Kindheit
Josef Anton Gockeln wurde am 18. März 1900 im westfälischen Großeneder (Kreis Warburg) als achtes von zwölf Kindern eines katholischen Schreinermeisters geboren. Der Vater wird als politisch interessiert und sehr gläubig beschrieben, beides Eigenschaften, welche er seinem Sohn vermittelte. Nach dem Volksschulbesuch absolvierte Gockeln in seinem Heimatort eine Müllerlehre. 1917 wurde er für den Kriegsdienst eingezogen und diente als Minensucher in der deutschen Reichsmarine.
Aufstieg in der Gewerkschaftsbewegung
Nach der Rückkehr aus dem Krieg begann er sich gesellschaftlich zu engagieren. So war er im Katholischen Arbeiterverein und der Christlichen Gewerkschaftsbewegung aktiv. 1922 heiratete er seine Frau Elisabeth (geb. Klink), mit der sechs Kinder bekam. Ein Jahr später arbeitete er bereits als Gewerkschaftssekretär im westfälischen Lippstadt. 1925 erhielt er ein Stipendium für ein Studium an der in Düsseldorf ansässigen Staatlichen Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung. Die Stadt sollte fortan zu seinem Lebensmittelpunkt werden.
1927 veranlasste Jakob Kaiser, seinerseits zu dieser Zeit Landesgeschäftsführer der christlichen Gewerkschaften, Gockelns Anstellung als Kartellsekretär in der Mönchengladbacher Zentrale des Verbandes der katholischen Arbeiter- und Knappenvereine. Im folgenden Jahr erfolgte bereits die Abordnung als Bezirkssekretär der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) sowie als Gewerkschaftskartellsekretär für den Raum Düsseldorf, auch traf er hier auf dem ersten Internationalen Kongress der Arbeitervereine das erste Mal auf den damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer.
1929 zog er als Abgeordneter der Zentrumspartei in den Düsseldorfer Stadtrat ein. Während dieser Zeit machte er die Bekanntschaft von Karl Arnold, der spätere erste nordrhein-westfälische Ministerpräsident war während dieser Zeit Kartellsekretär der christlichen Gewerkschaften. Das Verhältnis der beiden Politiker wurde später als „Weggefährten und Konkurrenten“ beschrieben. Gockeln gehörte dem Stadtrat bis zu dessen Auflösung 1933 an und war unter anderem Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses. Innerhalb des Düsseldorfer Zentrums stieg er bis zum stellvertretenden Vorsitzenden auf.
In der Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Gockeln durch die Gleichschaltung der Gewerkschaften nicht unmittelbar in die Arbeitslosigkeit getrieben: Das Reichskonkordat ermöglichte zunächst den Fortbestand der katholischen Arbeitervereine als Standesvereine. 1938 kam es dennoch zur Auflösung der KAB, zuvor war sie seitens der Gestapo steigenden Repressionen ausgesetzt gewesen. Gockeln wurde wegen „Schädigung der Volksgemeinschaft“ aus der Gewerkschaft ausgeschlossen und der Prozess gemacht.
1939 wurde Gockeln mit Beginn des Zweiten Weltkrieges in die Armee eingezogen, diente u.a. als Oberfeldwebel einer in Kiel angesiedelten Marine-Artilleriekompanie. Als fünffacher Vater wurde er nicht an der Front eingesetzt. Nach dem Kriegsende kam er für kurze Zeit in Gefangenschaft und kehrte danach nach Düsseldorf zurück.
Wiederaufbau nach Kriegsende
In den Monaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs diskutierte Gockeln zusammen mit anderen vormaligen Zentrumspolitikern eine Neugründung der Partei. Einem Beitritt zur frisch aus der Taufe gehobenen CDU stand er zunächst skeptisch gegenüber, bevorzugte besagte Neugründung des Zentrums, entschied sich aber doch für den Eintritt in die CDU. Bei der ersten Kommunalwahl in Düsseldorf wurde Gockeln 1946 in den Stadtrat gewählt. Er wirkte zudem an der Entstehung des Ahlener Programms 1947 mit, eines wichtigen Meilensteins der programmatischen Entwicklung in der Frühphase der CDU.
