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Veranstaltungsberichte

„Wieder gut machen“

Kulturelle Ansätze zur Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen

In Kooperation mit dem Minerva-Institut für Menschenrechte der Hebräischen Universität Jerusalem veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 18. und 19. November eine Konferenz zum Thema „Wieder gut machen“: Kulturelle Ansätze zur Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen.

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Danny Evron, Direktor des Minerva-Instituts, hob in seinen einführenden Worten den interdisziplinären Ansatz der Konferenz hervor. Ferner dankte er der Konrad-Adenauer-Stiftung für die enge und strategische Partnerschaft.

Michael Mertes, Leiter des Auslandsbüros Israel der KAS, ging in seiner Einführung „‚An obligation of honor’: Some remarks about the meaning of ‚Wiedergutmachung’“ zunächst auf die politisch-moralische Bedeutung des vor 60 Jahren abgeschlossenen Luxemburger Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland auf der einen sowie Israel und der Jewish Claims Conference auf der anderen Seite ein. Er zitierte aus einem Gespräch, dass er in den 1990er Jahren mit dem damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, über das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas geführt hatte. Bubis habe erklärt: „Schauen Sie, ihr baut dieses Denkmal nicht für mich – ich brauche es nicht. Ihr baut es für euch.“ Der Täter, so Mertes, verletze die Würde des Opfers und schände damit auch sich selbst. Die Folgen seiner Tat könnten, strenggenommen, nicht „wieder gut“ gemacht werden. Ein Sinn von „Wiedergutmachung“ sei es vielmehr, Sühnezeichen im Blick auf das Opfer zu setzen; dadurch stelle der Täter seine eigene Würde wieder her. So interpretiere er Adenauers Feststellung, die Wiedergutmachung für die Überlebenden der Shoah sei für Deutschland „eine Frage der Ehre“.

Ruthie Ginsberg (Jerusalemer Bezalel-Akademie für Kunst und Design sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Minerva-Institut für Menschenrechte) hob hervor, die Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen sei nicht begrenzt auf die rechtliche – gesetzliche und justizielle – Ebene. Es habe in den vergangenen Jahrzehnte überall auf der Welt eine radikale Transformation im Umgang mit vergangenen Menschenrechtsverletzungen gegeben; die Auseinandersetzung mit verschiedensten Formen der Aufarbeitung könne hilfreich sein für die Zukunft.

Erste Session: Neue Politik der Erinnerung – Wie aktivistische Künstler mit vergangenen Diktaturen umgehen

Moderiert von Prof. Ruth Fine, Direktorin des Instituts für Romanistik und Lateinamerika-Studien der Hebräischen Universität Jerusalem, widmete sich das erste Panel Wiedergutmachungsinitiativen in Argentinien und Chile.

Frederico Zukerfeld und Loreto Garín Guzman, zwei Aktivisten aus Chile und Argentinien, sprachen über künstlerische Ansätze der Verarbeitung vergangener Verbrechen in ihrer Heimat. Zunächst gab Zukerfeld eine historische Einführung in die von Instabilität und Diktatur geprägte Zeit in Argentinien seit den frühen 1960er Jahren. In dieser zwanzig Jahre währenden Phase seien mehr als 30.000 Menschen verschleppt worden und für immer „verschwunden“. Eine wichtige Bewegung, die die „Verschwundenen“ im öffentlichen Bewusstsein hielt, waren die Mütter der Vermissten (Madres de desaparecidos, Madres de Plaza de Mayo) mit ihrem hartnäckigen stillen Protest gegen das Schweigen des Staates.

Zukerfeld und Guzman widmeten sich sodann der Frage, wie man neue Wege der Gerechtigkeit beschreiten könne. Nach einem Überblick zu den ersten Strafprozessen gegen die Verantwortlichen aus der Diktatur-Phase konzentrierten die beiden lateinamerikanischen Referenten sich auf kulturelle Ansätze zur Aufarbeitung des Themas der „Verschwundenen“. In Form einer Ausstellung leisteten die beiden Künstler einen nachhaltigen Beitrag, um in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Verbrechen der Militärdiktatur zu schaffen. Sie wählten einen symbolträchtigen Ort für die Ausstellung: eine alte Kaserne, beinahe klinisch sauber. Nur die Abschussrampe der Flugabwehrgeschütze war in der ansonsten sehr kargen Halle verblieben.

