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Veranstaltungsberichte

Die Junge Gruppe zu Gast in Israel

von Dr. Nadine Carlson (geb. Mensel)

Parlamentarier der CDU/CSU-Fraktion setzen sich für den Ausbau der deutsch-israelischen Beziehungen ein

Elf Abgeordnete des Deutschen Bundestages und zugleich Mitglieder der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion nahmen vom 18. bis 22. Juli 2011 an einem politischen Austauschprogramm in Israel teil. Ihr Wunsch war es, neben den traditionell bedeutsamen innereuropäischen und transatlantischen Beziehungen auch dem Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und dem Staat Israel ein besonderes Gewicht zu verleihen.

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Das gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung realisierte Programm setzte folgende Schwerpunkte:

  • das Gedenken an die Shoah und die Zukunft des Erinnerns
  • die Analyse des israelisch-arabischen Konflikts
  • Politikberatung in Deutschland und Israel und politische Nachwuchsarbeit sowie
  • Gespräche zum interreligiösen Dialog.
Den Auftakt bereitete eine Dinner Discussion der Abgeordneten mit israelischen Vertretern von Partnerorganisationen der KAS. Dabei wurden gesellschaftliche Kontroversen aufgezeigt, die das Land momentan besonders prägen. Das betrifft zum einen die wachsende Kluft zwischen ultraorthodoxen und säkularen Juden. Diese Spannungslinie tangiert nicht allein zivilrechtliche Bereiche wie die Eheschließung. Darüber hinaus sind sicherheitspolitische Aspekte zu nennen, etwa wenn die Gruppe der Religiösen in der Armee an Einfluss gewinnt und sich Fragen der Loyalität und der Rechte der Frauen stellen. Zum anderen wurde das Auseinanderleben von jüdischen und arabischen Israelis angesprochen, was Fragen der wirtschaftlichen Integration und der politischen Partizipation aufwirft. In der Konsequenz bedeuteten ausbleibende Integrationsleistungen die Zuspitzung bereits bestehender Fragmentierungstendenzen in der Gesellschaft.

Des Weiteren griffen die Teilnehmer den „Arabischen Frühling“, den Friedensprozess sowie innenpolitische Fragen auf. So wurde die Beobachtung vermittelt, dass die israelische Politik an Fähigkeiten eingebüßt, sich selbst zu korrigieren. Zudem belasteten innenpolitische Probleme wie Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik, weshalb sozioökonomische Fragen gegenwärtig vehementer diskutiert würden als die Sorge um den israelisch-arabischen Konflikt. Dennoch gibt auch in dieser Hinsicht Fortschritte, wie ein Mitarbeiter der Regierung erläuterte. Projekte mit israelisch-palästinensischer Ausrichtung ließen sich insbesondere dann realisieren, wenn sich auch die jordanische Seite beteiligen würde. Beispielhaft dafür stehen der Ausbau eines Kanals vom Toten Meer zum Roten Meer oder Fußballspiele für Kinder und Jugendliche.

Der zweite Programmtag begann mit einem Besuch der Gedenkstätte Yad VaShem, wozu auch eine Gedenkzeremonie mit Kranzniederlegung gehörte. Das Gedenken an die Shoah, das Wachhalten der Erinnerung ist ein unumstößlicher Bestandteil der deutsch-israelischen Beziehungen und ein wichtiger Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung vor Ort. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, wie sich die Erinnerungskultur in den kommenden Jahren verändern wird, wenn die Generation der Zeitzeugen mehr und mehr verschwindet und man auf dokumentarisches und institutionelles Wissen angewiesen sein wird.

Unabhängig von der Singularität der Shoah sind Veränderungen in der Erinnerungskultur nicht allein darauf beschränkt. Zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden begangen, auch nachdem die Menschheit von den Grausamkeiten der Nationalsozialisten erfahren hatte. Daher hat das Erinnern an jene Verbrechen zugleich die Aufgabe, durch Aufklärung und interaktives Lernen für ein menschenwürdiges Miteinander unabhängig von Religion oder ethnischer Zugehörigkeit einzutreten. Zudem dient die Gedenkstätte Yad VaShem als Vorbild für (vergleichbare noch zu gründende) Einrichtungen, die Ereignisse wie den Genozid an den Armeniern, das Massaker von Srebrenica oder den Völkermord in Ruanda im Bewusstsein der Menschen wach halten wollen.