Gockeln engagierte sich beim Wiederaufbau der KAB und übernahm das Düsseldorfer Sekretariat. 1946 wurde er zum Verbandsvorsitzenden der KAB Westdeutschland gewählt. Anders als beispielsweise Josef Arndgen oder Karl Arnold sprach er sich gegen die Bildung einer Einheitsgewerkschaft aus.
Nach dem Erfolg der CDU bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen im Herbst 1946 wurde Gockeln von Konrad Adenauer für den Posten des Sozialministers in der ernannten Landesregierung unter Rudolf Amelunxen (parteilos) vorgeschlagen. Nach der Landtagswahl am 20. April 1947 zog er in das Düsseldorfer Parlament ein. Er war von Adenauer zunächst als Ministerpräsident vorgesehen, wurde von der CDU-Fraktion jedoch am 19. Mai 1947 zum Landtagspräsidenten gewählt. An seiner Statt wurde Karl Arnold nordrhein-westfälischer Ministerpräsident. Am 3. Juli 1947 wählte ihn die Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung als Nachfolger von Arnold zum neuen Oberbürgermeister. 1948 wurde er zudem zum Kreisvorsitzenden der CDU Düsseldorf gewählt.
Doppelfunktion als Landtagspräsident und Oberbürgermeister
Die parallele Ausübung dieser wichtigen Ämter forderte Gockeln einen delikaten Balanceakt ab: Insbesondere die Tätigkeiten als Landtagspräsident sowie als Düsseldorfer Oberbürgermeister erforderten in Gockelns Augen in dieser für den Aufbau der jungen Demokratie essenziellen Phase eine klare Überparteilichkeit. Er verzichtete deswegen bewusst darauf, die Ämter für die Parteipolitik zu instrumentalisieren. Dabei legte er es keinesfalls auf eine gesonderte Ämterhäufung an, sondern verstand seine Tätigkeit als erforderliches staatsbürgerliches Engagement in besonderen Zeiten. Die Demokratie rief, und er entzog sich nicht der Verantwortung: „Man braucht mich doch. Wenn man mich haben will, dann kann ich doch nicht am warmen Ofen sitzen.“
Als Landtagspräsident erarbeitete sich Gockeln daher durch sein objektives und faires Verhalten schnell nachhaltigen Respekt in allen Lagern des politischen Spektrums. Bei allen politischen Meinungsverschiedenheiten setzte er die Rahmenbedingungen für einen respektvollen Umgang miteinander. Nach seiner Wiederwahl 1950 betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende Fritz Henßler die exzellente Arbeit Gockelns, der seine „überparteiliche[n] Funktionen einwandfrei und objektiv“ ausübe. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er sowohl 1954 und 1958 jeweils in seinem Amt bestätigt wurde. Walter Först beschrieb seine Amtszeit folgendermaßen: „Er war ein Präsident der schlichten Form, der ruhigen, aber sicheren Verhandlungsführung, ohne Glanz, mit wenig Pathos, bedacht auf die Würde des Hauses, tolerant in den demokratischen Grenzen, die für ihn den Meinungsstreit einschlossen, nicht jedoch die Polarisierung.“
In seinem Amt als Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf stand Gockeln zunächst vor handfesten praktischen Herausforderungen: Mit der Festlegung als Landeshauptstadt gingen gesonderte Erwartung(shaltung)en und verwaltungstechnische Problemstellungen einher. Die Stadt hatte im Zweiten Weltkrieg hinreichend Schäden erlitten, sodass an einen Wiederauf- oder Wohnungsbau im eigentlichen Sinne noch nicht zu denken war. Anstatt dessen galt es zunächst die rudimentärste Grundversorgung für die schnell wachsende Stadtbevölkerung sicherzustellen, hier ging es um die Fragen der Trümmerbeseitigung, der Lebensmittelversorgung, der Verkehrsplanung und der Hilfe für die sozial Schwächsten und der Wohnungslosen. Der Wohnungsbau im herkömmlichen Sinne nahm erst nach der Währungsreform im Sommer 1948 Fahrt auf. Gockeln richtete die städtische Wirtschaftspolitik darauf aus, Produktionsbetriebe und die dazugehörigen Verwaltungen in Düsseldorf anzusiedeln.
