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Veranstaltungsberichte

Palästinensischer Handel und Export

Hürden, Herausforderungen und Hoffnungen

Ende Februar 2013 organisierten die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel und das Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI) gemeinsam eine Diskussionsrunde, die dem palästinensischen Handel und Export gewidmet war. Gemeinsam berieten Israelis und Palästinenser über Möglichkeiten, diese Bereiche zu stärken und nachhaltig für mehr Wohlstand und Stabilität in der Region zu sorgen. Zudem ging es darum, wie Hürden im Friedensprozess durch besseres Verknüpfen beider Wirtschaftsräume überwunden werden können.

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An dem Treffen nahmen Wirtschaftsvertreter, Leiter von Nichtregierungsorganisationen und Repräsentanten der öffentlichen Verwaltung, die in ihrem Alltag mit handelsrelevanten Fragen zu tun haben, teil. Beide Seiten sahen insbesondere in der Hightech-Industrie eine Hoffnung für die am Boden liegende palästinensische Wirtschaft und Raum für Kooperation.

Die Diskussionsrunde folgte einem Treffen, das im November 2012 stattgefunden hatte. Damals beschlossen die Teilnehmer, dass Export und Handel eine Schlüsselrolle bei der Linderung der palästinensischen Finanzkrise spielen müssten.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat in den letzten Jahren, in denen internationale Gebergelder sich stark zurückzogen, mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Rückgang der Mittelzuflüsse lässt sich vor allem auf die Weltwirtschaftskrise zurückführen, aber auch auf die schwindende Zuversicht der internationalen Gemeinschaft bezüglich einer baldigen Einigung im israelisch-palästinensischen Konflikt und einer damit einhergehenden Gründung eines palästinensischen Staates.

Ein palästinensischer Teilnehmer beklagte, dass sowohl der private als auch der öffentliche Sektor in den Palästinensischen Gebieten wenig effizient arbeiteten. Der aufgeblähte Verwaltungsapparat der PA – einer der größten Arbeitgeber in den Palästinensischen Gebieten – hinge von internationalen Mitteln ab, um seine Mitarbeiter zu bezahlen. Korruption sei, trotz der Fortschritte unter der Regierung Salam Fayyad, noch immer weit verbreitet. Nicht zuletzt aufgrund des konfliktiven Umfelds sei es bislang nicht gelungen, ein gesundes und selbstständiges Wirtschaftsleben aufzubauen und den Wegfall der Spendengelder auszugleichen.

Der palästinensische Vertreter wies ferner darauf hin, dass seit November 2012 Strafmaßnahmen von israelischer Seite, die dem unilateralen Schritt der Palästinenser vor die Vereinten Nationen folgten, ein weiteres Erschwernis der palästinensischen Situation darstellten. So würden bspw. Steuergelder zurückgehalten, die Israel gemäß dem Pariser Protokoll für die PA einziehen und anschließend überweisen sollte. Laut israelischer Presse habe die israelische Regierung diese Mittel genutzt, um Schulden der PA bei den israelischen Elektrizitätswerken und anderen Organisationen auszugleichen. Unterdessen gab der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Anschluss an den Obama-Besuch in Israel bekannt, dass die Überweisung der Steuereinnahmen zukünftig wieder regelmäßig durchgeführt werden würde.

In seinem Grußwort forderte Michael Mertes, Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung Israel, dazu auf, nicht nur über die verfahrene Situation zu klagen, sondern konstruktiv nach Wegen zu suchen, um Verbesserungen einzuleiten. Eine starke Wirtschaft sei unabdinglich für einen unabhängigen palästinensischen Staat. Die Palästinenser könnten sich nicht mehr auf den Fluss internationaler Gebergelder verlassen, sondern müssten wirtschaftlich auf die Beine kommen und Selbstständigkeit erlangen. In diesem Bereich biete sich israelisch-palästinensische Zusammenarbeit ganz besonders an.