Fortgesetzt wurde das Programm mit Gesprächsterminen in der Knesset. Obwohl sich die Parlamentspause näherte und die Mitglieder der Knesset mit zahlreichen Gesetzesanträgen beschäftigt waren, konnten dennoch Diskussionen mit hochrangigen Vertretern der größten Parlamentsfraktion, Kadima, stattfinden. Im Mittelpunkt standen die Bewertung der gegenwärtigen soziökonomischen Lage Israels und noch wichtiger die Bemühungen um ein Ende des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Dabei gingen deutsche und israelische Abgeordnete unter anderem der Frage nach, inwieweit das Streben der palästinensischen Führung von Präsident Mahmud Abbas nach einer Mitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen das Konfliktgeschehen beeinflusst. Quintessenz dieses Dialogs war, dass die deutschen Teilnehmer umfassend über aktuelle Problemlagen in Israel und der Region informiert wurden. Aus erster Hand haben sie erfahren, wie ausdifferenziert das politische Leben in Israel ist und wie vielfältig die Positionen zu einzelnen Themen sind.

Daran knüpfte eine Veranstaltung mit Vertretern des Jungen Likud an, die die Konrad-Adenauer-Stiftung am Abend des 19. Juli moderierte. Die Arbeit der KAS in Israel zielt u.a. darauf, Zielgruppen des konservativen Spektrums zu identifizieren und diese mit Gesprächspartnern aus Deutschland zu vernetzen. Dazu gehört ferner die Förderung des politischen Nachwuchses. Während die CDU und die CSU auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückblicken können, politisch Interessierte an Schulen, Universitäten und anderen von Jugendlichen frequentierten Einrichtungen anzusprechen, für die Arbeit in Gremien zu gewinnen und als Nachwuchskräfte aufzubauen, sind die Verhältnisse in Israel weniger institutionalisiert. Zwar gibt es Organisationen für den Parteinachwuchs wie den Jungen Likud oder die Kadima-Jugend. Doch fehlt es ihnen mitunter an Möglichkeiten, auch politische Verantwortung zu übernehmen. Ihre Mitglieder stehen oftmals in der dritten oder vierten Reihe des Entscheidungsprozesses. Die Jungen müssen sich erst bewähren, zudem müssen Positionen vakant sein, die von Nachwuchskräften übernommen werden können. In einer zahlenmäßig überschaubaren politischen Landschaft wie der israelischen bedeuten diese Bedingungen besondere Herausforderungen. Daher war es umso wichtiger für die israelischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Ansprechpartner aus Deutschland zu finden, um die eigene Nachwuchsarbeit nachhaltiger zu gestalten.

Am dritten Tag der Delegationsreise gestaltete die KAS in Ramallah das Programm für die Junge Gruppe. Tags darauf folgte eine Exkursion in den Negev. Zuerst besuchten die Abgeordneten in Sde Boker das Wohnhaus David Ben-Gurions, dem ersten Ministerpräsidenten des Staates Israel. Ben-Gurion war nicht nur für die israelische Politik eine herausragende Persönlichkeit. Auch für die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland spielte er eine signifikante Rolle.

Das zweite Exkursionsziel war Sderot. Die knapp 20.000 Einwohner zählende Stadt befindet sich nur wenige Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt. Seit dem Jahr 2000 sind circa 12.000 Kassam-Raketen bzw. Mörsergranaten auf die Gemeinde und die Region aus dem Gaza-Streifen abgeschossen worden. Dabei sind es nicht allein Kämpfer der dort regierenden Hamas, die Raketen gegen die israelische Zivilbevölkerung einsetzen. In den zurückliegenden Monaten haben salafitische Gruppierungen an Einfluss gewonnen. Sie treten zunehmend in Konkurrenz zur Hamas. Indem sie ebenfalls zu diesen Waffen greifen, senden sie eine Botschaft sowohl an die Israelis als auch die Hamas. Somit ist diese Form der asymmetrischen Kriegführung Teil einer Kommunikationsstrategie, die sich an mehrere Adressaten richtet.