In der anschließenden Diskussion wurde Zukerfeld dafür kritisiert, den Begriff „Völkermord“ (genocide) zur Bezeichnung der Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur an der eigenen Bevölkerung zu benutzen. Dieser Begriff habe eine sehr enge juristische Definition, welche in Argentinien nicht erfüllt gewesen sei. Zukerfeld antwortete, im Zuge der Gerichtsverhandlungen gegen Verantwortliche der Junta seien die Verbrechen als „Genozid“ klassifiziert worden. Dies sei geschehen, um zu verdeutlichen, dass es kein Kampf zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern gewesen sei; vielmehr habe ein autoritärer Staat auf der einen Seite wehrlose Bürger auf der anderen Seite gegenübergestanden.

Zweite Session: Fragen der Opfer-Identität im Prozess der Wiedergutmachung

Im zweiten Panel unter Vorsitz von Danny Evron stellte Ruthie Ginsberg einen Film mit dem Titel „Mary Kozsmary“ („Träume Albträume“) vor, in welchem das Verhältnis zwischen der jüdischen und polnischen Bevölkerung nach der Shoah – vor allem im Blick auf die antisemitische Kampagne von 1968 – thematisiert wird. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb dazu in einer Filmrezension am 5. Mai 2008 unter der Überschrift „Ihr drei Millionen, kommt zurück!“: „Bartanas ‚Mary Koszmary’ kommt nun genau zum richtigen Zeitpunkt: Polen erinnert sich an seinen ‚März’, das heißt an die Studentenproteste, die Geburtsstunde der Opposition und ihrer späteren Leitfiguren, aber auch an die antisemitische Hetzkampagne jener Jahre. Noch immer erregt Jan Tomasz Gross’ Buch ‚Angst’ die Gemüter, in dem das Ausmaß der judenfeindlichen Übergriffe in Nachkriegspolen deutlich wird und die bis heute andauernde Verdrängung… Während Gross aber vor allem von der älteren Generation diskutiert wird und das Feuilleton umtreibt, weckt Bartanas Film die Aufmerksamkeit der nach 1968 Geborenen, der Studenten von 2008.“

Im Anschluss an die Vorführung und Analyse des Films stellte die Doktorandin Iris Nachum vom Minerva-Institut für Deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv ihre Forschungsergebnisse zur Praxis der Auszahlung von Wiedergutmachungsleistungen an die Überlebenden der Shoah vor. Dieser Praxis habe eine heute kaum noch nachvollziehbare Differenzierung innerhalb der Anspruchsberechtigten geführt. So seien die Zahlungen pro Person in Israel sehr viel niedriger gewesen als in Deutschland. Deutsche Beamte hätten herausfinden müssen, ob Holocaustüberlebende in Israel dem deutschen Kultur- und Sprachraum angehörten, um bestimmen zu können, wie hoch ihre Ansprüche seien. Dies habe die absurde Situation herbeigeführt, dass israelische Juden ihre deutsche Identität hätten beweisen müssen.

Die Forschung Nachums konzentriert sich auf die Erbringung dieses Beweises in der Praxis. Er umfasste ausgiebige Deutschprüfungen und Befragungen nach deutscher Literatur. In ihrem Fazit verglich Nachum die ihrer Meinung nach fragwürdige Methode der mit der Parabel „Vor dem Gesetz“ von Franz Kafka. Es sei von enormer Tragik, dass ausschließlich Überlebende, welche ihre Identität als Angehörige des „Volks der Täter“ nachweisen konnten, Anspruch auf volle Zahlungen gehabt hätten. Jedoch dürfe nicht unterschlagen werden, dass deutsche Gelder beim Aufbau des jungen Staates Israel eine bedeutende Rolle gespielt hätten.

