der Staat in der jetzigen Situation gleichzeitig eine strategische Reserve der genannten Produkte aufzubauen sucht und damit die Nachfrage steigert, konterkariert die Maßnahmen zumindest teilweise.

Die Steigerung der Staatsausgaben erhöht die Staatsverschuldung auf 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Staatsschulden stiegen erst kürzlich durch die immense staatliche Unterstützung während der Coronakrise massiv. Die geleisteten Hilfen summieren sich auf bis zu achtzehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Staatliche Bemühungen zur Erhöhung der Devisenreserven des Landes strapazieren den Haushalt zusätzlich.

Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und der galoppierenden Inflation Einhalt zu gebieten, muss die mongolische Regierung nach Ansicht der Weltbank primär zu einer Geldpolitik mit glaubwürdigen Inflationsankern zurückkehren. Der Leitzins müsste angehoben und der Wechselkurs freigegeben werden, um negative externe Schocks absorbieren zu können. Darüber hinaus müsste der Haushalt konsolidiert werden, um weitere Schulden zu vermeiden und notwendige Investitionen zu ermöglichen.

Die mongolische Regierung steht vor einem Dilemma: Es müssten schmerzhafte Reformen umgesetzt und staatliche Subventionen sowie Transferzahlungen reduziert werden, um die Inflation einzudämmen. Gleichzeitig muss sie die Bevölkerung unterstützen, um weitere Proteste zu vermeiden. Die kürzlich beschlossene Budgetanpassung, bereits die zweite in diesem Jahr, enthält keine Hinweise auf eine Haushaltskonsolidierung. Während mehrstündiger Verhandlungen mit den Demonstranten auf dem Hauptplatz des Landes versprach der mongolische Premierminister, die Lebensbedingungen und die wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern sowie die Inflation zu bekämpfen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie er diese Versprechen gleichzeitig erfüllen kann.

 

Viktor Frank, geboren 1980 in Kasachstan, Leiter des Auslandsbüros Mongolei der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Ulaanbaatar.

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