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Veranstaltungsberichte

Interreligiöser und interkultureller Dialog in einer Stadt mit gemischter Bevölkerung

von Hildegard Mohr

Akko als Modell friedlichen Zusammenlebens

Am 1. Juni 2014 fand zum fünften Mal das Abschluss-Seminar mit dem Titel „Inter-religious and Inter-cultural Dialogue in a Mixed City“ – („Interreligiöser und interkultureller Dialog in einer Stadt mit Mischpopulation – Theorie und Praxis“) des akademischen Trainingkurses „New Approaches to Conflict Management in Israeli Society“ statt.

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Hintergründe und Ziele des Seminartags

Unter den Projekten in Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung mit der Fakultät für Sozialwissenschaften der Bar-Ilan-Universität nimmt das Programm für Konfliktmanagement und das Studienprojekt „Religion, Kultur und Friedensforschung“ eine herausragende Stellung ein.

Der Initiator und Leiter des Kurses, Dr. Ben Mollov, lehrt Politikwissenschaften und Konfliktmanagement an der Bar-Ilan-Universität. Er ist Spezialist für Konfliktmanagement aus interkultureller Perspektive; sein Schwerpunkt sind Aspekte der jüdisch-politischen Tradition. Er ist Autor mehrerer Publikationen zum Thema, Organisator zahlreicher Konferenzen und international gefragter Dozent. Sein jahrelanger reichhaltiger Erfahrungsschatz lässt den Universitätskurs mit Höhepunkt „Akko-Studienseminar“ alljährlich zu einem besonderen Erfolg werden.

Akko, Nachbarstadt Haifas im Norden Israels, bietet als Stadt mit einer Bevölkerung aus Christen, Juden, Muslimen, Drusen und Bahai eine in Israel einzigartige Möglichkeit, aktiven Dialog zu leben und zu erleben.

Das Seminar wurde konzipiert, um die akademische Welt, d.h Studenten und Lehrkörper, mit Kultur- und Friedensvermittlern vor Ort sowie religiösen Führungspersönlichkeiten und Gemeindeverantwortlichen der Stadt Akko zusammen zu bringen. Auf diese Weise sollen sie am Beispiel alltäglicher Herausforderungen aktiven Dialog und kooperative Bemühungen im täglichen Miteinander erleben und so ihr theoretisches Wissen durch praktische Erfahrungen im Bereich Konfliktmanagement anschaulich werden lassen.

Ziel der KAS Israel in Zusammenarbeit mit der Bar-Ilan-Universität ist es, diesen Dialog aktiv, sowohl in Israel als auch in der Region, zu fördern. 25 Studenten. z.T. vor dem akademischen Abschluss stehend, Mitglieder des Lehrkörpers sowie KAS-Mitarbeiter aus Jerusalem nahmen an dem Seminar teil.

Teil I: Gespräch mit dem arabischen und dem jüdischen Bürgermeister von Akko

In diesem Jahr begann der Studientag mit dem Besuch der Stadtverwaltung, die – typisch für Akko – von arabischen und jüdischen Kommunalpolitikern gemeinsam geleitet wird. Akko teilt sich daher zwei Bürgermeister und eine demokratisch, je zur Hälfte mit jüdischen und arabischen Abgeordneten besetzte Abgeordnetenversammlung.

Für die spannende Begegnung mit dem stellvertretenden muslimischen Bürgermeister der Stadt, Herrn Adham Jamal, der den arabischen Sektor repräsentierte, und Herrn Rafi Luson, der den jüdischen Sektor repräsentierte, waren die Studenten der Bar-Ilan-Universität besonders gut vorbereitet. Zwei Studentenvertreter hielten vor den Bürgermeistern Referate, die zugleich den Kursinhalt, aber auch kritische Fragen wiedergaben und im Anschluss an die Grußworte der Bürgermeister eine lebhafte Diskussion in Gang setzten.

Beide Bürgermeister betonten, trotz verschiedener Kultur- und Religionszugehörigkeiten bestehe ein besonders gutes Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Kollegen der anderen Parteien und Gruppierungen. In der Diskussion mit den Studenten erläuterten sie ihre eigene Sicht und Erfahrung mit fruchtbarer Kooperation, aber auch die Kompromisse, die es braucht, um eine gemischt jüdisch-arabische Stadt zu regieren. Sie betonten die gemeinsam erarbeitete Qualität der Herangehensweise an tägliche Anforderungen und den gegenseitigen Respekt der religiösen und interkulturellen Sektoren füreinander.

Nicht ausgespart wurden auch die Konflikte, die in Akko trotz des mehrheitlich guten Zusammenlebens in einigen Wohnvierteln immer wieder zu Tage treten. Von den Studenten besonders eindrücklich verlangt wurden Stellungnahmen zu den Ausschreitungen am Jom-Kippur-Tag 2008, an dem es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung gekommen war. Beide Bürgermeister stellten sich mit bemerkenswerter Offenheit den Fragen und der Diskussion um sozioökonomische Probleme, deren Lösung sich die Stadtväter beider Seiten zur Hauptaufgabe machen.