Dritte Session: Aktivierung des Gedächtnisses

Yochai Avrahami, bildender Künstler aus Israel, konzentrierte sich in seiner Präsentation auf die Gedenkstätten für marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Aufgrund der politischen Umstände seit dem Sechstagekrieg hätten renommierte Künstler das Interesse verloren, kontroverse Werke zu schaffen; sie überließen das Feld weniger bekannten Bildhauern und Malern. In dieser Zeit habe man eine Veränderung beobachten können. Monumente seien eher schlicht geworden, das Pathos habe nachgelassen. Avrahami beschäftigte sich in seiner Präsentation auch mit dem jüdischen Selbstbild im Zuge der Kibbuzbewegung und wies auf die Formung des Bildes vom heroischen, wehrhaften Juden in Abgrenzung zur „jüdischen Opferrolle“ der Zeit des Nationalsozialismus hin. Auch Gleichberechtigung und Emanzipation als Merkmale des in Israel beheimateten „neuen jüdischen Menschen“ seien thematisiert worden, beispielsweise durch die Darstellung weiblicher Kibbuzniks in kurzen Hosen bei der Feldarbeit. Zuletzt erwähnte Avrahami die Geschichte von Elhanan Ostrowitz, eines jungen orthodoxen Juden aus Jerusalem, der verschiedene Graffiti in Yad Vashem gesprüht hatte. Nach seiner Inhaftierung ließ er verlauten, er habe mit seinen Aktionen gegen die staatliche Erinnerungskultur Israels demonstrieren wollen. „Hätte ich Geld, ich würde ein anderes Museum bauen, aber ich habe nur Sprühfarbe.“

Yifat Gutman, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie und Anthropologie der Hebräischen Universität, beschäftigte sich in ihrer Präsentation mit zwei gebräuchlichen Formen der Vergangenheitsbewältigung: Zeitzeugenberichten und geführten Wanderungen. Beide Formen hätten in der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus, der Staatsgründung Israels und der verschiedenen Narrative im Rückblick auf die israelisch-arabischen Kriege eine bedeutende Rolle gespielt. Die geführten Wanderungen seien seit den Anfangstagen der zionistischen Bewegung ein zentraler Bestandteil der Bestrebungen für eine gemeinsame israelische Identität gewesen. Sie sollten als verbindendes Element die Einwanderer aus völlig unterschiedlichen Staaten vereinen und durch Wissen „Liebe zu Eretz Israel“ aufbauen. Gutman befasste sich in ihrem Vortrag mit der Umdeutung dieser Elemente durch extrem linke Gruppierungen, welche auf Touren ausschließlich palästinensische Narrative verbreiten würden. Neben Augenzeugenberichten von Vertriebenen seien jedoch auch Versöhnung und Dialog Teil der Wanderungen. Insgesamt lasse sich sagen, dass die beschriebenen Touren ein neues Kapitel im öffentlichen Konflikt um verschiedene Narrative der Ereignisse des Jahres 1948 aufgeschlagen hätten.

Cornelia Siebeck (Sektion Sozialpsychologie und Sozialanthropologie der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum) präsentierte eine kritische Reflexion der aktuellen deutschen Erinnerungskultur zum Nationalsozialismus, wobei sie sich insbesondere mit der Transformation eines vormals höchst politisierten sozialkritischen Prozesses aus der Zivilgesellschaft hin zu einer staatlich regulierten Institutionalisierung, Musealisierung und Professionalisierung seit der Wiedervereinigung beschäftigte.

In ihrem Fazit stellte Siebeck fest, dass der fortdauernde Prozess vielschichtig und ambivalent sei. Für viele Überlebende sei die staatliche Auseinandersetzung Deutschlands mit dem „dunkelsten Kapitel der Vergangenheit“ und die Etablierung einer entsprechenden „Gedenklandschaft“ von sehr hoher Bedeutung gewesen. Auch werde in den Gedenkstätten wichtige Forschungs- und Vermittlungsarbeit geleistet. Gleichzeitig jedoch sei nicht zu übersehen, dass das ostentative Erinnern an den NS auch die Funktion gehabt habe, zu zeigen, dass das vereinte Deutschland diese Vergangenheit im Zeichen der liberalen Demokratie endgültig überwunden habe. Die öffentliche NS-Erinnerung sei erfolgreich in eine deutsche Meistererzählung integriert worden und habe dabei ihr gegenwartskritisches politisches Potenzial weitgehend verloren.

Vierte Session: Theater und Vergangenheit

Im Rahmen der vierten Sitzung mit dem Titel „Theater Dealing with the Past“ unter dem Vorsitz von Regev Nathanson (Anthropologischer Fachbereich der Universität Michigan) stellte der Direktor des Cameri-Theaters Tel Aviv, Sinai Peter, das Projekt „Theater machen um unsere Wunden: Der Fall der ‚Rückkehr nach Haifa’“ vor. Das Projekt der Inszenierung von Ghassan Kanafanis „Rückkehr nach Haifa“ nimmt direkten Bezug auf die im Rahmen der „Nakba“ begangenen Menschenrechtsverletzungen und auf die Folgen der Shoah. Der Roman Rückkehr nach Haifa“ erzählt die tragische Geschichte eines palästinensisch-arabischen Ehepaars, die in Folge des Krieges von 1948 ihr Kind, Heim und Land verlassen mussten. Das Haus, in welchem das Kind zurückblieb, wurde kurz darauf von Holocaustüberlebenden übernommen. Die Einzigartigkeit des Projekts liegt darin, dass hier von israelischer Seite ein Text des 1936 geborenen palästinensischen Autors Kanafani szenisch umgesetzt wird. Dieser war Sprecher der militanten PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine). Er kam 1972 in Beirut durch den israelischen Geheimdienst zu Tode. Kanafani ist bis heute eine zentrale Figur innerhalb der palästinensischen Bevölkerung. Sein literarisches Wirken steht für den Widerstand, die Kritik an der Passivität des eigenen Volkes und gleichzeitig für dessen Leiderfahrungen im Zuge der „Nakba“.

