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Mehr Frauen - weniger Freunde - mehr Europaskepsis

Kabinettsumbildung in Großbritannien

Die Regierung Cameron hat mit einer umfangreichen Kabinettsumbildung de facto die Vorbereitungen zum Wahlkampf 2015 eingeleitet. Wie erwartet wurden mehr Frauen ins Kabinett berufen, unerwartet hingegen der Rücktritt von Außenminister Hague und die Absetzung von Erziehungsminister Gove, bedenklich aber nicht überraschend die Dezimierung von EU-Fürsprechern wie Kenneth Clarke.

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In seiner bisherigen Amtszeit war Premierminister Cameron bisher recht spärlich, ja sogar behutsam mit Kabinettsumbildungen umgegangen. Die Verweildauer seiner Minister war nicht nur im Vergleich zur vorangegangenen Labour-Regierung deutlich höher, auch ließ er seinen Ministern bisher durchaus Spielraum und Platz zur Gestaltung und sogar persönlichen Profilierung.

Umso überraschender war von daher seine umfassende Kabinettsbildung vor der Sommerpause, die hinsichtlich Umfang und Ausrichtung mehr als einen Paukenschlag parat hatte.

Mehr Frauen

Schon seit geraumer Zeit stand die Kritik im Raum, dass in der Regierung Cameron Frauen unterrepräsentiert seien. Bei 3 von 24 Kabinettsmitgliedern war dies sicher berechtigt. Mit Liz Truss (Umwelt) und Nicky Morgan (Erziehung) sowie der neuen Staatsministerin Esther McVay (Arbeit und Behinderung) rückten drei jüngere Frauen in den Vordergrund und verbesserten so das Gender-(Un)Gleichgewicht im Kabinett etwas.

Dass das Defilee der neuen Frauenriege im Kabinett beim Amtsantritt im Regierungssitz als „No.10 Catwalk“ bespöttelt wurde, lag sicher nicht an der fachlichen Qualität der Betroffenen, sondern eher an der Vordergründigkeit der gesamten Aktion: ein jüngeres und weiblicheres Image des Kabinetts im Angesicht des beginnenden Wahlkampfs für 2015.

Die entsprechend süffisante Kommentierung von Kleidung, Handtaschen und Schuhwerk (nicht nur in der Boulevardpresse) empörte nicht nur die weiblichen Kolleginnen im Unter- und Oberhaus, sondern zeugt leider von einer typisch oberflächlichen Berichterstattung in Teilen der britischen Presse wenn es um weibliche Politiker geht. Demgegenüber sind Preise und Marken von Herrenanzügen, Krawatten oder Schuhen normalerweise nicht Gegenstand der Berichterstattung.

Weniger Freunde

Die beiden einschneidensten Veränderungen waren sicher der Rücktritt von Außenminister William Hague und die Absetzung des Erziehungsministers und engen persönlichen Freundes von Cameron, Michael Gove. Während Hague wohl schon vor geraumer Zeit seine Rückzug aus der Politik nach den Wahlen 2015 erwogen hatte und nun die Gelegenheit sah dazu den ersten Schritt nach einer bemerkenswerten politischen Karriere zu gehen (nachdem auch klar war, dass er keine Chance mehr hat Cameron selbst einmal zu beerben) ist die Absetzung von Gove die Konsequenz aus Querelen innerhalb des Kabinetts (v.a. sichtbar bei der letzten Auseinandersetzung mit Innenministerin Theresa May) und zunehmenden Widerständen in der Öffentlichkeit gegen seine Schulpolitik. Auf eigenen Wunsch wird Gove nun „Chief Whip“, in etwa vergleichbar mit einem parlamentarischer Geschäftsführer, der Conservatives im Unterhaus. Damit verliert Cameron allerdings auch einen seiner profiliertesten und sachkundigsten Minister und – wie gesagt – einen engen persönlichen Freund, was von Beobachtern wiederum als Zeichen gewertet wurde wie einschneidend diese Kabinettsreform angelegt war und durchgeführt wurde.

Mit William Hague, um den sich auch kurzzeitig das Gerücht rankte er könnte als britischer Kommissar nach Brüssel gehen, verliert die Regierung wohl einen ihrer profiliertesten Minister, der im Verlauf seiner Amtsausübung auch vom scharfen EU-Skeptiker zu einem „EU-Realo“ mutierte (was ihm manch einer in der Partei auch entsprechend übel nahm), was insbesondere im Zuge der Ukraine-Krise sichtbar wurde. Er verbleibt im Parlament als „Leader of the House of Commons“ bis zur Wahl, wird dann aber nicht mehr antreten, was sicher auch für die Wahlaussichten der Conservatives nachteilig ist.

Mehr Europaskepsis

Der Leitartikel in der Financial Times: „Cameron schuffles away from Europe“ mag zugespitzt sein, da die Kabinettsumbildung sicher keine explizite Förderung von Europaskeptikern zum Ziel hatte. Allerdings ist schon auffällig, dass ein Politiker wie Philipp Hammond, der sich offen für einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU ausgesprochen hat, ausgerechnet ins Außenministerium befördert wird, während bekennende Europafreundliche Politiker wie Kenneth Clarke, Staatssekretär Damian Green oder Staatsminister David Willets aussortiert wurden. Dahinter steckt sicher auch ein Signal an die eigenen europaskeptischen Mitglieder und an die UKIP Wähler, was Cameron bei der Wahlen zu Gute kommen könnte, im Ausland aber eher besorgte Mienen hervorrufen wird.

