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Carl Schröter, Portraitfoto Carl Schröter, Portraitfoto © Landesarchiv Schleswig-Holstein

Carl Schröter

Philologe, Lehrer, Landesvorsitzender der CDU, Landtagsabgeordneter, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, Mitglied im Bundesvorstand der CDU, Mitglied des Deutschen Bundestags 29. Mai 1887 Neustadt/Holstein 25. Januar 1952 Kiel
von Andreas Grau
Die Gründung der CDU in Schleswig-Holstein ist ohne Carl Schröter nicht denkbar, der von 1946 bis 1951 die „unbestrittene Führungsfigur“ der Partei war (Peter Wulf). Als Mitglied des Parlamentarischen Rates war er auch am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland entscheidend beteiligt. Aufgrund seines frühen Todes ist er jedoch heute weitgehend vergessen.

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Herkunft, Studium und Beruf

Über das Leben Carl Schröters vor 1945 ist nur wenig bekannt, da er keine Erinnerungen verfasst hat und sein Nachlass als verschollen gilt. Er wurde am 29. Mai 1887 in Neustadt/Holstein geboren. Sein Vater war Beamter. In Kiel ging Schröter zur Schule und legte dort 1907 das Abitur ab. Anschließend begann er in hier  ein Geschichts- und Philologiestudium, das er in Halle fortsetzte. Offenbar schloss er sich während des Studiums einer schlagenden Studentenverbindung an, denn Jörg-Dieter Gauger berichtet, er habe bei einer Mensur ein Auge verloren. Dadurch war er vom Kriegsdienst befreit und nahm nicht am Ersten Weltkrieg teil. Ab 1918 war er als Lehrer in Kiel tätig. Er verließ den Schuldienst 1922 und setzte seine Berufstätigkeit als Sprachlehrer an der Marineschule für Verwaltung und Wirtschaft fort.

Unmittelbar nach Kriegsende gehörte er in Schleswig-Holstein zu den Gründern der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) und wurde deren Vorsitzender. Bei den  Landtagswahlen 1924 wurde er für die DVP in den Preußischen Landtag gewählt, dem er aber nur bis 1928 angehörte. Innerhalb der Partei gehörte Schröter zu den Anhängern Gustav Stresemanns, also zum gemäßigten Flügel. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde er wohl aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. Weiteres ist zu den Hintergründen seiner Entlassung  nicht bekannt. Seinen Lebensunterhalt verdiente er bis Kriegsende als privater Sprachlehrer. Später gab er an, in dieser Zeit mehrfach von der Gestapo verhört worden zu sein.

 

CDU-Gründer in Kiel

Nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ engagierte sich Schröter in Kiel sogleich für die Gründung einer liberalen Bürgerpartei. Zusammen mit dem Kieler Oberbürgermeister Max Emcke, dem Historiker Otto Becker, dem evangelischen Pastor Paul Husfeld und dem Verleger Willi Koch  beriet er schon am 8. August 1945 über die Bildung einer liberal-konservativen Partei nach angelsächsischem Muster. Da sich auch in anderen Orten in Schleswig-Holstein ähnliche Zirkel gebildet hatten, nahm Schröter, der keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachging, zu diesen Kontakt auf, mit dem Ziel, sich organisatorisch und programmatisch miteinander abzustimmen. Bei der Konferenz aller Gründunggruppen in Schleswig-Holstein am 30. Oktober 1945 in Plön gehörte Schröter neben Hans Schlange-Schöningen zu den beiden Hauptrednern. In den folgenden Wochen reiste er unablässig durchs Land und warb für die Idee einer neuen Partei.

Nachdem die Britische Militärregierung am 10. Dezember 1945 die Gründung von Parteien auf Landesebene erlaubt hatte, lud Schröter die verschiedenen bürgerlichen Gruppen aus Schleswig-Holstein für den 4. Januar 1946 nach Rendsburg ein. Dort einigte man sich auf die Gründung einer Landespartei mit dem Namen „Demokratische Union“ und Schröter wurde zum Vorsitzenden  gewählt. Im überwiegend protestantischen Schleswig-Holstein gab es noch große Bedenken gegen die Verwendung der Bezeichnung „christlich“ im Parteinamen. Als Beobachter nahm Schröter dann an der 1. Tagung des Zonenausschusses der CDU für die britische Zone am 22./23. Januar 1946 in Herford teil. Nach seiner Rückkehr rief er die Demokratische Union am 15. Februar 1946 erneut in Rendsburg zusammen und setzte dort deren Umbenennung und ihren Anschluss an die CDU durch, in der er seine Vorstellung einer bürgerlichen Sammlungspartei verwirklicht sah. Um den Anschluss und den Einfluss auf die parteipolitische Entwicklung in der übrigen britischen Zone nicht zu verlieren, nahm Schröter dabei auch die Abspaltung liberaler Gruppen in Kauf, die zur FDP abwanderten.