Das 2008 begonnene Projekt, so Peter, „zeigt ein anderes Theater, ein Theater, das uns die freie (Lebens-)Bühne als ein Moment der Empathie vor Augen führt“. Die Signifikanz, die das Aufführen dieses Stückes auf israelischer Bühne hat, ist das Bewegen der Gesellschaft auf emotionaler Ebene. Das Anliegen war es, so Peter, dass sowohl die palästinensische als auch die israelische Bevölkerung die wechselseitige Nähe ihrer historischen Leidenserfahrung fühlen und wahrzunehmen lernen. Die Botschaft des Stückes: „Ein bloßes Zählen und Aufrechnen der Toten beider Seiten ist nicht die Lösung und trägt nicht zur Bewältigung eines historischen Traumas bei. Der Weg ist die wechselseitige Anerkennung beider Traumata.“

Fünfte Session: Versöhnungsbemühungen

Im Rahmen der fünften Sitzung unter dem Vorsitz von Daphna Golan (Juristische Fakultät, Hebräische Universität Jerusalem) boten drei Referenten einen Einblick in äußerst kontrastive Beispiele narrativer Bewältigungsmethoden für erlittene historische Traumata.

Louise Bethlehem (Anglistisches Seminar und Kulturwissenschaften, Hebräische Universität Jerusalem) vergegenwärtigte in ihrem Beitrag „Poetic Justice: Truth and Reconciliation in Poetry“ die Möglichkeiten, die uns Sprache im Allgemeinen und die Lyrik im Speziellen bieten, um Leid, Anklage und nicht zuletzt Kompensation zum Ausdruck zu bringen. Bethlehem zeigte anhand der beiden Autoren Antje Krog und Ingrid de Kok und deren Werken „Country of my Skull“ und „Mending“ den sowohl journalistischen als auch emotional kompensatorisc hen Gehalt der Dichtung. Die beiden präsentierten Gedichte reflektieren hierbei eine andere Seite der Verarbeitung erlittener Menschenrechtsverletzungen infolge der Apartheid in Südafrika von 1948 bis 1994. Im Zentrum von Bethlehems Interesse steht dabei das Aufzeigen und Analysieren gesellschaftlich zirkulierender sprachlicher Elemente, die zum Ausdruck eigener Leiderfahrungen genutzt werden, sowie die Art und Weise, wie sich diese gesellschaftliche Zirkulation vollzieht.

Im weiteren Verlauf der Sitzung zeigte Miki Kratsman_, einer der renommiertesten Fotografen Israels und Leiter des Fachbereichs Fotografie der Jerusalemer Bezalel-Akademie für Kunst und Design, in seiner Präsentation „Around the Archive: Unwritten Documents“ die Perspektiven im Fotojournalismus zur Aufbereitung von Konflikt, Täter- und Opferschaft auf. Bereits seit 1986 berichtet Kratsmann für verschiedene Regionalzeitungen über die besetzten Gebiete. In diesem Zusammenhang dokumentierte er u.a. in Kooperation mit dem Journalisten Gideon Levy in der Kolumne „Twilight Zone“ die palästinensische Lebenswirklichkeit unter israelischer Besetzung. Zu den innerhalb der Konferenz aufgeführten Projekten zählte sein visuelles (bzw. „unwritten“) Archiv, das einerseits der Reflexion über die Vergangenheit und der aqus ihr herrührenden Traumata dienen, andererseits aber auch neue Wege der Berichterstattung eröffnen soll. So nutzte Kratsman das Archiv zur Personen-Identifikation im Flüchtlingslager Dschenin. Im Rahmen seines sehr vielseitigen Engagements dokumentierte Kratsman ebenfalls die jüngsten Ereignisse in Gaza durch eine Reihe von Portraitaufnahmen der palästinensischen Zivilbevölkerung.

