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Veranstaltungsberichte

Der Bologna-Prozess in Europa und Israel

Eine Bildungsrundreise

Wie kann Israel vom Bologna-Prozess in Europa lernen? Welche Instrumente der Bologna-Reform können auch in Israel umgesetzt werden und was muss bei der Implementierung beachtet werden? Diese Fragen wurden am 22. Mai bei einem gemeinsamen Workshop der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Ben-Gurion-Universität des Negev und des Centre for the Study of European Politics and Society an dieser Universität im Konrad Adenauer Konferenzzentrum in Jerusalem diskutiert.

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Eine Video-Dokumentation des Workshops finden Sie hier.

Der Bologna-Prozess – unter diesem Begriff versteht man in Europa eine groß angelegte Reform zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes. Erasmus-Austausch, Studentenbeteiligung sowie die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse haben die Hochschulwelt vielerorts umgekrempelt. Und wenngleich Israel nicht zu Europa gehört, so möchte auch Israel seine Hochschullandschaft weiterentwickeln und die Bedingungen für Lehre und Forschung verbessern.

Prof. David Newman, Dekan der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ben-Gurion-Universität, sowie Dr. Sharon Pardo, Direktor des Centre for the Study of European Politics and Society, begrüßten die Teilnehmer und äußerten sich sehr erfreut über die produktive Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Michael Mertes, Leiter der KAS Israel, dankte seinerseits den Mitorganisatoren für die zukunftsweisende Kooperation. Alle drei Sprecher waren sich darin einig, dass die Arbeit des neuen „Bologna Training Center“, das von der Ben-Gurion-Universität aus künftig Universitäts- und College-Verwaltungen in ganz Israel bei der Einführung von Bologna-Strukturen beraten und weiterbilden wird, ein besonders wirksames Instrument zur Gestaltung der israelischen Hochschullandschaft werden könne.

Im ersten Teil des Workshops gaben die aus Europa angereisten Experten eine Einführung in den Bologna-Prozess und berichteten von ihren Erfahrungen mit der Implementierung. Als leidenschaftliche Unterstützerin der europäischen Hochschulreform referierte Dr. Norma Ryan vom University College Cork zunächst über die Geschichte und politische Entwicklungen des Bologna-Prozesses.

Seit der Prozess im Jahr 1999 als „intergouvernementales“ Projekt mit 29 Staaten begann, hat sich die Zahl der Mitglieder nun schon auf 47 erhöht. Der Bologna-Prozess ist nicht mehr auf die Bildungseinrichtungen der Mitgliedstaaten des Straßburger Europarats beschränkt; er könnte daher für Israel von großer Bedeutung sein, so Ryan. Die Grundidee stehe für Transparenz, Offenheit und die Förderung von Vielfalt – nicht, wie so oft negativ mit „Bologna“ konnotiert, Uniformität. Auch Mobilität, arbeitsmarktfähige Abschlüsse, Qualitätssicherung und Einbindung der Studenten sind zentrale Aspekte der Reform. So sei es wichtig, die Studenten nicht als bloße „Leistungsempfänger“, sondern Partner des komplexen Reformprozesses zu sehen. Seit 1999 finden regelmäßig Expertentreffen statt, welche über die Probleme und mögliche Verbesserungen der Reform beraten. „Vieles ist schon geschafft und doch gibt es noch viel zu tun“, so Ryan.

Über die Herausforderungen bei der Implementierung von Bologna berichtete Prof. Marek Frankowicz von der Jagiellonischen Universität in Krakau, Polen. Er wies darauf hin, dass es auch kritische Stimmen im Hinblick auf die Reform gebe. Die Umstellung auf das Bachelor- und Master-System habe vielerorts Studierende und Lehrende zu Protesten veranlasst. Während die Umsetzung der Reform auf internationaler politischer Ebene relativ erfolgreich war und ist, gebe es auf institutioneller Ebene leider einige Probleme.