Danach begann der mit einem außerordentlichen rednerischen Talent ausgestattete Schröter mit dem Aufbau der CDU in Schleswig-Holstein. Ende 1946 zählte die Partei bereits 14.000 Mitglieder.  Nicht nur die organisatorische, sondern auch die politische Führung der CDU lag ganz in Schröters Hand.  Neben seiner dominierenden Rolle in der CDU in Schleswig-Holstein war er als Vorstandsmitglied der CDU in der Britischen Zone und  Landesvorsitzender bald auch in der gesamten Zone bekannt. Gemeinsam mit Konrad Adenauer, dem CDU-Vorsitzenden in der britischen Zone, war Schröter bestrebt, den Führungsanspruch des Berliner Gründerkreises der CDU um Jakob Kaiser abzuwehren.

 

Landesvorsitzender und Oppositionsführer

Im Februar 1946 wurde Schröter von den Briten zum Landtagsabgeordneten bestimmt. Im ersten, ernannten Landtag von Schleswig-Holstein  übernahm er sogleich die Führung der CDU-Fraktion. Obwohl er kein Regierungsamt innehatte, versuchte er die ernannte Landesregierung aus SPD und CDU unter Ministerpräsident Theodor Steltzer (CDU) in seinem Sinne zu beeinflussen. Wegen des autokratischen Führungsstils Schröters kam es im Februar 1947 zum offenen Konflikt zwischen der CDU-Fraktion einerseits und den CDU-Ministern in der Landesregierung andererseits.  Steltzer kündigte deswegen Anfang April 1947 an, nach der Landtagswahl nicht erneut als Ministerpräsident zur Verfügung zu stehen. Mit dem Rückzug Steltzers aus der Politik hatte sich  Schröter gegen den Ministerpräsidenten und dessen Anhänger durchgesetzt.

Durch das Ergebnis der Landtagswahl vom 20. April 1947, die der SPD die absolute Mehrheit der Mandate brachte, wurde die CDU allerdings in die Opposition verwiesen. Schröters scharfe Frontstellung gegenüber den Sozialdemokraten kam nun voll zur Entfaltung. Um die Vormachtstellung der SPD im Land zu brechen, schmiedete er im Winter 1949/50 ein bürgerliches Wahlbündnis aus CDU, FDP und DP (Deutsche Partei). Die Zusammenarbeit mit der DP, in der es immer wieder zu rechtsextremen Vorfällen kam, sorgte in der CDU jedoch für Kritik. Doch auch diesmal konnte sich Schröter Mitte Januar 1950 im CDU-Landesvorstand durchsetzen.

Bei der Landtagswahl am 5. Juli 1950 wurde der Deutsche Wahlblock (36,4%) dann tatsächlich zur stärksten Kraft und konnte die SPD (27,5%) überflügeln. Allerdings war man zur Regierungsbildung auf die Zusammenarbeit mit der neuen Flüchtlingspartei Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) angewiesen, die zur zweitstärksten Partei nach der SPD geworden war. Anfang August verständigten sich  Wahlblock und BHE auf eine Koalition und am 5. September 1950 wurde der CDU-Politiker Walter Bartram zum Ministerpräsidenten gewählt.  Schröter schied mit der Wahl aus dem Landtag aus und konzentrierte sich nun stärker auf seine Tätigkeit im Deutschen Bundestag, wo er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses war.

 

Mitglied des Parlamentarischen Rates

Der Politikbetrieb in Bonn war Schröter nicht fremd, da er bereits 1948/49 als Mitglied des Parlamentarischen Rates die Stadt am Rhein kennengelernt hatte. Er gehörte zu den zwei Mitgliedern, die von der CDU Schleswig-Holstein für die Ausarbeitung des Grundgesetzes ausgewählt worden waren. Im Parlamentarischen Rat gehörte Schröter dem Wahlrechtsausschuss und dem Ausschuss für die Organisation des Bundes an. Wegen seiner  Erfahrungen mit dem Untergang der Weimarer Republik setzte er sich vehement für die Einführung eines Mehrheitswahlrechtes nach britischem Vorbild ein. Nur dadurch könne die Demokratie krisenfest gemacht werden, glaubte Schröter. Das Mehrheitswahlrecht sorge für ein Zweiparteiensystem und damit für die klare Zuweisung der Regierungsverantwortung.  Eine Regierungskoalition bedeute hingegen Kompromiss und trage von Anfang an den Kern des Zerfalls in sich. Außerdem trat Schröter für die Bildung von Flüchtlingswahlkreisen ein. Mit seinen Vorstellungen konnte er sich allerdings im Parlamentarischen Rat nicht gegen die Haltung von SPD, FDP und KPD durchsetzen.

