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Veranstaltungsberichte

Menschenrechte in Konfliktsituationen: Deutsche, israelische und internationale Perspektiven

In Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten das Minerva Center for Human Rights der Hebräischen Universität und das Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam ein 5-tägiges Seminar für israelische und deutsche Jura-Studenten zum Thema „Human Rights in Times of Emergency: German, Israeli and International Perspectives”. 24 Studenten nahmen an dem Seminar teil. Als Vorbereitung wurden sie mit umfangreichen Hintergrundberichten versorgt. Jede Thematik bestand aus einer Vorlesung mit intensiver Anschlussdiskussion.

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Das Ziel bestand darin, vielschichtige Diskussionen über Menschenrechte in Notstandssituationen anzuregen. Den Studenten sollte so näher gebracht werden, welche Instrumente nötig sind, um diesen Topos zu analysieren. Um einen derart umfangreichen Themenkreis zu ermöglichen, wurden nicht nur Verfassungsrecht und Internationales Recht, sondern auch philosophische Sichtweisen debattiert. Zu den diskutierten Fallbeispielen gehörten Szenarien, die Flugzeugentführungen und gezielten Tötungen behandelten.

Bei der Eröffnung des Seminars sprach Adv. Daniel Taub, Deputy Legal Adviser im israelischen Außenministerium über „Menschenrechte in Notstandssituationen: Israelische Perspektiven”. Er legte dar, welche Dilemmata Menschenrechtsthemen für das Außenministerium darstellen. Er sprach dabei die diversen Diskussionen an, die zwischen Repräsentanten von Politik und Militär bzw. Mitarbeitern von internationalen Organisationen und NGOs stattfinden. Taub präsentierte außerdem praktische Methoden, wie man mit kritischen Menschenrechtsberichten umgehen sollte.

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Adv. Daniel Taub bei seinem Vortrag

Am zweiten Tag beleuchtete eingangs Prof. Ruth Gavison von der Hebräischen Universität in ihrem Vortrag das Thema Menschenrechte aus philosophischer Perspektive, um die Teilnehmer auf die kommenden leitenden Fragen einzustimmen. Sie betonte dabei insbesondere den Aspekt der Macht, der ihrer Meinung nach gerade in Notstandssituationen überaus wichtig ist, um die Situation unter Kontrolle zu behalten und Entscheidungen treffen zu können. Sie unterschied in begrenzte und unbegrenzte Machtausübung. Wichtig sei vor allem, den Machtmissbrauch in Notsituationen zu verhindern. Gleichzeitig wies sie auf die veränderte Situation in Kriegen hin, die nicht mehr dem klassischen Staatenprinzip folgen sondern als „low-intensity wars” über einen langen Zeitraum mit unterschiedlicher Intensität geführt werden.

In den folgenden Vorträgen näherten sich Prof. Eckart Klein von der Universität Potsdam und Prof. Barak Medina von der Hebräischen Universität dem Thema dann aus deutscher und israelischer Verfassungsperspektive sowie unter dem Aspekt der Europäischen Menschenrechtskonvention. Klein ging in seinem Vortrag vor allem den Fragen nach, ob und wie Macht im deutschen Staat im Notfall zentralisiert wird und was in diesem Fall mit den Menschenrechten passiert. Schnell wurde deutlich, dass Menschenrechte in der deutschen und israelischen Verfassung anders gewertet werden. Während das Recht auf Menschenwürde als unabänderliches Recht im Grundgesetz verankert ist und auch in Notstandssituationen nicht außer Kraft gesetzt werden kann, gilt dies nicht für die israelische Verfassung. In Notstandssituationen sind Menschenrechte wie Menschenwürde und Freiheit nicht absolut gesetzt und können somit für einen bestimmten Zeitraum von staatlicher Seite außer Kraft gesetzt werden, falls es für einen bestimmten Zweck nötig sein sollte. Dabei was Prof. Medina darauf hin, dass dieser „State of Emergency” in Israel seit 1948 dauerhaft in Kraft ist.

