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Veranstaltungsberichte

Der Fall der Berliner Mauer: Die deutsche friedliche Revolution und die folgenden zwei Jahrzehnte

Internationale Konferenz

Im Jahr 2009 jähren sich zum zwanzigsten Mal die Friedliche Revolution und der Fall der Berliner Mauer von 1989. Im Zeichen dieses Jubiläums führte die KAS eine zweitägige internationale Konferenz "Der Fall der Berliner Mauer: Die deutsche friedliche Revolution und die folgenden zwei Jahrzehnte“ zusammen mit dem „Haifa Center for German & European Studies (HCGES)“ der Universität Haifa durch.

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In der Einführung zur Konferenz konstatierte Dr. Lars Hänsel, Leiter der KAS in Israel, dass die Beschäftigung mit der Friedlichen Revolution nicht selten vor allem auf den Fall der Mauer in Berlin im November 1989 fixiert sei. Dies sei auch sicher das zentrale Ereignis gewesen. Allerdings stehe dieses Datum symbolisch auch für eine Entwicklung, die bereits viel früher, vor allem in den 80er Jahren begonnen hatte. Viele mutige DDR-Bürger hatten schon in den 80er Jahren den Boden bereitet mit Protesten und vielfältigem Widerstand gegen die DDR-Diktatur. Dieser mutige Einsatz für Freiheit und Demokratie, so Hänsel, sei eine der wichtigsten Grundlagen auch für das wiedervereinigte Deutschland.

Referenten der Konferenz wie die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Oppositionellen Rainer Eppelmann, Vera Lengsfeld, Konrad Weiss, Dr. Karsten Dümmel spielten selbst eine wichtige Rolle im Widerstand. Sie konnten diese geschichtlichen Geschehnisse nicht nur analysieren, sondern auch aus eigenen Erfahrungen sehr authentisch berichten und damit der Konferenz eine persönliche Note verleihen.

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Rainer Eppelmann beschreibt den langen Weg zur friedlichen Revolution und Selbstbefreiung

Im Zentrum des Eröffnungsabend in der Anwesenheit des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Dr. h.c. Harald Kindermann und des Präsidenten der Universität Haifa, Prof. Aharon Ben-Zeev, stand die Rede des Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, der Gründungsmitglied der oppositionellen Partei Demokratischer Aufbruch (DA) war. Schritt für Schritt schilderte er den langen Weg zur Selbstbefreiung und zur friedlichen Revolution.

Eppelmann begann seine Ausführungen mit dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, als mehrere Menschen, die freien Wahlen forderten, in Regierungsgebäude eindrangen und die SED-Diktatur fast zum Sturz brachten. Eppelmann ist der Überzeugung, dass die SED-Regierung der DDR ohne den Einsatz der sowjetischen Truppen schon damals gestürzt worden wäre. Die Niederschlagung des Aufstandes hatte die Bevölkerung nachhaltig traumatisiert, da sie erkennen musste, dass nun selbst in der Verfassung verbriefte Rechte für sie keine Gültigkeit mehr hatten.

Als die DDR endgültig in das Sowjetsystem eingegliedert wurde, sahen viele Menschen die Flucht in den Westen als ihre einzige Option. Gut vier Millionen Menschen verließen damals die DDR in Richtung Westen. Diese "Abstimmung mit Füßen" wurde damit zur größten Fluchtwelle im westlichen Nachkriegseuropa und barg in sich den Keim zum größten Trauma: Die Errichtung der Mauer, bzw. des "antifaschistischen Schutzwalls", am 13. August 1961, wie es die SED-Führung nannte.

An dieser Stelle, meinte Eppelmann, wurden die Menschen in der DDR zu Gefangenen der Diktatur verurteilt, da ihnen die letzte Möglichkeit zur Freiheit genommen war. Sie waren dem Regime praktisch schutzlos ausgeliefert. Um ein normales Leben führen zu können, arrangierten sich viele mit dem System, wobei andere ihr persönliches Glück im Rückzug in das geistige und private Leben gesucht haben. Aber auch die Evangelische Kirche bot Freiraum, Demokratie zu erproben und Widerstand zu formieren.