 

Die Auseinandersetzung Schröter-Bartram

Schröter gehörte seit 1949 dem Deutschen Bundestag an und ab Oktober 1950 war er auch Mitglied im Bundesvorstand der CDU, deren Gründungsstatut seine Unterschrift trägt. Dennoch machte er als Landesvorsitzender weiterhin seinen Einfluss in Schleswig-Holstein geltend. Zu Ministerpräsident Bartram bestanden von Anfang an Spannungen, da er diesen für politisch zu unerfahrenen und zu kompromissbereit hielt. Ende 1950 begann Schröter deshalb, im Land offen gegen Bartram zu agieren. Im Mai 1951 kam es schließlich zum Bruch zwischen den beiden, als der Ministerpräsident sich weigerte, eine Vertrauenserklärung des Landesvorstandes für Schröter zu unterstützen. Am nächsten Tag beantragte er sogar ein Ehrengerichtsverfahren gegen Schröter wegen dessen Verhaltens bei der Übernahme der Kieler Nachrichten. Zwar waren diese Vorwürfe auch schon 1950 im Landtag zur Sprache gekommen, aber Schröter war schließlich im Februar 1951 gegen eine Abfindung aus der „Kieler Nachrichten GmbH“ ausgeschieden. Das von Bartram angerufene Parteigericht  entkräftete deshalb am 11. Mai 1951 die Vorwürfe und sprach Schröter frei. An dem öffentlichen Streit zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Landesvorsitzenden drohte inzwischen die gesamte Partei zu zerbrechen. Daher drängten Mandatsträger der Landespartei – darunter Innenminister Paul Pagel, der Bundestagsabgeordnete Detlef Struve, Landrat Friedrich-Wilhelm Lübke und der Landtagsabgeordnete Kai-Uwe von Hassel – auf einer Sitzung in Oeversee am 3. Juni 1951 sowohl Schröter als auch Bartram zum Rücktritt. Als Nachfolger in beiden Ämtern war Lübke vorgesehen. Mit seinem Rücktritt als Landesvorsitzender auf der Sitzung des Landesausschusses am 16. Juni 1951 schied  Schröter schließlich aus der  Landespolitik aus. Damit endete die „Ära Schröter“ in Schleswig-Holstein.

 

Fazit

Von 1946 bis 1951 war Carl Schröter zweifellos die dominierende Figur der CDU Schleswig-Holsteins. Mit seiner Energie, seinem Organisationstalent und seinen Fähigkeiten als Redner legte er das Fundament  der Partei und baute eine gut funktionierende Organisation auf. Ohne seine Leistungen wäre die führende Rolle der CDU in Schleswig-Holstein zwischen 1950 und 1987 nicht vorstellbar. In der täglichen Politik im Landtag und in der Zusammenarbeit mit der Landesregierung war sein kompromissloses und konfrontatives Politikverständnis aber eher von Nachteil. Auch sein Führungsstil als Landesvorsitzender geriet zunehmend in die Kritik. Hier ließ Schröter oft jedes Fingerspitzengefühl vermissen und agierte auch ohne Rücksicht auf das Land und die Partei. Sein Bild in der Geschichte der CDU Schleswig-Holsteins ist deshalb umstritten.

Nach seinem Rückzug aus der Landespolitik vertrat  Schröter die CDU weiterhin  als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und war  Mitglied im Bundesvorstand der CDU. Am 25. Januar 1952 verstarb er in Kiel plötzlich an Herzversagen.

Lebenslauf

  • 29. Mai 1887 geboren in Neustadt/Holstein, evangelisch
  • 1907 Abitur in Kiel
  • 1907–1912 Studium der Philologie und Geschichte in Kiel und Halle
  • 1918 Gymnasiallehrer in Kiel
  • 1918 Gründer der DVP in Schleswig-Holstein
  • 1918–1933 Vorsitzender der DVP in Schleswig-Holstein
  • 1922–1933 Lehrer an der Marinefachschule in Kiel
  • 1933 entlassen aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
  • 1933–1945 Privatlehrer für Sprachen
  • 1945 Gründer der CDU in Kiel
  • 1946–1951 Vorsitzender der CDU Schleswig-Holstein
  • 1946–1950 Mitglied des Zonenausschusses der CDU in der Britischen Zone
  • 1946–1950 MdL Schleswig-Holstein
  • 1948/49 Mitglied des Parlamentarischen Rates
  • 1949–1952 MdB

Literatur

Helmuth Mosberg: 50 Jahre CDU Schleswig-Holstein 1946–1996, Kiel 1996.

Adenauer: Es mußte alles neu gemacht werden. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1950-1953, bearb. Von Günter Buchstab, Stuttgart 1986.

Horstwalter Heitzer: Die CDU in der britischen Zone 1945-1949, Düsseldorf 1988.

Jörg-Dieter Gauger: Carl Schröter (1887-1952), in: Günter Buchstab/Hans-Otto Kleinmann (Hg.): In Verantwortung vor Gott und den Menschen. Christliche-Demokraten im Parlamentarischen Rat 1948/49, Freiburg/Basel/Wien 2008, S. 321–329.

Jürgen Hartwig Ibs: Landtage in Schleswig-Holstein – ernannt und gewählt 1946–1996, Kiel 1996.

Peter Wulf: Der Landesfürst, in: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte Nr. 132/2007, S. 212–254.

Ders.: Sammlung rechts von der Sozialdemokratie, in: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte, ZSHG 126/2001, S. 119-156.

 

Nachlass unbekannt.

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