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Veranstaltungsberichte

Die Erste Internationale Konferenz für Regionale Kooperation

Am 5. September 2011 veranstaltete das israelische Ministerium für Regionale Kooperation die Erste Internationale Konferenz für Regionale Kooperation. Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf wirtschaftlichen Themen.

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Zahlreiche Diplomaten, israelische und internationale Politiker sowie arabische Geschäftsleute aus den Palästinensischen Gebieten fanden sich zu diesem Anlass im David Intercontinental Hotel in Tel Aviv ein. Neben Vorträgen von hochrangigen Politikern fanden Panels zu den Themen „Israel and the Palestinians: Walking the Line between Optimism and Pessimism“, „The ‘Arab Spring’ – Significance and Prospects for Economic Cooperation“ und „Cross-Border Cooperation ‘A Foundation for Regional Stability and Prosperity’“ statt.

„We need to do everything we can in order to empower moderates in the region“

Der Initiator der Konferenz, Silvan Shalom, Vizeministerpräsident und Minister für Regionale Kooperation, betonte zu Beginn, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten kein Luxus, sondern unerlässlich für die Stabilität der Region sei.

Nur wenn die Bevölkerungen der arabischen Länder auch von den Friedensvereinbarungen profitierten, könne im Volk Unterstützung für diese Abkommen erreicht werden. In Anbetracht der komplizierten politischen Lage, die sich durch die Umbrüche in der arabischen Welt und dem geplanten Gang der Palästinenser vor die UN ergibt, solle die Konferenz zeigen, dass besonders in diesem Moment die Notwendigkeit für Zusammenarbeit in der Region besteht.

Shalom rief dazu auf, alles für die Stärkung moderater Kräfte in den arabischen Nachbarländern zu tun. Die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde zählte er explizit zum moderaten Lager. Mit den vertrauensbildenden Maßnahmen, die sein vor zwei Jahren gegründetes Ministerium umsetze, habe Israel zur Förderung der regionalen Kooperation, besonders mit den Palästinensern, beigetragen. So habe er für den Abbau von Straßensperren, die Wiedereröffnung von Grenzübergängen, die Ausweitung der Öffnungszeiten von Grenzübergängen und die Errichtung von „business lounges“ an Grenzübergängen gesorgt. Trotz allem gebe es keine Alternative zu direkten Verhandlungen. Shalom fügte hinzu, dass sein Ministerium gerne die Anzahl der nach Gaza reisenden Lastkraftfahrzeuge erhöht hätte, dies von der Hamas aber nicht gewünscht wurde.

„Alone together we can make peace“

Staatspräsident Shimon Peres ging in seiner Rede auf die Bedeutung der Wirtschaft für die Region ein. Nur durch die Schaffung besserer Lebensbedingungen für die neue Generation könne eine stabile Zukunft geschaffen werden. Israel müsse der Region als Beispiel dienen.

Die arabische Welt stehe vor großen Herausforderungen. Die weitverbreitete Armut drohe sich durch das starke Bevölkerungswachstum bspw. in Ägypten noch weiter auszudehnen. Daher bestehe Bedarf für gesellschaftlichen Wandel. Man müsse die Region durch die Bekämpfung von Armut auf Frieden vorbereiten.

Peres würdigte die Umbruchbewegungen in der arabischen Welt und die Proteste für mehr soziale Gerechtigkeit in Israel. Die jungen Demonstranten in Israels Nachbarländern stellten sich klar gegen Diktatur und Korruption und strebten nach Freiheit und einer anderen Welt. Er warnte aber auch vor der Gefahr, dass radikale Kräfte sich diese Bewegungen zu Nutze machen könnten und verwies auf die historischen Beispiele der französischen und russischen Revolutionen.

