Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Grüne Städte – Wo liegt der Anreiz?

von Michael Mertes

Bürgerschaftliches Engagement in Deutschland und Israel für mehr Umweltschutz

Am 12. November 2012 veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen der vom Israelischen Städte- und Gemeindebund (ULAI) organisierten israelisch-deutschen Konferenz „In Freundschaft verbundene Städte“ einen Runden Tisch zum Thema „Grüne Städte – Wo liegt der Anreiz?“. Im Zentrum stand die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements für nachhaltige Entwicklung auf kommunaler Ebene.

Asset-Herausgeber

Bitte klicken Sie hier, um die Inhalte anzuzeigen.
Oder passen Sie Ihre Cookie-Einstellungen unter Datenschutz an.

Staatspräsident Schimon Peres hatte am Vorabend die Städtepartnerschaftskonferenz eröffnet und in seinem Grußwort die tiefe und freundschaftliche Beziehung zwischen Israel und Deutschland hervorgehoben. Er hieß die anwesenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister herzlich willkommen und hob ihre Rolle als Vermittler zwischen Politik und Zivilgesellschaft hervor. Nicht zuletzt dank der Städtepartnerschaften, so der Staatspräsident, erhalte diese Beziehung durch persönliche Begegnung zwischen Bürgerinnen und Bürgern aus beiden Ländern ein starkes menschliches Fundament.

Eine Leitfrage der Diskussion am 12. November war, ob „grüne Themen“ in einem Land, welches von der Sicherheitsthematik dominiert wird, überhaupt eine Rolle spielen.

Zunächst ging Naomi Tsur, Vizebürgermeisterin von Jerusalem, auf das massive wirtschaftliche Gefälle zwischen Ost- und Westjerusalem ein. In der Umweltpolitik identifizierte sie als größte Herausforderungen die Müllentsorgung und die Abwasserproblematik. Zwar habe man erste Schritte unternommen, eine Mülltrennung zu etablieren, und sei bereits bei 13% angelangt, aber insbesondere im Ostteil der Stadt sei teilweise noch nicht einmal eine verlässliche Müllabfuhr gewährleistet. Als Ziel werde eine Steigerung der Mülltrennung von 15% pro Jahr anvisiert. Auch solle eine Schließung der ländlichen Deponien zugunsten einer größeren Zentralisierung der Müllentsorgung angegangen werden. Die Abwässer, welche durch das Kidron-Tal geleitet werden, sollen mithilfe einer Kläranlage gereinigt und der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Naomi Tsur betonte ferner die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den arabischen Bürgermeistern in den östlichen Gemeinden.

Günter Burger, Leiter des Referats für internationale Kontakte der Stadt Freiburg, wandte sich der Frage zu, ob „grüne Politik“ ein Luxus sei oder eine Notwendigkeit. Nach seiner Auffassung ist die noch vor 30 Jahren intensiv diskutierte Frage, ob zwischen Ökonomie und Ökologie ein Zielkonflikt bestehe, kein Thema mehr: Einen solchen Gegensatz gebe es nicht; was ökologisch vernünftig sei, zahle sich auch ökonomisch aus. Ein ambitioniertes Ziel seiner eigenen Stadt sei es, Freiburg zu einer „Null-Emissions-Stadt“ zu machen. Freiburg gelte in Deutschland bereits jetzt als Vorreiter in Umweltfragen. Hinsichtlich der Frage, ob Kommunen in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht andere Prioritäten setzen müssten, gab es auf dem Panel eine einhellige Antwort: Umweltpolitik sei nichts, was „über Nacht“ Ergebnisse zeitige. Man müsse sie langfristig begreifen, nicht nur mit Blick auf die Dauer einer Legislaturperiode. Es gehe um Investitionen, die sich auf Dauer amortisieren, zum Beispiel in Gestalt von Energieeinsparungen und der damit verbundenen Minderung von Kosten. Wichtig sei es, Anreize für umweltverträgliches Verhalten zu schaffen. Beispielsweise könne der Verzicht auf die Benutzung von Privat-PKWs durch hohe Parkgebühren in Kombination mit der Subventionierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erreicht werden.

