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Veranstaltungsberichte

Klimawandel und Energiewende verlangen „grüne“ Städte

von Dr. Nadine Carlson (geb. Mensel)

Die Rolle moderner Architektur und Stadtplanung

Dass viele Politikfelder das Prinzip der Nachhaltigkeit immer stärker berücksichtigen, ist ein Trend, der sich von der lokalen bis zur globalen Ebene vollzieht. Das bedeutet zugleich, dass Umweltbewusstsein und Sensibilität für Themen wie den Klimawandel und die Energiewende steigen.

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Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang Städte, denn sie sind die ökonomischen und politischen Zentren, von denen Wandel und Innovationen ausgehen. Urbanes Wachstum ist einer der markantesten Trends im 21. Jahrhundert. In vierzig Jahren – so Schätzungen der Vereinten Nationen – werden rund 70 Prozent der Menschen in Städten und städtischen Agglomerationen leben. Die Migration in diese Räume ist in allen Erdteilen ungebrochen: wöchentlich ziehen weltweit etwa eine Million Menschen vom Land in Richtung Stadt.

Lokale und nationale politische Entscheidungsprozesse sind von solchen Ereignissen beeinflusst. Durch zusätzliche Faktoren wie den Klimawandel und Ressourcenknappheit entsteht ein immenser Druck auf die Politik, Städte als lebensfähige Räume intakt zu halten und dem Prinzip der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Insbesondere mit Blick auf eine funktionierende Infrastruktur (Verkehr, Grundversorgung mit sauberem Wasser und Energie) ergibt sich Handlungsbedarf. Um ein Beispiel zu geben: Bewohner in den Städten benötigen die meiste Energie – nämlich ca. ein Viertel des Energiekonsums – für Heizen (bzw. Kühlen in wärmeren Gefilden), Beleuchtung und Verkehr.

Obwohl Israel mit mehr als sieben Millionen Einwohnern eines der kleinsten Länder ist – und mit dieser Einwohnerzahl weit unter der Einwohnerzahl der großen Metropolen liegt – haben die Städte hier mit ähnlichen umweltpolitischen Problemlagen zu kämpfen. Genau diese Herausforderungen haben die Konrad-Adenauer-Stiftung und ECOWEEK während eines Workshops und eines Vortragsabends angesprochen. Genauer gesagt ging es dabei um die Rolle der Architektur als Impulsgeber für eine „grüne“ Stadtplanung. Während dieser Veranstaltung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Einblicke in Techniken und Technologien energieeffizienter Bauweise gewinnen. Ebenso thematisiert wurden innovative Verkehrskonzepte. Ziel war es, Lösungen für Städte zu entwickeln, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren, Energie zu sparen und effizienter einzusetzen sowie die Lebensqualität zu verbessern.

Für Elias Messinas, Architekt und Geschäftsführer von ECOWEEK, liegt die Besonderheit dieser in Israel und anderen Ländern der Mittelmeerregion jährlich stattfindenden Veranstaltung darin, Studenten der Architektur und der Stadtplanung mit namhaften Architekten zusammenzubringen. Mit bloßen Projektideen geben sie sich nicht zufrieden – gemeinsam schreiten sie zur Tat und geben konkreten Bauvorhaben ein „grünes Gesicht“. Wissen wird generationenübergreifend weitergereicht, Entscheidungsmacher aus Kommunen sind beteiligt. Zudem hat ECOWEEK einen grenzüberschreitenden Aspekt, denn teilgenommen haben Studentinnen und Studenten aus Israel, den Palästinensischen Gebieten, Deutschland, Polen und weiteren europäischen Ländern. ECOWEEK hat damit verdeutlicht, dass die beste Grundlage für eine israelisch-palästinensische Kooperation gemeinsam identifizierte Herausforderungen sind. Und der Klimawandel genauso wie eine nachhaltige Energieversorgung gehören unbestritten dazu.