Am 10. November 1956 wurde sein bisheriger Stellvertreter Georg Glock (SPD) zu seinem Nachfolger gewählt. Gockeln wurde Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion.
Abgeordnetentätigkeit im Deutschen Bundestag
Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August1949 erlangte Gockeln mit 37,2 Prozent der Erststimmen das Direktmandat im Wahlkreis Düsseldorf II. Im Rahmen der Bundestagswahl am 6. September 1953 wechselte er in den Wahlkreis Düsseldorf I und gewann diesen umgehend mit 58,0 Prozent der Erststimmen – eine Verbesserung von über 15 Prozentpunkten gegenüber dem Ergebnis von Robert Lehr bei der vorhergehenden Bundestagswahl. Bei der Bundestagswahl am 15. September 1957 verteidigte Gockeln seinen Wahlkreis und steigerte sein Ergebnis auf 59,7 Prozent der Erststimmen.
Unfalltod und Würdigung
Am 8. Dezember 1958 verunglückte Gockeln während einer Dienstreise auf dem Weg nach Neuss am nördlichen Stadtrand von Dormagen auf dem Beifahrersitz seines Dienstwagens. Etwas mehr als zwei Monate zuvor hatte er noch dem 8. Bundesparteitag der CDU in Kiel als Tagungspräsident vorgestanden. Der amtierende Ministerpräsident Franz Meyers würdigte ihn „uns allen unvergesslich“ als „ein[en] Mann, dessen Schmuck die Einfachheit und die Geradlinigkeit seines Lebens war“. Er fand seine letzte Ruhe an der Seite seiner Frau auf dem Düsseldorfer Südfriedhof.
Den Staat verstand Josef Gockeln als integrale Gemeinschaftsform, nicht als ein artifizielles Gebilde. Dementsprechend zielte er nicht auf systemische Veränderungen im Sinne des linken Klassenkampfs ab. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und staatsbürgerliches Verantwortungsbewusstsein hatten für ihn höchste Priorität in seinem politischen Handeln. Gockelns Aufstieg aus der Arbeiterfamilie in hohe öffentliche Ämter kann zweifelsohne als bemerkenswert eingeordnet werden.
Ein Teil des Nachlasses von Josef Gockeln befindet sich im Archiv für Christlich-Demokratische Politik in Sankt Augustin.
Lebenslauf
- 1923 Gewerkschaftssekretär
- 1928–1939 Bezirkssekretär der Katholischen Arbeitnehmerbewegung in Deutschland (KAB)
- 1929–1933 Stadtverordneter in Düsseldorf (Zentrum)
- 1946–1958 MdL Nordrhein-Westfalen (CDU)
- 1946–1947 Sozialminister
- 1947–1958 Landtagspräsident
- 1947–1956 Oberbürgermeister von Düsseldorf
- 1949–1958 MdB
- 1947–1958 Vorsitzender der KAB Westdeutschlands.
Literatur
- Först, Walter: Josef Gockeln (1900–1958), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern 5 (1982), S. 161–175.
- Rönneper, Hans: Josef Gockeln (1900-1958). Eine Erinnerung zum 100. Geburtstag. In: Geschichte im Westen, 15 (2000) Nr. 2, S. 241–245.
- 50 Jahre Nordrhein-Westfalen. Das Land und seine Abgeordneten. Schriften des Landtags NRW, Bd. 9. Düsseldorf 1996.