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Adv. Daniel Taub und Prof. Eckhart Klein

Der dritte Tag begann mit einem Ausflug der Workshopteilnehmer zum Israelichen Obersten Gerichtshof, wo sie neben einer Führung durch die Räumlichkeiten auch einer Sitzung des Gerichts beiwohnen konnten. Die Vortragsreihe eröffnete an diesem Tag Prof. Stefanie Schmahl von der Universität Würzburg mit dem Thema „Parallel Application of Human Rights and the Laws of War”. Es folgte ein weiterer Vortrag zum Thema „International Law Governing the Fight against Terror” von Dr. Roy Schondorf von der Hebräischen Universität. Beide Vorträge stellten die Anwendung von Menschenrechten in Zeiten des Krieges bzw. im heute aktuellen Kampf gegen den Terror in den Mittelpunkt. Mit ihrem zweiten Vortrag zu „Targeted Killings” löste Prof. Schmahl eine hitzige Diskussion über die Unterscheidung in Kombattanten und Zivilisten in Konfliktsituationen wie Afghanistan aus. Als problematisch sah Schmahl dabei das gezielte Töten von vermeintlichen Terroristen, die aber grundsätzlich nicht von Zivilisten zu unterscheiden sind, da sie weder Uniform noch ihre Waffen offen tragen. Hieraus ergab sich auch die Frage, wie Terroristen rechtlich zu bezeichnen sind, da sie nicht den Kombattantenstatus erfüllen. Den Tag beschloss Prof. Mordechai Kremnitzer von der Hebräischen Universität mit einem ebenfalls kontroversen Vortrag zum Thema „Human Rights and the War against Terror”. Als problematisch stellte er Prozesse gegen Terroristen vor, die mit Geheimunterlagen geführt werden.

Der vierte Tag stand zunächst unter dem Thema Folter. Zuerst beleuchtete Dr. Norman Weiß von der Universität Potsdam das Thema aus Sicht des deutschen und internationalen Rechts. Er bemerkte zutreffend, dass trotz gesetzlicher Verbote und der Betrachtung als ius cogens, Folter weiterhin vorkommt. Die Politik der letzen US-Administration, die im „war on terror” systematisch nach außerrechtlichen Möglichkeiten Ausschau hielt, sei sehr problematisch. Auch in Extremsituationen dürfe es keine Einschränkung des rechtlichen Folterverbots geben. Konkrete Einzelfälle müssten aber gesondert betrachtet werden. Im Anschluss gab Prof. Miriam Gur-Arye von der Hebräischen Universität einen Einblick in die israelische Sichtweise im Umgang mit Folter in Fällen, wo die nationale Sicherheit des Staates Israel bedroht erscheint.

In der Diskussion um Folter in Deutschland stand vor allem der Daschner-Prozess um den ehemaligen Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner und seine Andordung zur Folterandrohung im Fall Jakob von Metzler im Mittelpunkt. In ihrem Vortrag über Folter im israelischen Rechtssystem machte Prof. Gur-Arye deutlich, dass der Oberste Gerichtshof 1999 die ursprünglich in Grenzen erlaubten Verhörmethoden unter Folteranwendung für illegal erklärt hat. Allerdings sorgte besonders das sehr offen formulierte Urteil, welches die für illegal erklärten Verhörmethoden nicht ausdrücklich als Folter bezeichnet, in der Debatte für Gesprächsstoff.

Am Nachmittag widmete sich Dr. Marten Breuer von der Universität Potsdam in seinem Vortrag „Emergency Situations and Due Process” dem Thema Rechtsstaatlichkeit und die Gewährleistung eines fairen Prozesses in Notstandssituationen. Er stellte die Frage in den Mittelpunkt, ob juristische Garantien zu den Menschenrechten notstandsfest seien, also ob sie niemals eingeschränkt werden dürften. Dabei vertrat er die Meinung, dass die Fundamente des Rechtsstaates, die jedoch schwerlich zu definieren seien, notstandsfest sein müssten.

