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Junge Union Deutschlands (JU)

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Bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es auf lokaler Ebene zu Gründungen von politischen Jugendverbänden. Im März 1946 wurde in der sowjetischen Besatzungszone der Arbeitsausschuß Junge Union für die Sowjetische Besatzungszone und Berlin gegründet, Anfang Juni 1946 konstituierten sich dann im Rheinland Aktionsgemeinschaften junger Deutscher in der CDU. Vom 4. bis 7. August 1946 fand in Recklinghausen eine Zonentagung der Jungen Union statt, an der 53 Teilnehmer aus den acht Landesverbänden der Jungen Union in der britischen Besatzungszone teilnahmen. Als eigentliches Gründungsdatum des Bundesverbandes der Jungen Union wird das Deutschlandtreffen vom 17. bis 21. Januar 1947 in Königstein/Taunus angesehen, an dem erstmals Vertreter der Jungen Union aus allen vier Besatzungszonen teilnahmen. Zum Bundesvorstand wurde Bruno Six gewählt.

 

 

Die Königsteiner Erklärung forderte die Sicherung der Existenzbedürfnisse im zerstörten Deutschland, einen gerechten Lastenausgleich, eine Bodenreform und ein Siedlungsprogramm sowie das Recht auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben. Sie appellierte an die Siegermächte, zu einer international kontrollierten Lösung der Kriegsgefangenenfrage zu kommen.

Auf dem 3. Deutschlandtag in Hamburg im Oktober 1947 konstituierte sich der Deutschlandrat der JU als oberstes und ständiges Gremium. Bis zur Herstellung demokratischer Verhältnisse wurde den Mitgliedern der JU Ostberlins und der SBZ, wo der Jugendverband durch die Besatzungsmacht und die FDJ starke Behinderungen erfuhr, als „Exil-Junge Union“ eine politische Heimat im freien Teil Deutschlands geboten. Nach den Leitsätzen von 1947 und 1949 gab sich die JU im März 1950 mit den „Würzburger Beschlüssen“ das erste gemeinsame Programm. Es bekannte sich zur verantwortlichen Mitarbeit der jungen Generation in Staat und Gesellschaft, zum Persönlichkeitswahlrecht, zur Erneuerung des geistigen und kulturellen Lebens auf der Grundlage des Christentums; gefordert wurden Sparsamkeit in der Verwaltung, Selbstverwaltung der Gemeinden, Sicherung der persönlichen, familiären und sozialen Existenz, ein gerechter Lastenausgleich sowie die Wiederherstellung Deutschlands in seinen historischen Grenzen. Als eines der wichtigsten Anliegen galt der JU der Zusammenschluss der europäischen Staaten, für den sie bereits seit 1948 auf mehreren Treffen in der Jugendsektion der Nouvelles Équipes Internationales (NEI) eingetreten war.

Es bedurfte eines zähen Ringens, bis die JU im Statut der CDU auf dem 1. Bundesparteitag in Goslar 1950 als eigenständige Vertretung der jungen Generation anerkannt und ihre Selbständigkeit in der Partei endgültig respektiert wurde (1. Satzung der JU 1951). Nach der Aufbauphase bis Mitte der 1950er Jahre entwickelte sich die JU während der Kanzlerschaft Konrad Adenauers und Ludwig Erhards zu einer politikgestaltenden, staatstragenden Parteijugend, ohne dass es zu größeren Konflikten mit den Mutterparteien gekommen wäre.

 

 

Nach 1969 begann die JU in oppositioneller Reaktion auf die sozial-liberale Koalition mit einer umfassenden programmatischen Reformarbeit, die 1973 zum Grundsatzprogramm „Für eine humane Gesellschaft“ führte. Themenschwerpunkte waren: der Mensch als Mittelpunkt der Politik, die Politik als Gestaltungsaufgabe, demokratischer Staat und offene Gesellschaft, Bildung als zukunftsorientierte Gesellschaftspolitik, Wirtschaft im Dienst der Gesellschaft, menschenwürdige Lebensbedingungen sowie Politik für den Frieden.

