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Veranstaltungsberichte

Der Gaza-Rückzug: Versäumnis oder historische Wende?

Konferenz am 22. März 2007 im Konrad-Adenauer-Konferenz-Zentrum in Jerusalem

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Unmittelbar nach dem israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen im Jahr 2005 initiierte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel gemeinsam mit dem „Jerusalem-Institut für Israel-Forschung“ und dem „Tami-Steinmetz-Zentrum“ der Universität Tel Aviv ein Forschungsprojekt, um die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Ereignisses zu analysieren und Lehren für die Zukunft zu ziehen. In der vergangenen Woche präsentierte die Forschungsgruppe ihre Ergebnisse im Konrad-Adenauer-Konferenz-

Zentrum einer breiten Öffentlichkeit. Dadurch, dass israelische Siedler in der Westbank in diesen Tagen erneut für Schlagzeilen sorgen, erlangte das interdisziplinäre Forschungsprojekt auch tagesaktuelle Bedeutung.

Bei der Konferenz stand die Frage im Mittelpunkt, ob der Gaza-Rückzug eine historische Wende oder eine versäumte Chance für den Staat Israel darstelle. Die Antwort auf jene Frage hängt vor allem davon ab, wen man fragt: In der kollektiven und persönlichen Erinnerung der Siedler ist der Gaza-Rückzug ein traumatisches und zerstörerisches Ereignis, das nicht nur den Siedlern, sondern dem gesamten Staat Schaden zugefügt habe. Viele Siedler sahen sich als „Schutzschild“ für das ganze Land. Ihr Abzug aus Gaza bedeute deshalb eine Schwächung des Staates Israel. Im Rückzug lägen demnach viele aktuelle Probleme Israels begründet – vom Zweiten Libanonkrieg bis hin zur Korruption im Lande.

Für die Siedler war es eine große Überraschung, dass sie wider Erwarten nicht von weiten Teilen der israelischen Öffentlichkeit unterstützt wurden. Aber genau dies stelle die große historische Wende in der israelischen Gesellschaft dar, so Professor Tamar Hermann. In Ihrer Meinungsumfrage fand sie heraus, dass Ariel Sharon bei der Entscheidung über den Rückzug dem Wunsch des Volkes gefolgt war und nicht seinen eigenen politischen Kreisen, aus denen er damals keine Unterstützung erhielt. Dies führte schließlich sogar zu neuen innenpolitischen Entwicklungen in Israel, unter anderem zur Gründung der neuen Zentrumspartei Kadima.

In Hinblick auf den Friedensprozess hätte Sharons wichtiger Schritt besser geplant werden können, sagte Professor Yaacov Bar-Siman-Tov. Die Einseitigkeit des israelischen Vorgehens habe den Palästinensern das Gefühl gegeben, sie spielten keine Rolle mehr. So konnten sie den Gaza-Rückzug nicht als positive Geste interpretieren. Auch für Israel selbst brachte der Rückzug nicht die erwarteten politischen Gegenleistungen, da Israel durch die Einseitigkeit der Handlung der anderen Seite keine Bedingungen habe stellen können. Es gelte die Aussage von Condoleezza Rice: „Ein einseitiger Schritt wird dann vorgenommen, wenn er dem, der ihn macht, einen Vorteil bringt – man kann deshalb keine Belohnung von der anderen Seite erwarten“.

Ob und wie der Gaza-Rückzug Israel Vorteile gebracht hat, wird wohl noch lange Bestandteil der innerisraelischen Diskussion sein und die weiteren politischen Entwicklungen im Lande prägen.

Palina Kedem

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