Über das Leben in Sderot, die psychologischen, sozialen und kommunalpolitischen Implikationen angesichts des anhaltenden Raketenbeschusses informierte sich die Delegation im Sderot Media Center. Die Herausforderung für die Bewohner Sderots besteht insbesondere darin, den Alltag so zu gestalten, dass ein Leben in Sicherheit möglich ist, ohne sich einem Diktat des Terrors unterzuordnen. Besichtigt wurde u.a. eine Polizeistation, wo Geschosse und Kassam-Raketen, die in der Stadt eingeschlagen sind, aufbewahrt werden. Die Gefahrenlage stellt die Stadt vor die Aufgabe, ihre öffentliche Infrastruktur so herzurichten, dass Schutzräume schnellstmöglich erreichbar sind; vom Ertönen der Sirenen nach einem identifizierten Angriff bis zum Einschlag einer Rakete oder Granate bleiben dazu nur 15 Sekunden Zeit. Aus diesem Grund fließt ein Großteil der öffentlichen Ausgaben in diesen Bereich und immer weniger in die Aufrechterhaltung anderer kommunaler infrastruktureller Angebote. Des Weiteren gilt es, mit den psychologischen Folgen des Raketenbeschusses umzugehen. Dazu wurde eine Studie vorgestellt, wonach 70 Prozent der Kinder in Sderot (3.500) unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Ein Drittel aller Einwohner leidet unter Angstzuständen oder Panikattacken, die die Bewältigung des Alltags beeinträchtigen. Auch derartige Folgen der asymmetrischen Kriegführung bedürfen kommunalpolitischer Ressourcen wie auch privater Initiativen.

Am Abend folgte eine Vortragsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Vorstandvorsitzenden Dr. Hans-Gert Pöttering, dem stellvertretenden Generalsekretär Dr. Gerhard Wahlers, dem Vertreter der KAS in Washington, Dr. Lars Hänsel, und dem seit Juni 2011 amtierenden Repräsentanten der KAS in Israel, Michael Mertes. Die Veranstaltung stand im Zeichen des „Arabischen Frühlings“, wobei die Redner israelische, amerikanische und europäische Sichtweisen präsentierten. In diesem Kontext forderte Dr. Pöttering eine Friedensinitiative der EU im Nahen Osten.

Ein abschließender Programmpunkt führte die Abgeordneten und Mitglieder der Jungen Gruppe am letzten Tag ihres Aufenthalts durch die Altstadt Jerusalems unter Leitung von Pfarrerin Dr. Petra Heldt und auf den Ölberg zum Auguste Victoria-Komplex der Evangelischen Gemeinde, wo Pfarrer Michael Wohlrab zum Gespräch einlud. Schwerpunkt dieser Stationen waren Einblicke in das christliche, aber auch interreligiöse Leben in Jerusalem. Die Stellung der Religion im öffentlichen Raum, das Zusammenleben unterschiedlicher Konfessionen, der wachsende Anteil von Muslimen sind nur einige wenige Aspekte, die sich vom israelischen auf den deutschen Kontext übertragen ließen. Am Ende waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig, dass ein solcher interreligiöser Dialog sowohl in Israel als auch in Deutschland mit neuen Impulsen und mit Nachdruck geführt werden müsse.

Insgesamt hat der Aufenthalt der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion gezeigt, wie vielfältig die Berührungspunkte zwischen Deutschen und Israelis geworden sind. Auch die junge Politikergeneration und Vertreter der Zivilgesellschaft auf beiden Seiten zeigen großes Interesse am Ausbau der bilateralen Beziehungen. Für viele der Abgeordneten der Jungen Gruppe war es die erste Reise nach Israel. Im Rahmen ihrer Termine haben sie ein Land kennengelernt, das nach innen wie nach außen von Spannungen gezeichnet ist, das seine Position innerhalb der Region sucht und kontinuierlich Fragen zur eigenen Identität stellt. Überrascht waren viele Teilnehmer von der Dynamik und der Meinungsvielfalt, die in Israel anzutreffen sind. Egal welche politische Sachfrage behandelt wurde, in den Stellungnahmen der israelischen Gesprächspartner spiegelten sich stets unterschiedliche Schattierungen wider, nie ausschließlich schwarz oder weiß. Angetan war die Junge Gruppe zudem vom positiven Bild, das Deutschland in Israel genießt. Das unterstreicht den zukunftsorientierten, freundschaftlichen Charakter im Verhältnis beider Länder zueinander, wozu die Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel auch weiterhin mit ihren vielfältigen Veranstaltungen und Programmen beitragen will.

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