Während des dreitägigen Workshops vom 28. Februar bis 1. März widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezielt einem Nachbarschaftsprojekt in Katamonim, dessen Bausubstanz im Wesentlichen aus den 1950er und 1960er Jahren stammt. Es herrscht dort immenser Renovierungsbedarf (zum Beispiel mit Blick auf isolierte Häuser). Eine weitere Notwendigkeit liegt in der Implementierung eines nachhaltigen Verkehrskonzeptes. Bei der Projektumsetzung wurden die Studenten von einem israelisch-deutschen Architektenteam unterstützt: Yael Hammerman Solar, Architektin an der Bezalel Academy und zugleich Mitarbeiterin der Stadt Jerusalem, Barak Pelman, ebenfalls Architekt, sowie Prof. Ulf Meyer, Architekt u.a. bei ingenhoven architects Düsseldorf, und Dr. Uli Molter, Stadtplaner und Geograf an der Technischen Universität Chemnitz.

Nach einer Ortsbesichtigung in Katamonim am ersten Workshop-Tag fertigten die Teilnehmer digitales Kartenmaterial an. Darauf aufbauend hat sich die Gruppe geteilt in diejenigen, die sich auf die Verkehrsplanung konzentrierten – insbesondere unterstützt von Dr. Uli Molter –, und diejenigen, die den Umbau von Wohnblocks zu ihrer Aufgabe machten. Die Arbeit an diesen Vorhaben hatte wahrhaftigen Workshop-Charakter und verlief überaus praxisnah. Angefertigt wurden sowohl digitale als auch maßstabsgetreue plastische Modelle des Areals, die am letzten Workshop-Tag gemeinsam mit anderen Projekten im Rahmen von ECOWEEK präsentiert und diskutiert wurden.

Fragte man die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf studentischer wie auf Seiten der Workshop-Leiter nach dem Wert dieser Veranstaltung lautete das wichtigste Fazit, dass der Erfahrungsaustausch mit Blick auf „grünes“ urbanes Design von unschätzbarem Wert war. Die intensive Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass Wissen schnell vermittelt und sofort ausprobiert werden konnte. Ideen, die sehr designorientiert waren, mussten dem Praxistest standhalten, denn schließlich ging es darum, Gebäude und Wohnräume energieeffizienter zu gestalten und die Funktionalität des Stadtteils Katamonim zu erhöhen.

Einblicke in eine nachhaltige Stadtentwicklung über dieses spezifische Projekt hinaus vermittelte ein Vortragsabend, an dem die Bürgermeister der Stadt Jerusalem, Nir Barkat, und der Stadt Athen, Yiorgos Kaminis, als Ehrengäste teilnahmen. Michael Mertes, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel, eröffnete den Abend zusammen mit Elias Messinas. Beide wiesen in ihren Redebeiträgen auf den notwendigen Bewusstseinswandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hin, um die Herausforderungen urbaner Räume in Sachen Energieversorgung und Klimawandel anzugehen. Zweifellos werde die Nahostregion stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein; lange Trockenperioden, Wasserknappheit und extreme Hitze kennzeichnen die Levante seit jeher. Israel als Hightech-Standort habe den Auftrag, das Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Energieversorgung und einer modernen Stadtplanung deutlicher als bislang in die Praxis zu übertragen. Damit könne das Land zugleich eine Vorbildfunktion in der Region übernehmen.

Bürgermeister Nir Barkat konnte dem nur zustimmen. Der vor Amtsbeginn unternehmerisch tätige Politiker betonte die Chance für Jerusalem, eine „grüne Wachstumsstrategie“ zu entwickeln und sich dabei mit europäischen Städten zu vernetzen. Die Stadt, ihre Bürgerinnen und Bürger und erst recht die Geschäftswelt müssten ihre Anstrengungen bündeln und an einer gemeinsamen Vision für eine nachhaltige Stadtentwicklung arbeiten. Ein Meilenstein auf dem Weg dahin, so der Bürgermeister, war die Verabschiedung eines „Weißbuchs für nachhaltiges Bauen“ durch die Abteilung für Nachhaltige Verwaltung der Stadt Jerusalem. Gleichzeitig lief ein Prozess an, ein neues Verkehrskonzept zu erarbeiten, das dem öffentlichen Nahverkehr Priorität einräumt. Als erstes Ergebnis lässt sich auf die im Sommer 2011 eröffnete Straßenbahnlinie in Jerusalem verweisen.