Lösungsansätze sind seit 2008 vor allem im Bau von neuen Kindergärten, Schulen und Einrichtungen für behinderte und alte Menschen zu spüren. Extremistische Übergriffe Einzelner seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit auszuschließen, so beide Bürgermeister. Allerdings versuche man von Seiten der Stadtverwaltung vermehrt, Alternativen aufzuzeigen, was die berufliche Förderung und besonders die Freizeitgestaltung verschiedener Altersgruppen betrifft.

Teil II: Paneldiskussion über das Miteinander der Kulturen in Akko – „Verbindungen zwischen der jüdischen und der muslimischen Gemeinden in Akko“

Das Thema „Zusammenleben aktiv gestalten“ konnte im zweiten Teil des Seminartages eindrucksvoll erlebt werden. Der Besuch der gemeindeeigenen Bürgereinrichtung – dem „Merkas Gishur“ übersetzt: „Zentrum der Verbindung und des Brückenbaus“ – in einem gemischt bevölkerten Wohnviertel bot Gelegenheit zu lebhaftem Austausch zwischen freiwilligen Mitarbeitern und Sozialarbeitern der Stadt Akko, Bewohnern des Stadtviertels und den Besuchern.

Aufgabe des „Merkas Gishur“ ist es, das Gemeindeleben zu stärken, Einzelne zu fördern (z.B. Sprachkurse für Neueinwanderer, aber auch für interessierte Nachbarn – so sprach eine Muslimin in besonders anrührender Weise von ihrer Tätigkeit als Arabischlehrerin für jüdische Miteinwohner und russische Neueinwanderer), Hilfe bei der Überwindung bürokratischer Hürden zu leisten, Kinderprogramme und eine „Tafel“ mit Speisen für Bedürftige zu bieten. Es folgte die Schilderung beeindruckender Beispiele des aktiven Miteinanders.

Sowohl professionelle Kultur- und Friedensvermittler als auch Bürger aus den jüdischen und arabischen Sektoren der Stadt sprachen über ihre unterschiedlichen Erfahrungen bei dem Versuch, die auch hin und wieder angespannte Stimmung in der Stadt, bzw. den einzelnen Wohnvierteln, durch kooperative Beziehungen im Bereich Religion und Kultur zu überbrücken. Einige der Gaststudenten waren ausgewählt worden, auch hier kurze Präsentationen zu geben, in denen sie den Veränderungsprozess ihres eigenen Denkens und ihrer eigenen Sichtweise in Bezug auf andere Kulturen und auf Randgruppen der israelischen Gesellschaft vor dem Hintergrund der Kursteilnahme schilderten.

Im Fokus dieser Erfahrungsberichte stand hier wie in der Stadtverwaltung der Wunsch, nach Abschluss des Studienganges die vermittelten Erfahrungen als Werkzeuge und Handlungsempfehlungen zu nutzen, kooperative Beziehungen auch nach Möglichkeit auf die staatspolitische Ebene auszudehnen.

Teil III: Jüdisch-arabische Zusammenarbeit zur Erneuerung der Altstadt von Akko

Neu aufgenommen in das Programm des Studientages wurde in diesem Jahr ein Rundgang durch die Altstadt der Stadt Akko mit Schwerpunkt auf den sozioökonomischen Schwierigkeiten der dort lebenden Bevölkerung. So konnte zum Beispiel ein für Akko einmaliges Projekt in den letzten Jahren durch finanzielle Unterstützung der israelischen Regierung und zusätzlicher Spenden durchgeführt werden.

Die Jahrtausende alte Geschichte Akkos – besonders aber die Jahre der Kreuzfahrerherrschaft – haben in Akko ihre sichtbaren Spuren hinterlassen, und es gibt kaum eine Stelle in der Altstadt in der dies nicht zu sehen und zu spüren wäre.

Der Leiter des „Zentrums für wirtschaftliche Entwicklung Akko“ und Historiker Roni Myara leitete den anschließenden kulturhistorischen Seminarteil mit besonderem Blick auf die gesellschaftlichen und kulturhistorischen Herausforderungen des Zusammenlebens der gemischten Bevölkerung Akkos.

Das o.g. Projekt bietet die Möglichkeit der Schaffung verschiedenartigster Arbeitsplätze und den Einsatz vielseitigsten Könnens bei der archäologischen Freilegung und Wiederherstellung des mittelalterlichen Akkos. Da viele historische und archäologische Stätten in der Altstadt mit Wohnungen überbaut sind und somit Grabungen an diesen Stellen nicht möglich sind – und zum Teil auch an zugänglichen Stellen von den Altstadtbewohnern aus verschiedenen Gründen boykottiert werden –, ist es Aufgabe des Projektes, den heutigen Bewohnern, die zum nicht geringen Teil den sozialschwachen Bevölkerungsteil von Akko bilden, den lohnenden Einsatz für die Wiedererstellung historischer Stätten nahe zu bringen und sie aktiv daran zu beteiligen.

