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Die Welt der Kommunisten

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Einen größeren Unterschied zu den anarchistischen Autonomen kann es kaum geben. Kommunisten sind der festen Auffassung, dass Politik und Revolution nur mit einer festen Organisation, mit verbindlichen Plänen und mit eiserner Disziplin erfolgreich sein können.

Im Zentrum dieser Organisation steht die autoritär – nach den Grundsätzen des sogenannten „Demokratischen Zentralismus“ (siehe auch Marxistische bzw. marxistisch-leninistische Terminologie) – geführte Kommunistische Partei. Für Kommunisten ist sie geradezu Heimat und Mutter. Die Parteihymne der SED dichtete dazu: „Sie hat uns alles gegeben – Wärme und Licht und das Leben“ (1). Der Alltag eines Kommunisten hat den „Parteiauftrag“ stets im Blick, das Private ist für ihn politisch. Er hat nie „frei“ – als Revolutionär ist er in allen Lebenslagen für die Partei unterwegs. „Wo ein Kommunist ist, da ist die Kommunistische Partei“ – egal ob er sich in einer Elternversammlung, in seiner Gewerkschaft oder im Sportverein bewegt. Um ihre „Kampfgemeinschaft von Gleichgesinnten“ möglichst eng zusammenzuhalten, haben die Kommunisten versucht, für alle Lebenslagen eigene Institutionen zu schaffen. Das begann mit den „Pionieren“ im Vorschulalter und endete mit eigenen Feuerbestattungsvereinen und Begräbnisritualen (2).

So etwas funktioniert natürlich heute nicht mehr, und selbst strenge marxistisch-leninistische Polit-Sekten wie die MLPD, deren Mitglieder bevorzugt untereinander verkehren, halten die reine Lehre einer kommunistischen „Gegengesellschaft“ nicht mehr durch. Außerdem bedeutet es nicht, dass sich Marxisten-Leninisten abkapseln. Im Gegenteil: Sie wissen, dass sie ihre Ziele nur unter der vorübergehenden Ausnutzung von „Bündnispartnern“ erreichen können. Die suchen sie unter demokratischen Linken, und so sind Kommunisten (fast) überall anzutreffen, wo Protest gegen Missstände unserer Gesellschaft artikuliert wird. Zu ihren unerfreulichen Eigenschaften gehört allerdings, dass sie in solchen Bündnissen nicht mit offenen Karten spielen. Häufig geben sie sich nicht als Kommunisten zu erkennen, besprechen ihre Strategie zuvor innerhalb der Partei, erobern mit gezielten und von außen oft nicht erkennbaren Taktiken Posten, um unerwünschte Mitspieler auszuschalten – loyal sind sie in Protestbündnissen nur, solange diese ihren langfristigen Zielen dienen. Dieses Verhalten wird von demokratischen Linken häufig als „Avantgardeanspruch“ beanstandet. Die Kritik trifft den Kern der antidemokratischen Verhaltensmuster kommunistischer Kader: Sie sind sicher, im Besitz der „richtigen“ Lösung für alle Probleme zu sein und – wie schon Marx im „Kommunistischen Manifest“ formulierte – allen anderen die Einsicht in den Gang der Geschichte vorauszuhaben.

Wer sich einem kommunistischen Milieu zurechnet, kann sich sehr unterschiedlich verhalten. Auf der einen Seite findet man sozial engagierte, kommunikative und für die Armen, Schwachen und Unterdrückten anscheinend selbstlos tätige Menschen. Viele Kommunisten hatten in den Gewerkschaften und als Betriebsräte wegen ihres kompromisslosen Eintretens für die Belegschaften einen sehr guten Ruf - auch unter nicht kommunistischen Arbeitern. Aber der Kommunist wird auf der anderen Seite unbedenklich lügen, betrügen, intrigieren und diffamieren, wenn es der Partei nützt. Da kennt er keine menschlichen Rücksichtnahmen oder ethischen Bedenken. Die Partei hat ihm anerzogen: Moralisch ist, was der Revolution und der Arbeiterklasse nützt, unmoralisch ist, was ihr schadet.

Dieses eiserne Festhalten an der Vorstellung, dass „die Partei immer recht“ hat, macht hartgesottene Kader kommunistischer Organisationen nicht nur häufig unfähig, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, sondern auch unwillig, Tatsachen und Fakten zu akzeptieren, die ihren Überzeugungen zuwiderlaufen. Selbst unter den Intellektuellen halten sich zäh und unbeugsam bestimmte Geschichtslegenden (wie z.B. die von der „sozialen“ DDR oder dem „friedliebenden“ Realsozialismus – siehe auch War die DDR ein „Friedensstaat“?). Bei vielen Kommunisten ist keineswegs per se klar, dass sie beispielsweise in solchen Fällen bewusst und vorsätzlich die Unwahrheit sagen. Sie versuchen nur, die Realität mit ihrer kommunistischen Überzeugung in Übereinstimmung zu bringen. Und demnach kann es im Sozialismus eben nur sozialer zugehen als im „Kapitalismus“ – unabhängig von der verdeckten Arbeitslosigkeit, dem Wohnungsmangel, den Versorgungsengpässen und den schäbigen Renten, die es in der DDR tatsächlich gab (siehe auch Ermöglichte die DDR-Planwirtschaft einen hohen Lebensstandard?). Kommunisten lernen nicht nur, ein bereits gescheitertes Gesellschaftsmodell als Paradies zu verkaufen – sie lernen auch, sich selbst zu belügen.

 

Rudolf van Hüllen

(1) Die SED-Parteihymne unter dem bezeichnenden Titel „Die Partei hat immer recht“ wurde von dem kommunistischen Dichter Louis Fürnberg getextet.

(2) Zu diesen kommunistischen Milieus und ihren oft menschenfeindlichen Auswirkungen gab es schon aus den 1950er Jahren entsprechende Schilderungen, z.B. von Ralph Giordano, Die Partei hat immer Recht, Köln 1957. Wie eine moderne Partei funktionierte, beschrieb der Aussteiger Peter Schütt: Mein letztes Gefecht. Abstieg und Beichte eines Genossen, Böblingen 1992. Ferner aus detaillierter wissenschaftlicher Sicht Till Kösler, Abschied von der Revolution. Kommunisten und Gesellschaft in Westdeutschland 1945–1968, Düsseldorf 2005.

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