Die Stadt Athen sieht sich einem ähnlichen Handlungsbedarf gegenüber, wie Bürgermeister Kaminis berichtete. Das Verkehrssystem sei permanent überlastet, Abgase und Luftverschmutzung beeinträchtigten die Lebensqualität und das Umweltbewusstsein ist bislang nur schwach ausgeprägt. Hinzu kommt, dass Athen – wie Griechenland insgesamt – von der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa stark betroffen ist. Somit sind die Möglichkeiten der öffentlichen Hand für Investitionen in Sachen Anpassung der Infrastruktur an den Klimawandel äußerst begrenzt. Daher gelte es, von anderen europäischen Städten zu lernen sowie die Unterstützung der Europäischen Union (zum Beispiel im Rahmen des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung) zu nutzen. Zudem müssten für die Stadtbewohner kreative Anreize bestehen, umweltbewusst, energieeffizient und ressourcenschonend zu handeln. Wenn der Verbraucher merkt, dass ökologisches und ökonomisches Denken zwei Seiten derselben Medaille sind, dann würden politische Programme viel schneller Wirkung entfalten.

Nachdem diese Sichtweisen kommunaler Politik diskutiert wurden, präsentierte Prof. Ulf Meyer dem Publikum die vielfältigen Möglichkeiten „grüner“ städtischer Architektur. Um beispielsweise Gebäude so zu konzipieren, dass sie weder Heizungs- noch Klimaanlagen benötigen, können sie mit einer doppelwändigen Glasfassade errichtet werden. Der Raum zwischen den beiden Glasscheiben wirke dann wie ein Kamin, in dem die warme Luft automatisch nach oben steigt. Dadurch entsteht eine natürliche Luftzirkulation: verbrauchte Luft verlässt die Büroräume und frische Luft kommt neu hinzu. Zusätzlich sind derartige Gebäude mit Photovoltaikanlagen, Innengärten und Baumaterialien wie Holz ausgestattet. Beispiele sind etwa die Lufthansa-Zentrale in Frankfurt oder der Osaka Tower.

Übrigens verdient nach Ansicht von Prof. Meyer auch das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 Anerkennung in Sachen „grüne“ Architektur. Durch multifunktionale Lichteinlässe, die zugleich als tragende Säulen und Luftschächte dienen, lassen sich selbst große Räumlichkeiten unter der Oberfläche energiesparend belichten, belüften, kühlen und heizen. Mit Blick auf die Energieversorgung großflächiger Gebäude lautet das Plädoyer des Architekten: „Gebäude müssen ihr eigenes Kraftwerk werden und Energie für sich autonom erzeugen.“

Welchen Beitrag Stadt- und Verkehrsplaner leisten können, um für nachhaltiges urbanes Leben zu sorgen, thematisierte Dr. Uli Molter. Dazu führte er zahlreiche Beispiele aus Europa an wie Initiativen, Autos und Fahrräder zu teilen – ein Trend, der sich mittlerweile auch verstärkt in Israel, allen voran in Tel Aviv, beobachten lässt. Darüber hinaus hat die öffentliche Hand den Auftrag, den Personennahverkehr attraktiver zu gestalten und dabei die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen zu berücksichtigen. Flächen sollten sinnvoll und multifunktional genutzt werden, um Wege zu verkürzen, aber auch die Versiegelung so gering wie möglich zu halten. In wachsenden Städten kämpfen verschiedene Interessen um knappen Bebauungsraum. Hier gelte es Mitsprachemöglichkeiten für alle Beteiligten zu schaffen. Oftmals stelle sich dann heraus, dass sich Interessen überlagern und gemeinsame Nutzungspläne erstellt werden können.

Beide Veranstaltungsteile – sowohl der Workshop als auch der Vortragsabend – haben gezeigt, dass politische Entscheidungen von oben und engagiertes Handeln von unten Hand in Hand gehen sollten. Synergien lassen sich durch intelligente Netzwerke erzeugen, die Informationsaustausch befördern, Ideen vom Papier in die Realität überführen und Projekte an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten anpassen. Mit ECOWEEK ist über die Jahre ein genau solches Netzwerk entstanden, das grenzüberschreitend aktiv ist und es nicht bei bloßen Worten belässt, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht, sondern zur Tat schreitet.

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Kontakt

Martina Kaiser

Martina Kaiser bild

Referentin für Interne Projektkoordination

martina.kaiser@kas.de +49 30 26996-3582 +49 30 26996-53582

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