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Veranstaltungsberichte

Aufarbeitung vergangenen Unrechts und innere Aussöhnung

Was kann die Zivilgesellschaft leisten?

Vom 18. bis 19. Mai 2014 veranstalteten das Minerva Zentrum für Menschenrechte und die Juristische Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung Israel ihre 3. Jahreskonferenz zum Thema „Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Aufarbeitung vergangenen Unrechts – Von internationalen Erfahrungen lernen“. Die teilnehmenden Wissenschaftler zeigten sowohl unerkanntes Potential als auch Grenzen der Einflussmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure und Organisationen in diesem Bereich auf.

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Eröffnet wurde die Veranstaltung von Prof. Barak Medina, Dr. Ron Dudai (beide Hebrew University of Jerusalem) und Michael Mertes (Leiter der KAS Israel). Das erste Panel, geleitet von Prof. Medina, diente der Einführung in theoretische und historische Aspekte des Konzepts der Aufarbeitung vergangenen Unrechts. Dr. Anna Dolidze (University Western Ontario), Prof. Paul Finkelman (Albany Law School) und Prof. Ruti Teitel (New York Law School) machten das Publikum mit der Definition und dem Ursprung des Konzepts vertraut. Es umfasst verschiedenste Situationen des Wandels von einer gewaltvollen hin zu einer friedlichen, in der Regel demokratischen Ordnung.

Das zweite Panel, geleitet von Prof. Michael Karayanni (Hebrew University of Jerusalem), beschäftigte sich mit dem Begriff der Zivilgesellschaft, also dem Engagement von Bürgern und Bürgerinnen in regierungsunabhängigen, bestimmten Zielen verschriebenen Organisationen. Die Sprecher Sigall Horovitz (Truman Institute, Hebrew University of Jerusalem), Dr. Hala Khoury-Bisharat (Carmel Academic Center) und Prof. Yoav Peled (Tel Aviv University) bezogen ihre Überlegungen vor allem auf die Arbeit der von der Regierung Ehud Barak eingesetzten Or-Kommission, die die Zusammenstöße zwischen arabischen Bürgern und israelischen Sicherheitskräften im Oktober 2000 untersuchte und maßgebliche Unterstützung durch verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure erhielt, z.B. durch die die palästinensische Minderheit in Israel vertretende Organisation Adalah. Trotz ihrer Zielsetzung konnte die Or-Kommission nicht den Ansprüchen einer Wahrheits- und Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild gerecht werden, da weder in der Gesellschaft noch in der Politik Israels ein Konsens über die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission gefunden werden konnte. Die Panelisten stellten anhand des Beispiels der Or-Kommission übereinstimmend fest, dass der Erfolg der Arbeit einer Wahrheits- und Versöhnungskommission vom gesellschaftlichen wie politischen Willen zur Aussöhnung abhängt.

Das von Dr. Yael Ronen (Sha’arei Mishpat College) moderierte dritte Panel beleuchtete die Rolle von Juristen in zivilgesellschaftlichen Organisationen. Prof. Kieran McEvoy (Queen’s University Belfast) und Dr. Louise Mallinder (University of Ulster) näherten sich dem Thema aus wissenschaftlicher Perspektive, die Rechtsanwälte Neta Patrick (Hebrew University of Jerusalem), Bana Shoughry-Badarne (Public Committee Against Torture in Israel) und Limor Yehuda (Hebrew University of Jerusalem) gaben Einblicke in die anwaltliche Berufspraxis. Die Vortragenden bezogen sich unter anderem auf die Konflikte in Nordirland und Kambodscha, aber auch auf die Rolle der arabischen Rechtsanwälte in Israel. In Phasen eines gesellschaftlichen Umbruchs geht die Arbeit der Rechtsanwälte als Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen weit über bloße juristische Fragen hinaus: Sie sehen sich mit moralischen und politischen Fragen konfrontiert.