Dan Goldenblatt, Co-Direktor von IPCRI, erklärte, dass die Handels- und Exportwerte der Palästinensischen Gebiete generell niedrig seien. 90 Prozent der Ausfuhren, hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Marmor, gingen nach Israel. Folglich ergebe sich eine starke Abhängigkeit von der israelischen Wirtschaftskonjunktur. Gebe es in Israel eine Finanzkrise, seien die palästinensischen Gebiete auch unmittelbar von deren Auswirkungen betroffen. Eine Diversifizierung der Export-Zielländer könne die palästinensische Wirtschaft nachhaltig stärken, würde sie aber vor allem unempfindlicher gegen konjunkturelle Schwankungen in Israel machen.

Interne und externe Hürden

Die Veranstaltungsteilnehmer identifizierten zwei Problemebenen, die die Produktivität der palästinensischen Wirtschaft sowie Export und Handel beeinflussten. Zum einen habe der private Sektor mit internen, strukturellen Hürden zu kämpfen. Zum anderen gebe es externe Faktoren, die bspw. die Ausfuhr palästinensischer Waren erschwerten.

Die Wirtschaftshürden internen Ursprungs stünden oft in Zusammenhang mit fehlendem Know-how der Unternehmer sowie Einschränkungen durch bürokratische Hindernisse, Korruption und ineffiziente Produktionssysteme.

Der Mangel an Know-how bringe für palästinensische Unternehmer viele Schwierigkeiten mit sich. Wie schon in der November-Veranstaltung, wurde auch bei diesem Treffen das Fehlen von Informationen operativer und praktischer Natur – bspw. über Zolltarife sowie israelische Import- und Exportbestimmungen – geklagt. Dies liege vor allem daran, dass wichtige Dokumente nicht zur Verfügung stünden oder die Unternehmer bei der Vielzahl an bürokratischen Dokumenten nicht wissen könnten, an welche Dokumente sie sich halten müssten.

Ferner gebe es in Bezug auf verfahrenstechnische Methoden manche Defizite in der palästinensischen Industrie. Dazu kämen die meist geringen Produktionsmengen. Dies führe zu einem größeren Produktionsaufwand und erhöhten Stückkosten. Zudem entsprächen viele Produkte nicht den israelischen oder internationalen Standards und könnten daher nicht exportiert werden. Folglich seien palästinensische Unternehmer am internationalen Markt oft nur bedingt wettbewerbsfähig.

Ein israelischer Vertreter merkte an, dass er eine Marken-Strategie für palästinensische Produkte vermisse. Es sei an der Zeit, an einem ausgefeilteren Marketing zu arbeiten. Dies wurde auch von palästinensischen Teilnehmern begrüßt.

Die externen Faktoren, die die palästinensische Wirtschaft negativ beeinflussten, stünden meist in Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt und der damit einhergehenden fehlenden Souveränität über Außengrenzen sowie bei der Steuerung von Im- und Export. Zwar würden Teile des Westjordanlands von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet, die Außengrenzen oblägen jedoch, so sei es im Pariser Protokoll festgelegt worden, allein israelischer Kontrolle.

Vor dem Hintergrund des ungelösten Konfliktes seien viele ausländische Investoren zurückhaltend, wenn es zu Investitionen in den Palästinensischen Gebieten komme. Gewaltausbrüche und mögliche kriegerische Auseinandersetzungen brächten konstante Risiken mit sich und machten die palästinensischen Gebiete zu einem unsicheren Investitionsort.

Ein palästinensischer Wirtschaftsvertreter erklärte in diesem Zusammenhang, dass es aufgrund der oft extensiven Sicherheitskontrollen und folglich längeren Wartezeiten an den Grenzen teilweise zu Verzögerungen bei der Auslieferung käme. Dies sei besonders bei leicht verderblichen Waren, wie landwirtschaftlichen Produkten, problematisch. Die Risiken beim Zeitrahmen der Auslieferung schreckten potentielle Abnehmer ab und stellten palästinensische Unternehmer vor große Schwierigkeiten.

Eine weitere Herausforderung ergebe sich durch die hohen Treibstoffkosten und die infolgedessen hohen Transportkosten. Eine Komponente des Pariser Protokolls lege fest, dass der Benzinpreis in den Palästinensischen Gebieten nicht mehr als 15 Prozent von dem Verkaufspreis in Israel abweichen soll.