Die JU verstand sich zum einen als politischer Motor der Union, zum anderen auch als Brücke zwischen den beiden Mutterparteien. Von Anfang an wollte sie mehr sein als bloße Wahlkampfhilfstruppe. Der Kampf um die Teilhabe an der Führung in den Parteivorständen und den Parlamenten zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Geschichte. Um Eigenständigkeit zu demonstrieren und das Vertrauen der jungen Generation zu gewinnen, scheute sich die JU nicht, Mandatsträger zu kritisieren und auch zeitweise zu den Mutterparteien auf Distanz zu gehen. Organisatorisch wurde der Bundesverband durch einen Bundessekretär mit Sekretariat in Bonn gestärkt. 1971 beschloss der Deutschlandtag, die Altersgrenze von 40 auf 35 Jahre und das Eintrittsalter von 16 auf 14 Jahre zu senken. 1963 hatte die JU rund 85.000, 1983 260.000, 2000 139.000 und 2009 130.000 Mitglieder.

Die Deutsche Einheit und die Europäische Einigung waren stets Politikfelder, die für die Junge Union große Relevanz besaßen. Die Forderung nach freien Wahlen, das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes und das Festhalten an der Hallstein-Doktrin standen dabei im Mittelpunkt. In ihren Richtlinien für Ostkontakte lehnte die JU Treffen mit der FDJ oder anderen kommunistischen Organisationen entschieden ab. In ihrem jugendpolitischen Programm von 1965 wurde der Anspruch erhoben, auch für die in der DDR unterdrückte deutsche Jugend zu sprechen. Mit dem Regierungswechsel zur SPD/FDP-Koalition 1969 und der „neuen Ostpolitik“ stimmte die JU auf ihrem Europakongress im November 1970 in Saarbrücken für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu Polen als Voraussetzung für die Aussöhnung der beiden Völker. Allerdings schwenkte sie im Mai 1972 wieder auf die Linie der Mutterparteien ein, die die Ratifikation der Verträge von Moskau und Warschau an eine Erklärung band, die die friedensvertragliche Regelung und das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen wahrte. 1972 öffnete sich die JU für Kontakte mit kommunistischen Jugendverbänden in Osteuropa. 1980 regte Matthias Wissmann ein innerdeutsches Jugendwerk mit Sitz in beiden Teilen Berlins an, das den Jugendaustausch fördern sollte. Den 25. Jahrestag des Mauerbaus 1986 und den Besuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden im September 1987 nahm die JU zum Anlass, die Missachtung der Menschenrechte in der DDR und den Schießbefehl anzuprangern und den Abriss der Mauer zu fordern.

Zur Außen- und Sicherheitspolitik der regierenden Union gab es keinen Dissens. Ein Richtungsstreit entzündete sich an der Frage über den Weg zur europäischen Einigung. In ihrer Europa-Grundsatzerklärung vom Oktober 1964 konnte der Konflikt auf der Grundlage eines föderalistischen Europagedankens beigelegt werden. In den 1980er Jahren stand die Frage der Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses im Vordergrund. Die JU führte vielerorts Sachdebatten unter der Jugend, unter anderem zur sicherheitspolitischen Erpressbarkeit des Westens und zur Abrüstung in Ost und West.

 

Seit Anfang der 1970er Jahre verschrieb sich die JU auch dem Schutz der Umwelt. Bereits im September 1971 führte die JU in Augsburg einen Umweltschutzkongress durch. Auf dem außerordentlichen Deutschlandtag 1973 in Herford wurde das im Jahr zuvor dem Deutschlandtag in Fulda beschlossene Grundsatzprogramm „Für eine humane Gesellschaft“ in einer erweiterten Form verabschiedet. Hier hieß es unter anderem:

„Die Mängel der Raumordnungspolitik haben dazu beigetragen, daß der Schutz der Umwelt vor Schädigung durch die Zivilisation immer schwieriger und teurer wird. Eine Korrektur dieser Fehlentwicklungen verbessert zugleich die Chancen für die Bewältigung des Umweltschutzes. Sie kann das Aufkommen an Individualverkehr und die Kosten für Luft- und Wasserreinhaltung sowie Abfallbeseitigung vermindern und die Belastung des Menschen durch Lärm einschränken. Gleichzeitig muß die Rechtsordnung so weiterentwickelt werden, daß Umweltschädigungen durch Gebote und Verbote systematisch und in festgelegten Stufen eingeschränkt werden, wobei eine internationale Zusammenarbeit anzustreben ist. Die EG-Länder sollten hier vorbildhaft in Aktion treten. Entscheidend ist das qualitative Wirtschaftswachstum, nicht das bloß quantitative."

