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Christa Thoben bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Januar 2011. Christa Thoben bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Januar 2011. © KAS/Marie-Lisa Noltenius

Christa Thoben

Landesministerin, Senatorin Diplom-Volkswirtin 1. August 1941 Dortmund
von Denise Lindsay M.A.
„Ran an die Wirklichkeit“ – dieses Motto prägt das Leben und Handeln von Christa Thoben. In ihrer Karriere gelingt ihr erfolgreich der berufliche Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik, wobei sie auf beiden Feldern reüssieren und herausragende Positionen erreichen kann.

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Herkunft und Ausbildung

Christa Thoben kommt am 1. August 1941 als Tochter eines Textilkaufmanns und ältestes von drei Kindern in Dortmund zur Welt. Auch ihre Mutter war bis zur Geburt der Kinder in der Textilbranche tätig. Gesellschaftliches Engagement und ein modernes Frauenbild sind in der Familie an der Tagesordnung. Für die Eltern steht fest, dass auch die Tochter eine gute Ausbildung erhalten soll.

Nach dem Besuch des Gymnasiums und dem 1961 abgelegten Abitur studiert sie an den Universitäten Münster, Wien und Innsbruck Volks- und Betriebswirtschaftslehre und schließt ihr Studium 1966 an der Universität Münster als Diplom-Volkswirtin erfolgreich ab. Danach beginnt sie ihre berufliche Tätigkeit als Wissenschaftliche Referentin am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, wo sie bis 1977 in dieser Funktion arbeitet. Von 1978 bis zu ihrem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag 1980 ist Christa Thoben als Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer in Münster tätig.

 

Einstieg in die Politik

Erst nach Abschluss des Studiums beginnt Christa Thoben ihr Engagement in der Politik, 1968 wird sie Mitglied der Jungen Union. Eine Mitwirkung in der Frauen Union – zu diesem Zeitpunkt noch Frauenvereinigung – kommt für sie damals nicht in Frage, da sie, wie sie sagt, „viel zu selbstbewusst“ dafür ist. 1970 wird sie Mitglied der CDU, ihr Hauptinteresse gilt der Wirtschaft, sie sieht die Chance, in der CDU etwas zu bewegen: „Teil des Fortschritts“ zu sein, wie sie selbst formuliert. Zuvor hat sie sich auch bei der FDP und der SPD umgeschaut, beide Parteien kommen für sie allerdings nicht in Betracht. In der CDU schreitet ihre Karriere voran, 1973 bis 1975 ist sie Kreisvorsitzende der JU, 1974 bis 1978 Mitglied im Landesvorstand der JU Westfalen-Lippe und 1976 bis 1978 Landesschatzmeisterin der JU. 1980 gelingt ihr über die Landesliste der Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag, auch 1985 kann sie wieder über die Landesliste in den Landtag einziehen. 1983 bis 1986 ist sie stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Westfalen-Lippe. Im Landtag macht sie als Wirtschafts- und Energieexpertin von sich reden. Sie arbeitet sehr eng mit Kurt Biedenkopf zusammen, der zu diesem Zeitpunkt seinen Landtagswahlkreis in Bochum – ihr Wohnort ist in Wattenscheid – hat. Ihre Beziehung bezeichnet sie als „freundschaftlich“, die Bezeichnung „Ziehkind“ lehnt sie energisch ab, gibt aber dankbar zu, dass ihr die Zusammenarbeit mit Biedenkopf Chancen eröffnet hat. Häufig wird auch die Vermutung geäußert, dass gerade diese Nähe sie Positionen in der Politik gekostet haben könnte, wozu sie aber selbstbewusst sagt: „Wenn meine Nähe zu Kurt Biedenkopf ein Nachteil ist, dann nehme ich den gerne in Kauf.“ (General-Anzeiger Bonn, 19. Februar 2005)

Auf dem Bundesparteitag in Essen 1985 schafft Christa Thoben mit 404 Stimmen erstmals den Sprung in den Bundesvorstand der CDU.

1987 sorgt sie für Schlagzeilen, als sie gegen Bernhard Worms in der Wahl um das Amt des CDU-Fraktionsvorsitzenden im nordrhein-westfälischen Landtag antritt. Sie kündigt an „mit Phantasie und Kreativität die Arbeit der Fraktion und die Ausgangsbasis der CDU für die nächste Wahl verbessern“ zu wollen (Die Welt, 4. Februar 1987). Für Wirbel in der eigenen Partei sorgen Christa Thobens Äußerungen in einem Interview mit der Welt (13. Februar 1987), in dem sie sagt, sie könne sich eine Zusammenarbeit zwischen der CDU und den Grünen durchaus vorstellen, „wenn sie sich zu einem realpolitischen Kurs hin entwickeln und ihr Verhältnis zur Gewalt eindeutig klären“. Allerdings schränkt sie zugleich ein: „Aber ich sehe eine solche Entwicklung nicht.“ Diese Äußerungen schlagen in ihrer Partei hohe Wellen und schaden – so die einhellige Meinung der Zeitungskommentatoren – ihren Chancen bei der Wahl um den Fraktionsvorsitz. Bernhard Worms gewinnt die Wahl am 17. Februar 1987 mit 55 zu 31 Stimmen, Christa Thoben bleibt eine seiner Stellvertreterinnen.

Von 1988 bis 1994 hat sie den Vorsitz des CDU-Bundesfachausschusses Wirtschaft inne. Hier ist es eines ihrer Anliegen, mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, um Frauen die Verbindung von Beruf und Familie sowie den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Sie stellt fest: „Das Prädikat ‚familienfreundlich‘ muss sich die Arbeitswelt erst noch verdienen.“ (Frau und Politik Nr. 5/1988)

 

Wechsel in die Wirtschaft – Hauptgeschäftsführerin der IHK Münster

Schon 1986 lehnt Christa Thoben es ab, Generalsekretärin der NRW-CDU zu werden mit der Begründung: „Ich arbeite gerne als gewählte Parlamentarierin.“ (Bonner Rundschau, 10. Dezember 1986). Auf dem CDU-Landesparteitag am 29. April 1989 in Siegen erzielt sie das beste Wahlergebnis eines Stellvertreters und gilt vielen schon als Favoritin für die Fraktionsspitze. Überraschend kündigt sie im Juni 1989 allerdings an, dem Parlament nach Ablauf der Legislaturperiode im Mai 1990 den Rücken kehren zu wollen, da sie Hauptgeschäftsführerin der IHK Münster werden wird. Damit kommt erstmals eine Frau an die Spitze einer deutschen Industrie- und Handelskammer. Das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt (11. Mai 1990) attestiert ihr, dass ihre „Leidenschaft“ der Wirtschaft gehöre und dass sie „mit unerschütterlicher Sicherheit an die Aufgaben herangeht, die ihr wichtig scheinen“. Die Welt (14. September 1989) konstatiert: „Die ehrgeizige Fachfrau kennt sich in der Ökonomie aus“ und sieht die Chance, dass Thoben eine Brückenfunktion zwischen Wirtschaft und Politik einnehmen kann, denn „der Blutaustausch zwischen Wirtschaft und Politik bleibt dünn“. Da sie ihren Wechsel nicht als einen Ausstieg aus der Politik gewertet wissen will, behält sie ihre Parteiämter bei, 1989 wird sie wieder in den Bundesvorstand gewählt und mit 389 Stimmen zu einer der sieben stellvertretenden Parteivorsitzenden gekürt. (Protokoll des Bundesparteitages in Bremen, 11.-13.09.1989) Sie ist die einzige Kandidatin, die weder ein Mandat noch ein Regierungsamt hat und empfindet dies als Vorteil, denn „ich kann die praktischen Erfahrungen aus dem täglichen Umgang mit Unternehmen und Verwaltungen in die Präsidiumsarbeit einbringen“ (NRZ, 13. September 1989). 1990 wechselt sie in das Präsidium der CDU, wo sie bis zum Jahr 2000 einen Sitz hat.