Naama Meishar, Kulturwissenschaftlerin an der Hebräischen Universität Jerusalem, hielt schließlich einen Vortrag zum Thema „Contradictions in the Israeli ‚Making Good’: a Study of Jaffa Slope Park“. Der Park wurde 2010 zwischen dem Hafen Jaffos und Alijah Hill angelegt. Der Ort hatte zuvor als Schuttabladeplatz gedient. Von der Kommune wurde er als Umweltrisiko und Zentrum krimineller Aktivitäten bezeichnet. Meishar kritisierte in ihrem Vortrag die fehlende Berücksichtigung der Meinung der arabisch-palästinensischen Bevölkerung, die sich für eine memoriale Nutzung des Ortes im Gedenken an die „Nakba“ ausgesprochen hatte. Ein Symbol von „Making good again“ musste einem Prestigeprojekt weichen, das schließlich vor allem auch den ökonomischen Interessen der Kommune dient. Der Beitrag stand im Kontrast zu anderen Referaten, indem er ein Beispiel der fehlenden Anerkennung einer Wiedergutmachungsnotwendigkeit thematisierte.

Sechste Session: Alternative Formen der Reparation

Im Rahmen der sechsten und letzten Veranstaltungssitzung unter dem Vorsitz vonRuthi GinsburgthematisierteHagit Keysar(Fachbereich Politik und Regierung an der Ben-Gurion-Universität des Negev) unter dem Titel „Open-sourcing Jerusalem: methods and tools for independent image and map making in the contested city?“ die durch „DIY Aerial Photography“ eröffneten Möglichkeiten einer unabhängigen Kartierung politisch umstrittener Gebiete. Do-it-yourself-Luftaufnahmen seien nicht nur ein Instrument der geographischen Informationsgewinnung, sondern auch der Berichterstattung. Zu den vorgestellten Projekten zählte das Wiki-Projekt „Mapping Gaza“. Dabei handelt es sich um die Kartierung des Gazastreifens, der infolge der politischen Rahmenbedingungen bei „google maps“ nicht präsent ist. Ziel derartiger kartographischer Projekte sei letztlich auch ein Beitrag zur Dokumentation von Geschichte und Zeitgeschehen. Die so genannte „Graswurzel Kartierung“ ist Teil des „Öffentlichen Labors für freie Technologie und Wissenschaft“, gegründet durch eine Gruppe von Aktivisten, Pädagogen und Technologen.

Abschließend bot der ChoreografArkadi Zaides__kadi Zaides__di Zaides__ Zaides__aides__des__s___ unter dem Präsentationstitel „Quiet & Land-Research: A report on two choreographic productions involving both Jewish and Arab collaborators“ einen Einblick in das Potenzial des Tanzes für die Aufarbeitung von historischen und gegenwärtigen Traumata und Konflikten durch die gemeinsame choreografische Projektarbeit der Angehörigen von Konfliktparteien.

Fazit

Die Konferenz bot einen Einblick in die Heterogenität kultureller Formen der Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen. Im Zentrum stand die Frage nach „Wiedergutmachung“. Was bedeutet Wiedergutmachung? Wie kann oder sollte sie aussehen? Abgesehen von der Unangemessenheit des Terminus – kein Unrecht lässt sich „wieder gut“ im Sinne von „ungeschehen“ machen – zeigte sich große Bandbreite künstlerischer und kultureller Herangehensweisen an dieses Thema.

Diese Ansätze können die juristische Aufarbeitung zwar nicht ersetzen; sie sind aber eine notwendige Ergänzung und können sogar dazu beitragen, dass die juristische Aufarbeitung überhaupt erst in Gang kommt. Einer der Referenten zitierte den berühmten Satz der ostdeutschen Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“. Gerade weil der Rechtsstaat in seinen Möglichkeiten, Gerechtigkeit (wieder) herzustellen, begrenzt ist, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, um der Würde der Opfer gerecht zu werden.

Konsens unter den Teilnehmern zeigte sich abschließend darin, dass alle auf der Konferenz vorgestellten Kunst- und Kulturprojekte nicht nur auf Individuen – der Opfer- wie der Täterseite – gerichtet sind, sondern auch und vor allem überindividuelle Bedeutung haben, indem sie an die Gesellschaft appellieren und diese mobilisieren.

Simon Perger, Angélique Kleiner, Michael Mertes

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