 

Die internationale Zusammenarbeit in der Frage der Umweltpolitik wurde als dringende Notwendigkeit erkannt. Auf dem Deutschlandtag in München 1983 stand die Frage der Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie im Zentrum der Erörterungen. Bundesweit wurden Umweltwochen veranstaltet. Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 löste eingehende Diskussionen der Reaktorsicherheit aus. Umweltforschung, -schutz und -erziehung waren vordringliche Arbeitsthemen in den 1990er Jahren.

Schon vor dem Fall der Mauer suchten christlich-demokratisch gesinnte Jugendliche in der DDR, sich in einem Jugendverband zu organisieren. Nach Konstituierung der Christlich-Demokratischen Jugend am 9. November 1989 kam es schon im Dezember zu offiziellen Kontakten mit der JU, denen Anfang März 1990 ein Treffen beider Vorstände in Erfurt folgte. Auf dem Deutschlandtag im September 1990 in Leipzig vereinigte sich unter dem Vorsitz von Hermann Gröhe die christlich-demokratische Jugend aus beiden Teilen Deutschlands.

 

 

Auf dem Deutschlandtag 1994 in Berlin kandidierte Hermann Gröhe nicht mehr für den Bundesvorsitz. Zu seinem Nachfolger wurde Klaus Escher gewählt. Nach vier Jahren kam es erneut zu einem Wechsel im Bundesvorstand. Mit Hildegard Müller wurde auf dem Deutschlandtag vom 27. bis 29. November 1998 in Weiden (Oberpfalz) erstmalig eine Frau zur Bundesvorsitzenden gewählt. Unter Escher und Müller beschäftigte sich die Junge Union verstärkt mit wirtschaftspolitischen und europapolitischen Themen. Auf dem Deutschlandtag 2002 in Düsseldorf konnte sich Hildegard Müller altersbedingt nicht zur Wiederwahl stellen. Zum ihrem Nachfolger wurde Philipp Mißfelder gewählt. Der reformorientierte und marktwirtschaftliche Kurs der JU wurde weitergeführt. Ein wichtiges Thema in der Amtszeit Mißfelders war die Frage der Generationengerechtigkeit.

Auf dem Deutschlandtag in Rostock vom 5. bis 7. Oktober 2012 wurde das neue Grundsatzprogramm der JU „Raum für Ideen schaffen - Überzeugungen klar vertreten!“ verabschiedet. Selbstbewusst präsentierte sich die Vereinigung darin als „eine eigenständige und selbstbewusste politische Organisation, deren Wertevorstellungen christlich-sozial, konservativ und liberal geprägt sind.“ Weiter formulierte das Programm „Heimat und Nation sind für uns nichts Beliebiges, sondern von besonderer Bedeutung für unser Selbstverständnis. Die Zugehörigkeit zu unserer Heimat, zu unserer Nation und zu Europa ist Bestandteil unserer Identität.“ Erstmals wurden in dem Grundsatzprogramm 2012 die Themen „Netzpolitik und Neue Medien“ behandelt. Die Herangehensweise daran solle, so die JU „chancenorientiert sein, ohne Risiken zu ignorieren“. „Es geht nicht darum, einer grenzenlosen Freiheit das Wort zu reden. Technik soll den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Für uns als Junge Union gehören Freiheit und Verantwortung zwingend zusammen. So wie von einigen die Sicherheit absolut gesetzt wird, wird in der digitalen Gesellschaft häufig die Freiheit praktisch absolut gesetzt. Freiheit hat im Netz Priorität vor Sicherheit. Daher gilt: Im Zweifel für die Freiheit. Aber Freiheit ist für uns immer an Verantwortung gebunden.“

Beim 14. Deutschlandtag der Jungen Union, der vom 19. – 21. September 2014 in Inzell stattfand, setzte sich Paul Ziemiak in einer Kampfabstimmung gegen seinen Mitbewerber Benedict Pöttering durch. Auf Ziemiak entfielen 63 Prozent der als gültig gewerteten Delegiertenstimmen, auf Pöttering 37 Prozent.  Nach einer Rekordamtszeit von zwölf Jahren hatte sein Vorgänger Philipp Mißfelder mit 35 Jahren die Altersgrenze der Jungen Union erreicht und konnte deshalb nicht wieder kandidieren. Am 14. Oktober 2016 wurde Ziemiak auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Paderborn mit 85 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt, ebenso im Oktober 2018 mit 91,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Schwerpunkte seiner Amtszeit waren der Ausbau der Kampagnenfähigkeit der JU und Digitales. Auch das Thema Generationengerechtigkeit (Renteneintrittsalter, Unterstützung für Familien) bestimmten die Agenda der JU, ebenso die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik.