Riesige Anlagen der Tempelritter wurden so mit vereinten Kräften von jahrhundertealtem Schutt befreit, restauriert und zahlreichen Besuchern aus aller Welt zugänglich gemacht. Der wirtschaftliche Nutzen für die Bewohner, Perspektiven für Wege aus Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Problemen zu finden, hat überzeugt. Zu hoffen bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, dass sowohl der Staat Israel als auch potentielle Spender aus aller Welt den Erfolg des Projektes sehen und Möglichkeiten finden, in die Zukunft zu planen und weiter Unterstützung zu bieten.

Teil IV: Paneldiskussion zum Thema „Zusammenleben der Religionen und Kulturen in einer Stadt mit gemischter Bevölkerung“

Den letzten Teil des Seminartages bildeten die Gespräche im Bürgerzentrum „American Corner“. Eindrucksvoll schilderten der Oberrabbiner von Akko, Yosef Yashar, Scheich der „Großen Moschee“ Akko, Samir Assassi, Generalsekretär des Baha’i-Zentrums, Dr. Lincoln, und ein Vertreter der Polizeistation Akko, Herr Amos Lev-Dan, aus religiöser und gesellschaftlicher Sicht und gelebter Erfahrung die Schwierigkeiten, aber auch die positiven Herausforderungen, die ein Leben in Akko bieten.

Die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften sind seit vielen Jahren als professionelle Vermittler in einer interreligiösen Arbeitsgruppe aktiv, die dazu beiträgt, die Beziehungen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen in Akko zu festigen. Die Studenten erhielten einen Einblick in die Lebensart und Philosophie der Muslime, Juden und Baha’i in Akko und einen Eindruck von ihren Bemühungen zur Stärkung der Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen der Stadt.

Der Polizeivertreter Lev-Dan schilderte die Herausforderungen, die die Wahrung der Sicherheit und das ungestörte Zusammenleben in Akko fordern. Humorvoll, jedoch voller Nachdruck brachte er in spannender Form sowohl negative als auch positive Beispiele des Polizeialltages in Akko.

Die Begegnung wurde abgerundet durch eine höchst positive und gewinnbringende Diskussion mit Prof. Rassem Khamaisi, Vorsitzender des Zentrums für jüdisch-arabische Zusammenarbeit der Universität Haifa. Prof. Khamaisi – wie sein Vorgänger Prof. Weismann – hatte eine Reihe von Projekten in Akko gegründet, die die Stadt gleichermaßen als vereinten und geteilten Ort erleben lassen. Als Experte für Islamwissenschaften war er außerdem in der einzigartigen Position, persönliche Informationen und Erfahrungen zur Thematik des Seminartages an die Studenten weiterzugeben.

Bewertung

Alle Referenten des Studientages sowie die Studenten und Dozenten der Bar-Ilan-Universität nahmen abschließend an einem gemeinsamen Abendessen teil. Dies bot zum Abschluss des Tages eine weitere Gelegenheit zum informellen Austausch, der von beiden Seiten als besonders bereichernd empfunden wurde. Dabei wurde der KAS von allen Seiten ein tief empfundener Dank ausgedrückt, dass derlei Projekte möglich gemacht werden.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass dieser Tag beidruckend gezeigt hat, welchen Aufgaben sich die KAS mit Erfolg in der Region stellt. Die Funktion der KAS als Katalysator und Vermittler in einer oft zerrissenen Wirklichkeit zu wirken, die trotz oft erfolgreicher Schritte in Richtung eines friedvollen Zusammenlebens oft von Auseinandersetzungen und Missverständnissen geprägt ist, ist unvergleichlich hoch zu schätzen.

Auch wenn Akko in Israel eine Vorbildfunktion hat, die sicherlich auch weltweit für andere Städte als Modell dienen kann, stehen auch hier die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Religion noch vor großen Herausforderungen.

Mit der Ermöglichung eines Studienganges und eines Studientages wie diesem wird eine Plattform für die Arbeit an einer neuen Zukunft geboten. Studenten aus den verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen Israels bekommen eine fundierte professionelle Grundausbildung, die sie – in Verbindung mit ihren weiteren Studiengängen – dazu befähigt, in ihren Heimatgemeinden und in der nationalen Gemeinschaft für Konfliktbewältigung und Frieden zu arbeiten.

Mit der Unterstützung und der Mitarbeit am Konfliktmanagement-Kurs der Bar-Ilan-Universität unter Leitung von Dr. Ben Mollov ermöglicht die KAS ein Fundament des Respekts und der Toleranz, auf dem das Gebäude der Hoffnung für soziale und politische Veränderungen von Menschen für Menschen der Region errichtet werden kann.

Hildegard Mohr, KAS

Projektmanagerin

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