Sicherheitsbedürfnisse vs. Handelsentwicklung: Fortschritte und Lösungsansätze

Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer über konkrete Maßnahmen, die ergriffen werden könnten, um die volatile Wirtschaftssituation im Westjordanland zu stabilisieren.

Ein israelischer Teilnehmer referierte über die Schritte, die in den vergangenen Monaten von israelischer Seite durchgeführt wurden, um den Beschwerden der palästinensischen Unternehmer nachzugehen und den Export palästinensischer Produkte zu erleichtern.

So sei zum Beispiel ein Standard-Informationssystem erstellt worden, das es den Palästinensern ermöglichen solle, ihre Standards so zu erhöhen, dass sie israelischen und internationalen Ansprüchen genügten. Ferner würden Palästinenser gezielt zum Standardsystem für israelische Produkte weitergebildet. Sie sollten nun als Multiplikatoren ihr Wissen an Unternehmer und Wirtschaftsfachleute weitergeben.

Gemeinsam mit der Europäischen Union und USAid arbeite Israel zudem an der Verbesserung veterinärer Dienste, um künftig den Export tierischer Produkte aus den palästinensischen Gebieten weiter voranzutreiben. Diese gehobenen Standards kämen letztendlich nicht nur dem Export zugute, sondern besonders den Verbrauchern in der eigenen Bevölkerung.

Es seien auch zusätzliche Warenscanner an verschiedenen Checkpoints installiert worden, um die Wartezeiten zu verringern. Die palästinensischen Vertreter wiesen jedoch darauf hin, dass nach wie vor ein großer Unsicherheitsfaktor ihre zeitliche Planung beherrsche.

Ferner seien palästinensische Exporteure zum Hafen von Haifa gebracht worden, wo Ihnen die für die Ausfuhr notwendigen Prozesse erklärt worden seien.

Der israelische Vertreter fügte jedoch mit Bedauern hinzu, dass diese positiven Entwicklungen seit dem Gang der Palästinenser vor die Vereinten Nationen im November 2012, ins Stocken geraten seien. Er hoffe auf eine Fortsetzung dieser Prozesse.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass es eines Aktionsplans für die palästinensische Wirtschaft bedürfe, um strukturelle interne Hindernisse abzubauen. Bürokratische Hürden innerhalb der Institutionen müssten reduziert, die wirtschaftliche Infrastruktur modernisiert werden. Eine bessere Organisation des Handels sei wichtig, aber auch die Produktion müsse ergebnisorientierter gestaltet werden.

Beide Seiten sahen in der palästinensischen Hightech- und Computerindustrie ein erfolgversprechendes Gewerbe und die Chance, sich auf wirtschaftlicher Ebene näher zu kommen. Projekte in diesem Bereich seien von der Europäischen Union schon oft erfolgreich initiiert worden, aber bisher nie aus einer israelisch-palästinensischen Initiative hervorgegangen. Einige Teilnehmer äußerten ihr Interesse, eine solche Initiative in Angriff zu nehmen. So könne eine israelisch-palästinensische Unternehmerdelegation aus dem IT-Sektor im Ausland gemeinsam für Investitionen werben. Dies könne wesentlich dazu beitragen, Unternehmen von der Sicherheit ihrer Investitionen zu überzeugen.

Zudem kamen die Gesprächsteilnehmer überein, unabhängig voneinander für den Bau von Trockenhäfen zur Förderung der palästinensischen Infrastruktur, einzutreten.

Durch die Gespräche wurde ersichtlich, dass Dialog in der Vergangenheit durchaus zu Fortschritten und Erleichterungen bei Prozeduren, Grenzübergängen, Häfen, Zoll etc. führte. Allerdings sind noch längst nicht alle Hindernisse beseitigt. Besonders die internen Hindernisse des palästinensischen Handels müssen angepackt werden. Auch in diesem Bereich kann israelisch-palästinensische Zusammenarbeit sehr zum Vorankommen beitragen.

Eine gesunde palästinensische Wirtschaft liegt nicht nur im Interesse der Palästinenser – sie ist ebenso von höchster Bedeutung für die israelische Seite. Wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstand können maßgeblich zu einer friedlichen Entwicklung beitragen und Stabilität fördern.

Evelyn Gaiser / Florian Mathei / Elena Müller

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