Hinsichtlich der für 20. September vorgesehenen Abstimmung in den VN über einen palästinensischen Staat erkläre Peres, die VN müssten zwei Fragen beantworten: die nach der palästinensischen Unabhängigkeit und die nach Israels Sicherheit. Er befürworte die Gründung eines palästinensischen Staates, die zweite Frage lasse sich allerdings nicht durch die VN beantworten. Deshalb sei es entscheidend, die Tür zu Verhandlungen wieder zu öffnen. Er fügte hinzu, dass Beziehungen wichtiger als Grenzen seien. Grenzen könnten keine Raketen oder Umweltverschmutzung zurückhalten, dies sei nur durch Kooperation möglich. Israel könne durch wirtschaftliche Zusammenarbeit die Bereitschaft für Frieden in den arabischen Nachbarländern fördern.

„Integration of the two economies is possible, as is has been in the past“

Der Chef der israelischen Zentralbank, Stanley Fischer, warnte in Anbetracht der aktuellen diplomatischen Krise zwischen Israel und der Türkei vor den verlustreichen Folgen eines Abbruchs der Handelsbeziehungen mit der Türkei. Seine Präsentation zeigte, dass Israels Wirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von fast 200 Milliarden US-Dollar zwar größer als die der meisten seiner Nachbarn sei, die Türkei mit einem BIP von über 700 Milliarden USD aber mit Abstand die größte Wirtschaft in der Region sei und das Potential zu einer globalen Wirtschaftsgroßmacht habe.

In seinem Vortrag zu den interregionalen Handelsbeziehungen im Nahen Osten verwies er darauf, dass das Handelsvolumen zwischen Israel und den anderen Ländern der Region nicht sehr hoch sei. Dieses Phänomen treffe aber auch auf den Austausch unter den arabischen Staaten zu. Deren Wirtschaftsstruktur sei auf Energieexporte außerhalb der Region ausgerichtet. Deshalb sei auch unter friedlichen Bedingungen nicht mit einem signifikanten Anstieg der Handelsbeziehungen zu rechnen. Nichtsdestoweniger bestehe Potential für den Ausbau der intraregionalen Handelsbeziehungen, der für alle Parteien nutzbringend sei und wichtige politische Auswirkungen auf die Beziehungen der Handelspartner habe.

Die Handelsbeziehungen mit den Palästinensischen Gebieten seien nicht von hoher makroökonomischer Bedeutung für Israels Wirtschaft, der Handel zwischen den beiden Einheiten sei jedoch von höchster politischer Bedeutung. Die Palästinensischen Gebiete verfügten über eine differenziert denkende Führung und eine hochentwickelte Wirtschaft, deren Leistung momentan weit unter ihrem Potential liege. Es gebe keinen Grund warum die Wirtschaft im Westjordanland unter friedlichen Bedingungen nicht wieder auf Wachstumsraten wie im Jahr 2006 ansteigen könnte. Allerdings betonte auch Fischer, dass ein „wirtschaftlicher Frieden“ den diplomatischen Frieden nicht ersetzen könne.

„If something is worth it, never give up until it is done“

Als Ehrengast wurde der Sondergesandte des Nahost-Quartetts und ehemalige britische Premierminister Tony Blair für seine Rolle im Friedensprozess und für seine Verdienste zur Annäherung von Israelis und Palästinensern ausgezeichnet. Blair, der nach eigenen Angaben nun zum 70. Mal seit Antritt des Postens als Sondergesandter die Region besuchte, zeigte sich trotz der aktuellen Instabilität optimistisch.

Er glaube an die Vernunft der Menschen, auch in dieser Region. Man müsse einen Schritt zurücktreten und das Ganze betrachten. Es sei niemandes Interesse, den Konflikt weiterzuführen, wenn man gemeinsam so viel für Israelis und Palästinenser schaffen könnte.