Nach der Berufung Ziemiaks in das Amt des CDU-Generalsekretärs folgte ihm Tilman Kuban, der Landesvorsitzende der JU Niedersachsen an die Spitze des Jugendverbands. Kuban setzte sich am 16. März 2019 wiederum in einer Kampfabstimmung mit 200 der 319 gültigen Stimmen oder 62,7 Prozent gegen den thüringischen JU-Vorsitzenden Stefan Gruhner durch.

Nach der Bundestagswahl 2021, bei der die Union immense Stimmenverluste zu verzeichnen hatte, forderte Kuban einen „modernen Konservatismus“ als Leitbild der Christlichen Demokratie: „Wir sollten für einen modernen Konservatismus stehen, der nicht auf ein "Entweder-Oder", sondern auf ein verbindendes "Und" setzt. Wir stehen für Eigenverantwortung und Solidarität. Wer sich nicht selbst helfen kann, dem hilft die Gemeinschaft. Aber erst einmal ist es Aufgabe eines jeden Einzelnen, für sich und seine Familie zu sorgen.“ (Interview mit T-online vom 21. Oktober 2022)

Aktuell gliedert sich die Junge Union Deutschlands in 18 Landesverbände, 37 Bezirksverbände und 403 Kreisverbände. Ca. 100 000 Mitglieder gehören der Vereinigung an.

 

Horst W. Heitzer/aktualisiert von Christine Bach

 

Literatur:

  • Grotz, Claus-Peter: Die Junge Union. Struktur - Funktion - Entwicklung der Jugendorganisation von CDU und CSU seit 1969, Kehl am Rhein, Straßburg 1983.
  • Hackel, Wolfgang: Die Auswahl des politischen Nachwuchses in der Bundesrepublik Deutschland. Die Junge Union als Sprungbrett für politische Karrieren in der CDU, Stuttgart 1978.
  • Heitzer, Horst W.: Junge Union (JU) in: Becker, Winfried; Buchstab, Günter; Doering-Manteuffel, Anselm; Morsey, Rudolf (Hrsg.): Lexikon der Christlichen Demokratie in Deutschland, hrsg. im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Paderborn u.a. 2002, S. 568–570.
  • Kaff, Brigitte (Hrsg.): Junge Union 1945–1950. Jugendpolitik in der sowjetisch besetzten Zone, Freiburg im Breisgau 2003.
  • Kleinmann, Hans-Otto; Buchstab, Günter (Hrsg.): Geschichte der CDU 1945–1982, Stuttgart 1993, S.463–466.
  • Krabbe, Wolfgang R.: Parteijugend in Deutschland. Junge Union, Jungsozialisten und Jungdemokraten1945–1980, Wiesbaden 2002.
  • Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Kleine Geschichte der CDU, Stuttgart 1995, S. 290–294.
  • Pflüger, Friedbert: Die politischen Jugendorganisationen im Vergleich. Eine synoptische Darstellung der programmatischen Aussagen von Junge Union Deutschlands, Jungsozialisten in der SPD, Deutsche Jungdemokraten, Bonn 1979.
  • Schönbohm, Wulf: CDU - Porträt einer Partei, München 1978.
  • Wagner, Jochen: Die Junge Union Deutschlands: Geschichte, Struktur und Perspektiven, Saarbrücken 1998.

 

Festschriften:

  • Ziegler, Helmut (Hrsg.): Sechs Jahre Junge Union. Herausgegeben aus Anlaß des 6. Deutschlandtages, Hamburg 1953.
  • Schwarz, Heinrich (Hrsg.): Zehn Jahre Junge Union Deutschlands. Festschrift zur Jubiläumstagung Zehn Jahre Junge Union Deutschlands, Königstein im Taunus 19. bis 20. Januar 1957, Hamburg 1957.
  • Dumann, Manfred (Hrsg.): 25 Jahre Junge Union Deutschlands. Werdegang, Grundlagen, Aufgaben, Bonn 1972.
  • Böhr, Christoph (Hrsg.): Jugend bewegt Politik. Die Junge Union Deutschlands 1947 bis 1987, Krefeld 1988.
  • Bundesvorstand der Jungen Union Deutschlands (Hrsg.): 50 Jahre Junge Union Deutschlands, Bonn 1997.
  • Philipp Mißfelder (Hrsg.): 60 Jahre Junge Union Deutschlands, Monschau 2007.
  • Paul Ziemiak (Hrsg.): 70 Jahre Junge Union Deutschlands, Monschau 2017.

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