Doch auch Prof. Frankowicz glaubt an die Idee von Bologna und entgegnet den Kritikern, dass die Reform im Grunde wie eine Modeschau sei: Während die Designer innovative und außergewöhnliche Kleider kreieren, seien diese so, wie sie vorgeführt werden, selten alltagstauglich. Doch können solche Shows Trends wie zum Beispiel die neuen Farben der Saison vorgeben, von denen sich der Endkonsument das heraussucht, was seinem Stil und seinen Vorlieben entspricht. Übertragen auf die Bildungspolitik sieht Prof. Frankowicz damit die Möglichkeit zur Vielfalt auch mit Bologna gewahrt. Jede Universität solle frei sein, die Ideen auf ihr eigenes Profil anzupassen. Der Erfolg der Reform hängt nach seiner Meinung nach stark davon ab, inwieweit es gelingt, alle Beteiligten mit in die Entwicklung einzubeziehen.

Einen Einblick aus der Perspektive der Forschung gab Dr. Johanna Witte vom Bayrischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung. Sie hob hervor, dass die große Herausforderung darin bestehe, verschiedene Ziele des Bologna-Prozesses auszubalancieren. So existiert beispielsweise ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, Vergleichbarkeit zu schaffen und dennoch Vielfalt zu fördern, ebenso wie zwischen Kooperation und Wettbewerb zwischen Universitäten. Obwohl es keinen idealen „Weg nach Bologna“ gebe, ermutigte sie Israels Entscheidungsträger, von den Erfahrungen der europäischen Länder zu lernen und Ideen des Bologna-Prozess maßgeschneidert zu nutzen. Dabei empfahl sie den israelischen Teilnehmern, die Macht von menschlichen und kulturellen Faktoren nicht zu unterschätzen und öffentliche Diskussion zu fördern, um verschiedene Entwicklungen im Hochschulsystem auch innerhalb Israels zu kommunizieren. Ferner betonte sie die Notwendigkeit, alle Akteuren – politische Institutionen, Studenten sowie Professoren – einzubinden; nur so könne ein proaktiver Ansatz zur Bildungsreform gefunden werden.

Im zweiten Teil der Veranstaltung lag der Fokus auf Israel und der Frage, wie sich Israel den Bologna-Prozess zunutze machen kann. Unter der Moderation von Prof. David Newman diskutierten Shira Lanir, Koordinatorin des National Tempus Office (NTO) Israel, Prof. Sarah Guri-Rosenblit von der Open University Israel und Adi Edlira Kahani vom israelischen Bildungsministerium mit einander und dem anwesendsen Fachpublikum.

Wo steht Israel? Zum aktuellen Stand des Bologna-Prozesses in Israel referierte Shira Lanir. Bereits zweimal, 2007 und 2008, hat Israel einen Antrag zur Aufnahme in das Bologna-System gestellt, doch beide Anträge abgelehnt. Dennoch ist Israel ein regelmäßiger Teilnehmer des „Bologna Policy Forum“ und aktiver Mitgestalter verschiedener Bologna-bezogener Projekte, wie zum Beispiel des neuen „Bologna Training Center“ und von „Tempus Corinthiam“.

Prof. Sarah Guri-Rosenblit, Direktorin der Abteilung International Academic Outreach, Education & Psychology Department an der Open University of Israel, gab einen Ausblick auf die Herausforderungen des Bologna-Prozesses und des Hochschulsystems in Israel. Sie ist – wie schon die europäischen Vorredner vom Vormittag – der Meinung, dass es bei Bologna weniger darum geht, Uniformität zu schaffen, sondern vielmehr darum, die Hochschullandschaft zu „harmonisieren“. Dies sei essentiell, um eine gemeinsame „Sprache“ in der Hochschulwelt zu schaffen, sodass alle Beteiligten besser miteinander kommunizieren und kooperieren könnten. Besonders im Hinblick auf die Terminologie und Akkreditierung von Abschlüssen sei in Israel noch viel zu tun, so Guri-Rosenblit. Es sei ein riesiges Hindernis für die reibungslose Kooperation von Universitäten im Land, dass prinzipiell gleichwertige Abschlüsse der einen Universität oftmals von der anderen nicht anerkannt werden.