 

1994 – Rückkehr in die Politik

Ihren wirtschaftspolitischen Sachverstand stellt Christa Thoben ihrer Partei weiterhin zur Verfügung. Auf der Klausurtagung am 14./15. Januar 1994 in Windhagen stimmt der CDU-Bundesvorstand für das Papier „Für Wachstum und Beschäftigung“, das sie zusammen mit dem damaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer verfasst hat. Das Aktionsprogramm wird auf dem 5. Parteitag der CDU am 21. Februar 1994 in Hamburg angenommen.

Nach der Bundestagswahl vom 16. Oktober 1994 wechselt sie im Januar 1995 als beamtete Staatssekretärin in das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, das jetzt von Klaus Töpfer, den sie noch aus Studientagen kennt, geführt wird. Auch hier nimmt sie wieder eine Vorreiterrolle sein: Sie ist erst die zweite Frau – nach Hildegard Hamm-Brücher –, die an der Spitze der Verwaltung eines Ministeriums steht. In ihren Aufgabenbereich fällt auch die Organisation des Umzugs der Regierung von Bonn nach Berlin; eine Tätigkeit, die der „glühenden Berlin-Anhängerin“ (Tagesspiegel, 3. Dezember 1994) viel Freude bereitet. Ihre Arbeitsteilung mit Klaus Töpfer charakterisiert sie im Tagesspiegel (17. September 1997) wie folgt: „Er ist im Außendienst, ich im Innendienst.“

Nachdem die Bundestagswahl am 27. September 1998 für die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl verloren geht, muss auch Christa Thoben ihr Amt als Staatssekretärin aufgeben. Nach einem Erholungsurlaub am Bodensee beschließt sie Ende des Jahres 1998 – neben Jürgen Rüttgers und Helmut Linssen – für den Vorsitz des nordrhein-westfälischen Landesverbandes als Nachfolgerin von Norbert Blüm zu kandidieren. Die Zeit (21. Januar 1999) bezeichnet sie als „Glückskandidatin“, der es gelingen könne, die Partei zu modernisieren, falls diese es denn wolle.

Ihr erneuter Griff nach einem Spitzenamt in der NRW-CDU ist allerdings wieder nicht von Erfolg gekrönt. Auf dem Landesparteitag am 29./30. Januar 1999 in Bonn erhält sie im ersten Wahlgang nur 27,62 Prozent der Stimmen und landet damit auf dem dritten Platz. Gewählt wird im zweiten Jahrgang Jürgen Rüttgers mit 54,98 Prozent der Stimmen. Christa Thoben wird mit 591 von 641 abgegebenen gültigen Stimmen (92,19 Prozent) zu einer der fünf stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. In ihrer Wahlrede auf dem Landesparteitag fordert sie die Delegierten energisch auf „ran an die Wirklichkeit“ zu gehen, denn „es gibt eine veränderte Wirklichkeit, die wir längst nicht ausreichend bei uns aufgenommen haben“.

 

Intermezzo in Berlin und Essen

Im Dezember 1999 nimmt Christa Thoben eine neue Herausforderung an und wird Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur im CDU/SPD-Koalitionssenat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen in Berlin. Die Welt (2. Dezember 1999), die die neue Kultursenatorin – sie löst Peter Radunski ab – als „durchsetzungsstark“ charakterisiert, hofft, dass sie „ihrem schwierigen, weil finanzklammen Doppelressort einen überfälligen Strukturwandel verordnen“ kann.

Nach nur knapp vier Monaten im Amt muss sie allerdings im Streit um das Geld die Reißleine ziehen, erklärt – für viele überraschend – am 23. März 2000 ihren Rücktritt und beendet das „Himmelfahrtskommando“ (Welt am Sonntag, 3. Oktober 2004). Da ihr der nordrhein-westfälischer Landesverband und die Berliner CDU die Unterstützung versagen, gelingt ihr auch der Einzug in das Präsidium der CDU nicht mehr.