Am Ende seines Vortrags kam Eppelmann auf die Demonstrationen von 1989 zu sprechen. Trotz der klaren Reaktionen der DDR-Führung auf die Pekinger Studentenproteste und die Furcht vor ähnlichen Repressalien fanden viele den Mut auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Diesmal griff die Sowjetregierung allerdings nicht mehr ein. Diese Protestbewegung führte schließlich zu einer Befreiung aus eigener Kraft. So wurde das Trauma von 1953 überwunden, meinte Eppelmann.

In zwei wissenschaftlichen, internen Fachdiskussionen wurden die wirtschaftlichen, finanziellen sowie die historischen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung analysiert sowie der deutsche Einigungsprozess und die europäische Integration verglichen.

Bereits am Eröffnungsabend der Konferenz hatten die Redner die Besonderheit der Veranstaltung einer Konferenz gerade in Israel betont. Für Botschafter Dr. Kindermann habe die Wiedervereinigung ein neues Kapitel in den deutsch-israelischen Beziehungen aufgeschlagen.

Umso wichtiger war es den Veranstaltern der Konferenz, sich auch mit dem negativen Umgang der DDR mit Israel und dem Judentum auseinanderzusetzen.

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"Die DDR, Israel und die jüdische Welt" - auf dem Panel Konrad Weiss, Dr. Viola Neu, Vera Lengsfeld, Raul Teitelbaum und Dr. Karsten Dümmel (v.l.n.r.)

Vera Lengsfeld berichtete über das Leben der Juden in der DDR. Das Schicksal von jüdischen Gemeinden und Juden in der DDR betrachtete sie dabei als Indikator gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse in der DDR und berichtete von zahlreichen Einzelfällen und jüdischen Lebenswelten in der DDR, vor allem in den 1980er Jahren. Juden gaben in vielen Fällen aus Zwang zur Anpassung ihre jüdische Identität auf.

Dr. Karsten Dümmel, zeigte in seinem Vortrag über die Arbeit von Oppositionellen Gruppen unter dem Dach der Kirche in der DDR einen besonderen Aspekt auf: auch jüdische Gemeinden unterstützen oppositionelle Aktivitäten. In Bild und Ton stellte er die Atmosphäre in Evangelischen Gemeindezentren der 70er und 80er Jahre in Thüringen dar und zeigte Beispiele oppositioneller Netzwerke.

Da direkter Antisemitismus in der kommunistischen Doktrin verboten war, wurde der Antisemitismus durch Anti-Israelismus, bzw. Anti-Zionismus ersetzt. Regisseur und Publizist, Konrad Weiss fragte in seinem Vortrag über Antisemitismus und Israelfeindschaft in der DDR: „War die DDR tatsächlich ein antifaschistischer Staat?“ Darauf kann es für Weiss nur eine negative Antwort geben, die er in rhetorische Fragen fasste: „Kann es Antifaschismus geben, der antisemitisch ist? Ist eine Gesellschaft antifaschistisch, die den Überlebenden der Shoah das Lebensrecht abspricht und die Solidarität verweigert? Ist ein Land antifaschistisch, in dem es jahrzehntelang Regierungspolitik war, alles Jüdische totzuschweigen: jüdische Religion und Kultur, jüdische Geschichte und Tradition, die Leistung von Juden in der deutschen Geschichte?“ Weiss berichtete außerdem von einem Dokumentarfilm über einen jüdischen, in Treblinka ermordenten Jungen, den er damals drehen wollte. Als Argument gegen diesen Film wurde ihm von offizieller Seite u. a. genannt, dass der Film Sympathie für Juden und für Israel wecken könnte. - Wurde Anfangs noch die Gründung Israels begrüßt, so kam der Umschwung nach dem Slanksi-Prozess 1952 in Prag, der auch in der DDR zu Verfolgung und Demütigung von Juden und schließlich zu einer Ausreisewelle führte. Bis zuletzt lehnte die DDR außerdem Wiedergutmachungszahlungen ab und verfolgte eine feindliche Politik gegenüber dem Staat Israel. Offiziell hat die DDR den Staat Israel nie anerkannt. Ein Schuldbekenntnis gegenüber den Juden oder gegenüber Israel gab es bis zum Schluss nicht – dies erfolgte erst in der ersten frei gewählten Volkskammer am 12. April 1990.