EU Kommissar

Eine weitere mit Spannung erwartete Personalentscheidung wurde ebenfalls bekanntgegeben: Cameron benannte Lord Hill of Oareford, den bisherigen Vorsitzenden des House of Lords als britischen Kandidaten für das Amt eines EU-Kommissars. Auch dies eine Überraschung, da dieser Name in den vorangegangenen Spekulationen nicht genannt worden war. Lord Hill und Cameron kennen sich seit 1980, er gilt als talentierter und geduldiger Verhandler (er hat dies unter John Major bei den Maastricht Verträgen schon unter Beweis gestellt) und erfolgreicher Unternehmer. Da er auf dem Brüsseler Parkett aber unbekannt war und ist, machten schnell entsprechende Kommentare die Runde (Juncker habe den Namen erst googlen müssen) die in der Bemerkung des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz gipfelten: „I cannot imagine Hill, whose views – in as far as he’s got any – are radically anti European, getting a mayority in the European Parliament“. Zwar nahm er diese Bemerkung später wieder zurück, aber eine arrogantere Vor-Verurteilung war kaum denkbar.

Da der Brüsseler-Machtpoker um die Kommissionsposten noch in vollem Gange ist, ist noch unklar, ob und wenn ja welches Amt Lord Hill übernehmen wird. Sein Profil entspricht aber nicht dem erwartenden prominenteren Politiker mit Kabinettserfahrung welches viele erwartet hatten.

Bewertung und Ausblick

Die Kabinettsumbildung hatte ganz offensichtlich die Absicht die Tories auf den kommenden Wahlkampf einzustimmen und so eine frischere, jüngere und weiblichere Führungsmannschaft präsentieren zu können. Allerdings ist diese Absicht auch so als vordergründig erkennbar, dass bezweifelt werden darf, ob sie die erwartete Wirkung erzielen wird. Die britische Presse, inklusive der Torie-nahen Presse, ging entsprechend kritisch mit dem „reshuffle“ um. Stellvertretend der Daily Telegraph, der die Aktion gar als „Fiasko“ kommentierte.

Ob das mit dieser Umbildung verfolgte Ziel neue Wählergruppen zu gewinnen (junge Frauen) und alte zurückzuholen (UKIP Wähler) tatsächlich erreicht werden wird, darf bezweifelt werden.

Allerdings verbessern sich die Aussichten der Tories auch ohne diese Art von Marketing offenbar. In einer jüngsten Umfrage des Guardian/ICM brach erstmals die Zustimmung für UKIP mit nur noch 9% deutlich ein (-7%), davon profitierten in erster Linie die Conservatives mit nun 34% (+3%) aber auch die LibDem mit wieder 12% (+2), während Labour relativ unverändert bei 33% (+1) liegt (diese Umfrage fand vor der zur Kabinettsumbildung statt).

Berechtigt ist die Sorge, wie der Wegfall vernünftiger und EU-freundlicherer Stimmen (allen voran die des Urgesteins Kenneth Clarke) kompensiert werden können oder ob dies ein Zeichen für einen deutlich EU-kritischeren Kurs zu sehen ist. Da die gesamte Kabinettsumbildung eher taktischen und kosmetischen Kriterien folgte, sollte dieser Tatbestand (noch) nicht überbewertet werden, leichter ist es für die EU-Freunde in Großbritannien dadurch aber sicher nicht geworden.

Fast ein wenig unter ging die zeitgleiche und gesellschaftspolitisch sicherlich weitreichendere Entscheidung der Church of England. Auf ihrer jüngsten Synode in York wurde beschlossen nun auch Frauen den Weg in höchste Kirchenämter zu öffnen. Damit, so die einhellige Meinung, sei nun auch die Kirche im 21. Jahrhundert angekommen. Damit könnten nun in Kürze erstmal auch Frauen ein Bischofsamt in England bekleiden.

Die wichtigsten Veränderungen im Überblick:

Neu im Kabinett:

  • Nicky Morgan

    (Erziehungsministerin)

  • Liz Truss

    (Umweltministerin)

  • Michael Fallon

    (Verteidigungsminister)

  • Stephen Crabb

    (Minister für Wales)

Mit Kabinettsrang ebenfalls:

  • Jeremy Wright

    (Generalstaatsanwalt)

  • Esther McVay

    (Staatsministerin für Arbeit und Behinderung)

  • Matt Hancock

    (Staatsminister für Unternehmen und Energie)

  • Baroness Stowell of Beeston

    (Vorsitzende des House of Lords)

Mit veränderter Rolle im Kabinett:

  • William Hague

    (ehemals Außenminister, jetzt Vorsitzender des House of Commons)

  • Philipp Hammond

    (vormals Verteidigungs-, jetzt Außenminister)

  • Michael Gove

    (vormals Erziehungsminister, jetzt Chief Whip)

Nicht mehr im Kabinett:

  • Owen Patterson

    (war Umweltminister)

  • David Jones

    (war Minister für Wales)

  • Lord Hill of Oareford

    (war Vorsitzender des House of Lords)

  • Kenneth Clarke

    (war Minister ohne Geschäftsbereich)

  • Andrew Lansley

    (war Vorsitzender des House of Commons)

  • Sir George Young

    (war Chief Whip)

  • Dominic Grieve

    (war Generalstaatsanwlat)

  • David Willets

    (war Staatsminister für Universitäten und Wissenschaft)

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