Im vierten Panel konzentrierten sich die Vortragenden Rimona Afana (University of Ulster), Sami Ershied (Hebrew University of Jerusalem), Prof. Daphna Golan (Minerva Center for Human Rights, Hebrew University of Jeursalem), Hassan Jabareen (Gründer der Organisation Adalah) und Einat Ronen (Bar Illan University) unter der Moderation von Danny Evron (Minerva Center for Human Rights, Hebrew University of Jerusalem) auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Thematisiert wurde aber auch die Spaltung der israelischen Gesellschaft in eine jüdische Mehrheit (rd. 75%) und eine arabische Minderheit (rd. 20%). Zivilgesellschaftliche Akteure und Organisationen aus dem arabischen Sektor übten einen nicht unerheblichen Einfluss auf politische Entwicklungen aus, nicht zuletzt auf Gesetzgebungsverfahren. Arabische wie jüdische Akteure und Organisationen hätten das Potential, die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien zu verbessern. Aufarbeitung vergangenen Unrechts wurde als ein mögliches Instrument der Friedensbildung in der Region genannt.

Das fünfte Panel, geleitet von Prof. David Kretzmer (Hebrew University of Jerusalem), analysierte mit Beiträgen von Julie Broome (University of London), Dr. Khanyisela Moyo (University of Ulster) und Leila Ullrich (University of Oxford) die Einflussmöglichkeiten nichtstaatlicher Akteure bei der Etablierung eines Rechtsstaates. Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist das Vorhandensein einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt. Im Mittelpunkt des Interesses stand der im Jahr 1998 geschaffene Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Ullrich ging auf die bedeutende Rolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Arbeit des IStGH ein. Daneben betonten die Panelisten die besonderen Herausforderungen für zivilgesellschaftliche Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, die ihre Arbeit vor dem Hintergrund andauernder, noch nicht abgeschlossener Konflikte aufnehmen.

Unter der Leitung von Dr. Nelly Kfir (Minerva Center for Human Rights, Hebrew University) unterzogen Dr. Yael Danieli (Direktorin des Projekts „Holocaust Überlebende und ihre Kinder“, New York), Dr. Cheryl Lawther (Queen’s University Belfast), Prof. Carrie Menkel-Meadow (University of California Irvine) und Prof. Timothy Waters (Indiana University) im sechsten Panel die Herausforderungen und Schwierigkeiten, vor denen zivilgesellschaftliche Organisationen stehen, einer prüfenden Betrachtung. Dr. Danieli schilderte die Reaktionen und die hohe emotionale Belastung von psychologischen Beratern während und nach ihrer Arbeit mit Holocaust-Überlebenden. Demgegenüber stellte Dr. Lawther die Aufarbeitung der Konflikte in Nordirland dar. Die Panelisten waren sich einig, dass für jeden Konflikt ein eigener Aufarbeitungsansatz entwickelt werden muss, der die individuellen Bedürfnisse sowohl der Opfer als auch der Gesellschaft im Ganzen berücksichtigt.

Nach einer Einführung von Sigall Horovitz stellte Prof. Ruti Teitel dem Auditorium im siebten Panel ihr jüngst veröffentlichtes Werk “Globalizing Transitional Justice” vor. Während im vierten Panel das Thema „Aufarbeitung vergangenen Unrechts“ im israelisch-palästinensischen Konflikt vorrangig aus theoretischer Sicht diskutiert wurde, ermöglichte das achte Panel unter der Moderation von Dr. Ron Dudai einen Diskurs zwischen den Vertretern verschiedener in diesem Bereich tätigen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Anwesend waren Vertreter der Abraham Fund Initiative, der Organisation Combatants for Peace und des Parents Circle Families Forum.

Die Konferenz schloss mit dem von Prof. Tomer Broude (Hebrew University of Jerusalem) geleiteten neunten Panel. Prof. Elazar Barkan (Columbia University) und Dr. Maya Kahanoff (Truman Institute, Hebrew University) betonten, dass die geschichtliche Aufarbeitung Bestandteil des Dialoges zwischen Konfliktparteien sein muss, um eine nachhaltige Aussöhnung zu verwirklichen. Insbesondere bei lang anhaltenden Konflikten, wie z.B. dem israelisch-palästinensischen Konflikt, ist ein Austausch der traumatischen Erfahrungen, die während des Konflikts gemacht wurden, nötig, um ein Verständnis beider Seiten für das Leid der anderen zu schaffen.

Lea Grohmann

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