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V.l.n.r.: Adv. Danny Evron, Minerva Center, Prof. Barak Medina, Dekan der Jura-Fakultät und Prof. Klein

Zum Abschluss des Tages referierte Col. (Res.) Daniel Reisner, ehemaliger Leiter des International Law Departments der israelischen Streitkräfte über eine weitere umstrittene Methode des israelischen Rechtssystems, die „Administrative Detentions”. Er diskutierte die Fälle, in denen sie angewendet wird, z.B. um geplante Terroranschläge zu verhindern. Er erwähnte auch die strenge Aufsicht über diese Maßnahmen durch israelische Gerichte. Gerade in Zeiten des Terrorismus erwüchsen aber ernste Komplikationen, z.B. wenn Terroristen freigelassen werden müssten, die aber weiterhin eine Gefahr darstellen würden. Er rechtfertigte das Inhaftieren von Gefangenen bis zu sechs Monaten ohne Anklageerhebung zwar, sprach sich aber auch gleichzeitig für mehr Transparenz aus.

Am letzten Tag sprach Dr. Yaël Ronen von der Hebräischen Universität Jerusalem über „Der Grenzzaun und die Menschenrechtsgesetzgebung”. Sie beschrieb die Effizienz des Zauns bei der Reduzierung von Terroranschlägen. Dieser würde aber auch das Leben der Palästinenser beeinflussen, z.B. bezüglich der Wasserversorgung und der Bewegungsfreiheit. Dr. Ronen erwähnte zusätzlich die Urteile israelischer Gerichte zum Zaun, die untereinander Ähnlichkeiten, aber auch Differenzen aufwiesen.

In seinem Vortrag „Der Anspruch auf Privatsphäre und Notstandssituationen” äußerte Dr. Breuer von der Universität Hamburg die Besorgnis, dass die Privatsphäre bedroht sei. Diese liege an technischen Entwicklungen, die dem Staat ungeahnte Möglichkeiten böten. Besonders nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seien solche Maßnahmen sprunghaft angestiegen. Er erwähnte auch die Kritik an solchen Methoden. Abschließend behandelte er den Schutz der Privatsphäre in verschiedenen Gesetzestexten und stellte fest, dass die eigentliche Frage nicht das ob, sondern der Umfang von Einschränkungen sei.

Zum Thema „Der Schutz von Minderheiten in Notstandssituationen”, warf Dr. Weiss die Frage auf, wie Minderheitengruppen überhaupt zu definieren seien und ihren Schutz in Notstandssituationen. Einen strittigen Punkt, den er erwähnte, war die Migrantenthematik, also ob diese Minderheiten oder Immigranten seien.

Das Seminar stellte einen wichtigen Baustein in den Bemühungen der KAS Israel dar, den deutsch-israelischen Dialog zu vertiefen und aktuelle Herausforderungen beider Gesellschaften in den Mittelpunkt des Dialogs zu stehen. Deutlich wurde in diesem Seminar, auf welche Weise Israel das Dilemma begegnet, Menschenrechte einhalten zu wollen, aber sich in einer komplizierten Konfliktsituation zu befinden. Normen des internationalen Rechts sind häufig für Situationen geschaffen worden, die heute nicht mehr der Realität entsprechen.

Das Problem der Achtung von Menschenrechten in asymmetrischen Konflikten verbindet heute Israel mit Deutschland, da Deutschland u.a. in Afghanistan militärisch operiert und auch dort asymmetrische Konflikt-Situationen vorfindet. Deshalb ist ein Ausbau des Dialoges außerordentlich sinnvoll. Das Seminar hat gezeigt, dass es auch in Zukunft Potential für die vertiefte Weiterführung des Dialogs zu diesem Thema gibt.

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