Wirtschaftliche Beziehungen seien ein wichtiger Schritt um Stabilität zu erreichen, aber auch Blair betonte, dass Handel ein Hilfsmittel für die Politik sei, kein Ersatz. Es bedürfe einer engen Verflechtung von Sicherheit, Politik und Wirtschaft. Wenn politische Verhandlungen festgefahren seien, könnten Handelsbeziehungen helfen, um bspw. den Lebensstandard der betroffenen Bevölkerung zu steigern. „You don’t make peace by politicians sitting in a room, you make peace by giving people a stake in the future. By giving them some hope and by giving them an acceptance that making peace is better than making war – and that’s where the economics matters.“

Es sei nun besonders wichtig, vor dem 20. September 2011 einen Rahmen für Verhandlungen zu finden, der für beide Seiten glaubwürdig ist. Das Potential für Kooperation sei enorm und beide Seiten seien sich einig über das erwünschte Ergebnis: Die Zwei-Staaten-Lösung.

„We cannot afford not to be pragmatic“

Im Anschluss legte die israelische Oppositionsführerin und Kadima-Vorsitzende Tzipi Livni ihre Einschätzungen zu den Möglichkeiten regionaler Kooperation dar.

In diesen Tagen sei Zusammenarbeit schwierig. Obwohl Kooperation wichtig sei, käme es auf einen politischen Prozess an. Eine gesteigerte Lebensqualität könne nicht das Verlangen der Palästinenser nach einem eigenen Staat ersetzen.

Sie rief Israelis und Palästinenser dazu auf, noch vor dem 20. September an den Verhandlungstisch zurückzukehren und warnte die israelische Regierung, dass die Voraussetzungen für Verhandlungen nach einem palästinensischen VN-Antrag wesentlich schlechter für Israel seien. Ein palästinensischer Staat liege ebenso wie eine stabile palästinensische Wirtschaft in Israels Interesse. Gleichzeitig sei Israels Sicherheit im Interesse der Palästinenser.

Weiterhin beklagte Livni die zunehmende internationale Isolierung Israels und unterstrich die Notwendigkeit, mit pragmatischen Kräften in der arabischen Welt zusammenzuarbeiten. In Bezug auf die Türkei forderte sie die Regierung auf, Anstrengungen zu unternehmen, um eine politische Lösung für die aktuelle Krise zu finden.

Umfrage zu möglicher Kooperation zwischen Israel und den Nachbarstaaten

Im Rahmen der Konferenz wurde eine neue Umfrage von Geocartography Knowledge vorgestellt, die sich mit den Einstellungen von Palästinensern, Jordaniern und der Marokkanern zu einer möglichen Zusammenarbeit mit Israel befasste. Als Kooperationsprojekte wurden bspw. humanitäre Hilfe, Wasser, Strom, gesellschaftliche Themen (gemeinsame Fußballspiele und Jugendgruppen) und Abwasser genannt.

Das Ergebnis der Umfrage besagt, dass die Palästinenser die mit Abstand positivste Haltung (85%) zu Kooperationsvorhaben mit Israel vertreten – ein Ergebnis, das sich auch auf israelischer Seite gegenüber den Palästinensern bestätigt. Dieses hohe Maß an Übereinstimmung wurde auf die geographische Nähe und die Vertrautheit durch das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern zurückgeführt.

Fazit

Der allgemeine Tenor lautete, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit keine politischen Abkommen ersetzen könne. Um einen nachhaltigen Frieden in der Region zu schaffen, müssten die Aspekte Sicherheit, Politik und Wirtschaft eng verwoben werden und wirtschaftliche Abkommen die politischen Abkommen komplementieren. Unilaterale Initiative schadeten beiden Seiten und verstießen gegen das Oslo-Abkommen.

Weiterhin stimmten die Teilnehmer überein, dass die aktuelle politische Situation schwierige Ausgangsbedingungen biete, aber gerade deshalb die regionale Zusammenarbeit von höchster Bedeutung sei.

Das Stattfinden dieser Konferenz zu einem solch schwierigen Zeitpunkt sei ein wichtiges Zeichen für die essentielle Rolle regionaler Kooperation, aber auch die bestehenden Möglichkeiten in diesem Bereich. Ein lebensfähiger palästinensischer Staat sei ebenso wie eine stabile palästinensische Wirtschaft in Israels Interesse.

Evelyn Gaiser, Julia Bayer

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