Lambert Lütkenhorst, Oberbürgermeister der Stadt Dorsten, sprach über den jahrzehntelangen Prozess des Strukturwandels in seiner Stadt als Folge der Beendigung des Steinkohlebergbaus. Die größte aktuelle Herausforderung deutscher Umweltpolitik sah er in der der Erschließung regenerativer Energiequellen nach dem Atomausstieg. Dieser Prozess bedürfe einer intensiven Bürgerbeteiligung – nicht in dem Sinne, dass die Zivilgesellschaft als Lückenbüßer für die öffentliche Hand einspringe, sondern im Sinne einer auf gemeinsame Ziele gerichteten Partnerschaft zwischen den Kommunen und ihren Einwohnern. Als positives Beispiel bewertete er das Modell der Genossenschaftsbetriebe, in denen Bürgerinnen und Bürger Anteile an Unternehmen für Windenergie und Photovoltaik halten können. Er unterstrich die herausragende Bedeutung des Bewusstseins vieler Einzelner von der eigenen Verantwortung für die gesellschaftliche Dursetzung nachhaltigen Verhaltens.

Unter den deutschen Teilnehmern wurde in diesem Zusammenhang mehrfach erwähnt, dass das „Sankt-Florian-Prinzip“ („Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus / Zünd’ andre an!“) überwunden werden müsse. Ins Ökologische übersetzt, lautet dieses Prinzip: „Umweltschutz ja, aber bitte nicht auf meine Kosten“. Gerade für die Überwindung von Bequemlichkeit und kurzfristigem Denken sei die Mobilisierung von Bürgerengagement wesentlich. Günter Burger nannte als Beispiel den Freiburger Stadtteil Vauban; er sei von privaten Investoren gestaltet worden und mittlerweile bekannt für die hohe Dichte an energieeffizienten Passivhäusern.

Dagmar Mühlenfeld, Oberbürgermeisterin von Mühlheim an der Ruhr, ging ebenfalls auf die spezifischen Probleme der „Metropole Ruhr“ ein. Als Kernregion des deutschen Steinkohlebergbaus und der deutschen Schwerindustrie habe das Ruhrgebiet jahrzehntelang unter extremen Umweltbelastungen gelitten. Heute sei Willy Brandts 1961 formulierte Vision vom „blauen Himmel über der Ruhr“ Wirklichkeit. Mühlheim habe als erste zechenfreie Stadt bereits seit langer Zeit den Strukturwandel zu bewältigen. Mittlerweile seien 50% der Stadtfläche Parks und Grünanlagen. Durch den Wegbruch der Montanindustrie habe ökologische Politik in Mühlheim bereits früh eine Rolle gespielt. Auch Dagmar Mühlenfeld unterstrich die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements für den Umwelt- und Klimaschutz. Es sei eine besondere Aufgabe und zugleich eine besondere Chance der Kommunen, dank ihrer Nähe zu den Menschen zivilgesellschaftliche Mitwirkung mobilisieren zu können.

Gil Livneh, Vorsitzender des Ausschusses für Umweltschutz im Israelischen Städte- und Gemeindebund, betonte die Bedeutung von Bildung für den Umweltschutz. In Elternhaus und Schule würden die Grundlagen für ein geschärftes Umweltbewusstsein und ökologisch verantwortungsvolles Verhalten gelegt. Sein Enkel beispielsweise lehne Plastiktüten ab und verweigere ihre Annahme beim Einkaufen. Es müsse das Ziel sein, die Menschen dahingehend zu „erziehen“, dass sie den Umweltschutz als ureigenes Anliegen begreifen.

Eindrücke von der Konferenz in Jerusalem (Copyright Opus Media und Union of Local Authorities in Israel)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der deutsch-israelischen Zusammenarbeit bei ökologischen Themen ein starker Akzent auf Fragen der Bewusstseinsbildung und Bürgerbeteiligung gelegt werden sollte. Hier eröffnen sich neue Perspektiven für einen zukunftsweisenden Dialog zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder.

Simon Perger und Michael Mertes

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber