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Walther Schreiber, Plakat zu den Abgeordnetenhauswahlen Berlin 1950. Walther Schreiber, Plakat zu den Abgeordnetenhauswahlen Berlin 1950. © KAS/ACDP 10-004 : 102

Walther Schreiber

Jurist, Regierender Bürgermeister Dr. jur. 10. Juni 1884 Pustleben/Harz 30. Juni 1958 Berlin
von Stefan Gronimus
Der Unterzeichner des Gründungsaufrufs der Berliner CDU gestaltete die frühen Jahre des Landesverbandes entscheidend mit: Erst als Landesvorsitzender, später stieg er zum Regierenden Bürgermeister auf. Zuvor konnte er bereits auf eine erfolgreiche politische Karriere in der Weimarer Republik zurückblicken.

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Herkunft und Kriegsdienst

Walther Carl Rudolf Schreiber wurde am 10. Juni 1884 in Pustleben (Kreis Nordhausen) geboren. Der Sohn eines evangelischen Rittergutsbesitzers absolvierte seine Gymnasialzeit in Weimar. Anschließend studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in München, Halle, Berlin und Grenoble. 1910 wurde er an der Universität Halle zum Dr. iur. promoviert. In Halle ließ er sich im folgenden Jahr auch als Rechtsanwalt nieder. Während seiner Studienjahre machte er die Bekanntschaft von Friedrich Naumann.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete Schreiber sich freiwillig und wurde zunächst als Armierungssoldat (zeitgenössische Bezeichnung der Pioniertruppen) eingesetzt. In seiner letzten Verwendung diente er als Leutnant. Im November 1918 wurde er in den Soldatenrat der Obersten Heeresleitung gewählt und nahm im Folgemonat als Delegierter der Fronttruppen am Berliner Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte teil. Hier engagierte er sich für die Einberufung einer Nationalversammlung und trat gegen das Rätemodell ein. Nach dem Ende seines Engagements nahm er seine Vorkriegstätigkeit als Anwalt in Halle wieder auf.

Politische Karriere in der Weimarer Republik

1919 zog Schreiber für die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP), deren erster Vorsitzender Friedrich Naumann war, in die Verfassungsgebende Preußische Landesversammlung und danach in den Preußischen Landtag ein. Bei der Abwehr des Kapp-Putsches 1920 sowie der darauffolgenden regionalen Unruhen in Mitteldeutschland zeichnete sich Schreiber im Sinne der republikanischen Sache aus. 1924 fungierte er als Fraktionsvorsitzender der DDP im Preußischen Landtag.

Seit dem 18. Februar 1925 bekleidete er den Posten des Handels- und Gewerbeministers im Kabinett des Zentrumspolitikers Wilhelm Marx. Nach der Nominierung von Marx als Kandidat für Reichspräsidentenwahl 1925 hatte das Kabinett nur eine kurze Lebensdauer von 73 Tagen, Schreiber behielt den Posten jedoch auch in den folgenden Kabinetten unter dem Sozialdemokraten Otto Braun. 1927 wurde Schreiber zum Ehrendoktor der Wirtschaftshochschule zu Berlin ernannt.

Mit dem sogenannten Preußenschlag, der Absetzung der preußischen Regierung durch Reichspräsident Paul von Hindenburg, wurde er am 20. Juli 1932 nach mehr als sieben Jahren seines Amtes entbunden. 1933 schied er aus dem Preußischen Landtag aus. Nach der Machtübergabe an die NSDAP arbeitete Schreiber seit 1934 als Rechtsanwalt und Notar in Berlin.

 

Beteiligung am politischen Wiederaufbau der Bundesrepublik

Schreiber war eine der 35 Personen, die am 26. Juni 1945 im Wohnhaus von Andreas Hermes den Gründungsaufruf „Deutsches Volk!“ der Berliner CDU unterzeichneten. Auch andere für die Geschichte der CDU wichtige Persönlichkeiten wie Jakob Kaiser, Ernst Lemmer, Otto Lenz oder Elfriede Nebgen gehörten zu diesem Kreis. Gemeinsam mit Hermes übernahm Schreiber den Vorsitz der neugegründeten Partei. Im Dezember 1945 wurden die beiden Vorsitzenden von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) aufgrund ihres Widerstandes gegen die Bodenreform zum Rücktritt gezwungen. Schreiber betätigte sich danach kommunalpolitisch in West-Berlin und wurde 1946 zum Abgeordneten der Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt. Dort übernahm er bald den Fraktionsvorsitz. 1947 wurde er zum Landesvorsitzenden der Berliner CDU gewählt.

Auf dem Gründungsparteitag in Goslar im Oktober 1950 wurde Schreiber zum Mitglied des erweiterten Bundesvorstands der CDU gewählt.

Im Rahmen der Abgeordnetenhauswahl am 3. Dezember 1950 trat Schreiber als Spitzenkandidat der CDU an. Nach dem Mehrheitsverlust kam es bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters zu einer Pattsituation, in der Schreiber und der bisherige Amtsinhaber Ernst Reuter (SPD) jeweils 62 Stimmen erhielten. Im Bemühen, einen politischen Stillstand zu verhindern, verzichtete er auf den eigentlich vorhergesehenen Losentscheid und führte die CDU in eine Große Koalition. Am 18. Januar 1951 wurde er zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt.

Regierender Bürgermeister in Berlin

Der Tod Reuters am 29. September 1953 führte zu einer Neubildung des Senats durch CDU und FDP. Am 22. Oktober 1953 wurde Schreiber mit den Stimmen beider Parteien zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Im Mittelpunkt seiner politischen Agenda stand die wirtschaftliche und rechtliche Angleichung der Berliner Westsektoren an das bundesrepublikanische System.

Bei der Abgeordnetenhauswahl am 5. Dezember 1954 konnte er sein Amt nicht verteidigen. Sein Nachfolger als Regierender Bürgermeister wurde der SPD-Spitzenkandidat Otto Suhr.

Zu seinem 70. Geburtstag erhielt Schreiber das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. 1955 wurde er zum Ehrenvorsitzenden der CDU Berlin ernannt.

Walther Schreiber starb am 30. Juni 1958 in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Waldfriedhof in Berlin-Dahlem, seine Grabstätte ist in Anerkennung seiner Verdienste um die Stadt Berlin als städtisches Ehrengrab gewidmet.

Lebenslauf

  • Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in München, Berlin und Grenoble
  • 1910 Promotion in Halle
  • 1911 und 1919–1925 Rechtsanwalt in Halle
  • 1914–1918 Kriegsdienst
  • 1919–1933 MdL Preußen
  • 1925–1932 preußischer Minister für Handel und Gewerbe
  • seit 1934 Rechtsanwalt und Notar in Berlin
  • 1945 Mitgründer der CDU in Berlin, 2. Vorsitzender der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
  • seit 1946 Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung
  • 1947–1952 Landesvorsitzender der CDU Berlin
  • 1951 stellvertretender Bürgermeister
  • 1953–1954 Regierender Bürgermeister von Berlin

 

Veröffentlichungen

  • Einige Notizen über meinen Werdegang, in: Blätter für Junge Politik (Juni 1954).

 

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