Nach ihrem – vorläufigen – Ausscheiden aus der Politik bleibt Christa Thoben weiterhin gesellschaftspolitisch engagiert. 2001 übernimmt sie wieder den Vorsitz des CDU-Bundesfachausschusses Wirtschaft- und Finanzpolitik. Des Weiteren gehört sie der „Kommission soziale Sicherheit“, der sogenannten Herzog-Kommission an, die unter der Leitung von Altbundespräsident Roman Herzog Vorschläge zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme erarbeitet. Im Juni 2004 wählt die Verbandsversammlung der Metropole Ruhr, das sogenannte Ruhrparlament, Christa Thoben zur Administratorin mit Sitz in Essen, um den Übergang des Kommunalverbands Ruhrgebiet zum Regionalverband Ruhr zu gestalten. Auch hier ist sie wieder Pionierin – noch nie hat die Führung des Ruhrgebietsverbandes in weiblicher Hand gelegen. Dem Ruhrgebiet ist sie – durch alle Ämterwechsel hindurch – immer verbunden geblieben, Wattenscheid war und ist ihr erster Wohnsitz geblieben. Im Oktober 2004 tritt sie ihr Amt an, das sie im Februar 2005 – wie vereinbart – an den Kämmerer der Stadt Dorsten abgibt.

 

Rückkehr in die Politik – Landesministerin in Nordrhein-Westfalen

Bei der Landtagswahl am 22. Mai 2005 gewinnt die CDU die Mehrheit der Stimmen und Jürgen Rüttgers gelingt es nach kurzer Zeit, eine Koalitionsregierung mit der FDP zu bilden. Zur Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie beruft er Christa Thoben, die zuvor schon seinem Schattenkabinett angehört hat. Erstmals führt ihr Ressort auch den Begriff „Mittelstand“ im Titel und dies zeigt den Schwerpunkt an, den die Ministerin selbst setzen möchte. Eines ihrer Anliegen ist es, zusammen mit der NRW-Bank effektive Förderprogramme zu entwickeln und diese Mittel und Programme im Wettbewerb zu verteilen sowie schnellere und effizientere Genehmigungsverfahren für Wirtschaftsprojekte zu etablieren. Ein weiterer Fokus liegt für sie auf einer vernünftigen Energiepolitik, mehr Wettbewerb soll für den Verbraucher bessere Strompreise erzielen.

Auch hier folgt sie ihrem Leitmotiv „Ran an die Wirklichkeit“, das sie im Kampf um den Landesvorsitz der NRW-CDU 1999 prägte, denn „ihren Blick auf die Wirklichkeit“ – so die FAZ (23. Oktober 2006) – lässt sie sich „von niemandem verstellen“. 2008 spricht sie in einem Interview mit der Welt am Sonntag zudem noch einmal die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen an.

Nach der Landtagswahl am 9. Mai 2010 gelingt es der CDU/FDP-Koalition nicht, erneut die Regierung zu bilden und es kommt zur Etablierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Damit verliert Christa Thoben ihr Ministeramt. Aber auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt bleibt Christa Thoben weiterhin aktiv, so ist sie Mitglied des Kuratoriums der Universität Witten/Herdecke und stellvertretende Landesvorsitzende der Senioren Union Nordrhein-Westfalen. Von 2010 bis 2012 hat sie das Amt der Schatzmeisterin des nordrhein-westfälischen Landesverbandes inne. 2012 wird sie von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.

„Desillusion kenne ich nicht“ – so klar und prägnant beschreibt Christa Thoben ihre Einstellung zur Politik und zum Leben generell in einem Interview für die Publikation Mut zur Verantwortung.

Lebenslauf

  • 1961–1966 Studium
  • 1966–1978 wissenschaftliche Referentin im Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen
  • 1968 JU
  • 1970 CDU
  • 1978–1980 Geschäftsführerin der IHK Münster
  • 1980–1990 MdL Nordrhein-Westfalen
  • 1985–1990 Mitglied des CDU-Bundesvorstands
  • 1990–2000 Mitglied des CDU-Präsidiums
  • 1990–1995 Hauptgeschäftsführerin der IHK Münster
  • 1995–1998 Staatssekretärin im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
  • 1999 Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Berlin
  • 2004–2005 Beauftragte für den Aufbau des Regionalverbandes Ruhr
  • 2005–2010 Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Nordrhein-Westfalen

 

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Kontakt

Denise Lindsay M.A.

Denise Lindsay M.A

Referentin Medienanalyse und -archiv

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