Auch Adi Edlira Kahani, Referentin im israelischen Bildungsministerium, bestätigte, dass es noch viel Reformbedarf in der israelischen Hochschullandschaft gibt. Jedoch wies sie auch darauf hin, dass sich besonders in den letzten zwei Jahren einiges bewegt habe – nicht zuletzt durch Initiativen wie das „Bologna Training Center“ der Ben-Gurion-Universität. Zudem gebe es mehrere Austausch- und Stipendienprogramme, wie zum Beispiel das Erasmus-Mundus Programm, mit denen die Internationalisierung der israelischen Universitäten vorangetrieben werde. Verschiedene Elemente des Bologna-Prozesses würden somit bei den israelischen Reformvorhaben aufgegriffen.

Der Tag wurde abgerundet durch eine Diskussionsrunde, an der sich alle Referenten und Teilnehmer unter Leitung des Moderators Dr. Carlos Machado beteiligen konnten. Die Vielfalt der Fragen, die an die Experten gerichtet wurde, verdeutlichte die Relevanz der Thematik für die israelische Öffentlichkeit, und es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion.

Am Ende des Tages waren sich alle Beteiligten einig, dass die Veranstaltung ein voller Erfolg war. Auch wenn der Bologna-Prozess kein Allheilmittel für die verschiedenen Probleme in der israelischen Hochschullandschaft ist, so kann er doch wertvolle Anregungen für eine israelische Hochschulreform bieten und die Beziehung zwischen Israel und Europa auf Universitätsebene stärken. Das „Bologna Training Center“ der Ben-Gurion Universität kann dabei in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung diese Entwicklungen unterstützen, indem sie eine Plattform für Diskussion und Austausch bietet.

Erläuterungen zur „Bologna“-Terminologie

  • Der Bologna-Prozess: Ziel des Bologna Prozess ist ein einheitlicher europäischer Hochschulraum. Im Jahr 1999 unterzeichneten 29 europäische Bildungsminister die Bologna-Erklärung, inzwischen gibt es 47 Mitglieder, von denen viele nicht EU-Mitglieder sind. Die Reform sieht ein System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse, die Einführung des European Credit Transfer System (ECTS) als Leistungspunktesystem sowie eine stärkere Kooperation von europäischen Hochschulinstitutionen vor.

  • TEMPUS: Es handelt sich um ein Programm der Europäischen Union mit dem Ziel, die Modernisierung der Hochschulsysteme in Partnerländern in Osteuropa, Zentralasien, dem Westlichen Balkan und der Mittelmeerregion zu unterstützen. Das Programm wird hauptsächlich durch Kooperations-Projekte zwischen Universitäten ausgeführt.

  • TEMPUS – Corinthiam: Corinthiam ist ein Tempus-Projekt mit dem Ziel, die Qualität und Internationalisierung der Hochschulen in der Mittelmeerregion voranzutreiben. Dazu gehört die Einführung verschiedener Bologna-Elemente, wie z.B. das European Credit Transfer System (ECTS), um die Mobilität der Studenten zu verbessern. Das Projekt wird von einer Arbeitsgemeinschaft geleitet, die aus vier israelischen und zwei palästinensischen Hochschulinstitutionen sowie sieben europäischen Universitäten besteht.

  • Erasmus Mundus: Dieses Programm zielt auf die qualitative Verbesserung der Hochschulbildung durch * Stipendien und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und der übrigen Welt. Das Programm bietet finanzielle Unterstützung für Hochschuleinrichtungen und Stipendien für Einzelpersonen. Gefördert werden gemeinsame europäische Masterstudiengänge und Doktorate, Partnerschaften mit nicht-europäischen Hochschuleinrichtungen, Stipendien für Studierende und Wissenschaftler sowie Projekte zur Stärkung des Ansehens der europäischen Hochschulbildung weltweit.

  • Higher Education Reform Experts (HEREs): Die Higher Education Reform Experts sind eine ausgewählte Gruppe von Experten aus dem Hochschulwesen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Bologna-Ziele auch außerhalb von Europa unter Berücksichtigung nationaler Faktoren zu fördern. Die verschiedenen Länder-Teams bestehen aus Direktoren, Dekanen, Wissenschaftlern sowie Studenten und beraten Hochschulinstitutionen unter anderem in den Bereichen Anerkennung von Abschlüssen, Curriculum-Reform, ECTS und Qualitätssicherung.

Wibke Foß und Motje Seidler

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