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Regisseur und Bürgerrechtler Konrad Weiss: „War die DDR tatsächlich ein antifaschistischer Staat?“

Dr. Viola Neu, Politikwissenschaftlerin und Parteienforscherin der KAS, zog bei Ihrer Analyse des gegenwärtigen Israelbildes der Partei Die Linke nicht nur das Israelbild der SED, sondern auch linker Bewegungen in der Bundessrepublik in ihre Analyse mit ein, da sich aus beidem die gegenwärtige Haltung Der Linken speise. Dabei bewertete sie eine grundsätzliche Distanz gegenüber Juden als eines der Traditionselemente linker Bewegungen (mit Ausnahme von Teilen der Sozialdemokratie). Insgesamt zeigt sich nach Neu ein ambivalentes Bild der linken Strömungen und der Partei Die Linke in Bezug auf Israel, das einerseits von einer langen antizionistische Tradition geprägt sei. Andererseits spielen die weit verbreiteten Sympathien für vermeintlich antikapitalistische „Befreiungsbewegungen“ eine Rolle. Generell gäbe es innerhalb der Partei Die Linke wie auch innerhalb linker Gruppen und Organisationen weit verbreiteten z. T. aggressiven Antizionismus. Neu konstatierte jedoch eine gegenwärtig zunehmende Auseinandersetzung mit Israel innerhalb Der Linken und schloss: „Je intensiver die deutsche Verantwortung für den Holocaust in den Focus rückt, desto stärker wird dem Existenzrecht Israels zugestimmt. Eine Entschuldigung für die Politik der SED ist die Linke jedoch bislang schuldig geblieben.”

Der Journalist Raul Teitelbaum referierte über „Die DDR und das Wiedergutmachungsabkommen" und zeigt auf, wie die anfänglichen Kontakte Israels mit Ost-Deutschland sich bald abkühlten, nicht zuletzt auf dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen zwischen der Sowjetunion und Israel. Seit 1966 lehnte die DDR Wiedergutmachungszahlungen kategorisch ab.

In einem offenen Schlusspanel berichteten die Teilnehmer von ihren persönlichen Erfahrungen. Moderiert wurde dieses Panel von dem israelischen Schriftsteller Chaim Noll, welcher bis in die 80er Jahre in der DDR gelebt hatte und sich heute als Vermittler zwischen Israel und Deutschland sieht. Der Künstler Abed Abdi, der als Araber in Haifa noch vor der Staatsgründung Israel geboren wurde, berichtete von seiner Zeit als Student in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste. Botschafter Kindermann erzählte von seinen Erfahrungen aus den letzten Monaten der DDR. Damals war er Berater des letzten Justizministers der DDR der Regierung Lothar de Maizere und war Mitglied der Verhandlungsdelegation des Einigungsvertrages. In dieser Zeit wurde er durch die Beschäftigung mit den Justizakten mit dem Alltag einer Diktatur konfrontiert. Dr. Karsten Dümmel hob in seiner Erinnerung noch einmal die Zeit der Demonstrationen im Herbst 1989 hervor und die Stürmung der Stasi-Bezirksverwaltung in Gera.

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Persönliche Erfahrungen der DDR-Zeit: Abed Abdi, Chaim Noll, Dr. Karsten Dümmel und Botschafter Dr. Harald Kindermann (v.l.n.r.)

Insgesamt stellte diese Konferenz in der Arbeit der KAS Israel einen gelungenen Auftakt für das Jahr 2009 dar, in welchem besonders auch an die Friedliche Revolution und die Entwicklungen erinnert werden soll, welche zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt haben. Dabei wurde die deutsche Geschichte sowie auch das sich ändernde Verhältnis zu Israel beleuchtet. Somit leistete die Konferenz auch einen Beitrag ein tieferes Verständnis auf israelischer Seite für die deutsch-deutsche Geschichte und damit auch für die Vertiefung der deutsch-israelischen Beziehungen.

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