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Veranstaltungsberichte

Staatsbürgerschaft in Deutschland und Israel

Ohne Inklusion keine Loyalität

Am 5. März 2013 veranstalteten das Leo Baeck-Institut Jerusalem und die KAS Israel zusammen mit anderen Partnern ein öffentliches Symposium zum Thema „Staatsbürgerschaft in Deutschland und Israel – Eine vergleichende Retrospektive“. Ein großes israelisches Publikum sowie Teilnehmer einer internationalen Konferenz zum 200-jährigen Jubiläum des Preußischen Judenedikts von 1812 besuchten die Veranstaltung.

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Das Symposium war die erste gemeinsame Veranstaltung des Leo-Baeck Instituts Jerusalem (LBI) und der Konrad-Adenauer-Stiftung dar. Michael Mertes, Landesbeauftragter der KAS Israel betonte, dass seine Einrichtung an der Verständigung zwischen israelischen und deutschen Interessen arbeite. In dieser Hinsicht sei das LBI die führende Einrichtung in der Erforschung deutsch-israelischer Beziehungen. Die Veranstaltung verknüpfe somit die Anliegen beider Einrichtungen auf ideale Weise.

Prof. Shmuel Feiner von der Bar-Ilan-Universität und dem LBI eröffnete den Abend mit einem Rückblick auf die gemeinsame Geschichte jüdischer und deutscher Bürger seit der Einführung des preußischen Judenediktes von 1813. Jenes Edikt war ein erster Schritt zur Gleichstellung der Juden in einem deutschen Staat und wichtiger Bestandteil des preußischen Modernisierungsprozesses seit 1807. Dennoch dauerte es zwei weitere Generationen, bis jüdische Bürger das volle Bürgerrecht erhielten. Prof. Feiner folgerte daraus, dass sich aus diesen Erfahrungen Lehren ziehen lassen. Denn die Geschichte zeige, dass rechtliche Gleichheit von Minderheiten nur über soziale Akzeptanz erreicht werden könne.

Dieses Stichwort griff Prof. Yfaat Weiss von der Hebräischen Universität Jerusalem und dem Franz-Rosenzweig-Minerva-Zentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte auf. Sie betonte die unbestreitbare Verbindung von Loyalität und Staatsbürgerschaft innerhalb demokratischer Staaten. Israel müsse verstehen, dass Staatsbürger unabhängig von ihrer Abstammung gleich an Rechten seien. Ferner verglich Prof. Weiss das deutsche „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetztes“ von 1913 und das israelische „Law of Return“, das es Juden weltweit erlaubt, die israelische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Darauf entgegnete Prof. Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem und dem Richard-Koebner-Minerva-Zentrums für deutsche Geschichte, dass sich Geschichte schwer für Inspirationen eigne. Vielmehr diene sie Gruppen und Individuen als Quelle für Denk- und Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Unrecht oder Katastrophen ließen sich verhindern, die durch diskriminierenden Umgang mit Bürgern oder ungerechte Einbürgerungsgesetzte entstehen könnten. Um in der Zukunft bestehen zu können, müsse Israel den Kern seiner Staatsbürgerschaft definieren. Nur so sei die Integration anderer Volksgruppen möglich. Dabei müsse eine solche Definition auf Menschen- und Bürgerrechten aufbauen und Abstand von der ethnischen Konnotation nehmen, die Israel bisher anwendet. In der jetzigen Praxis sieht Zimmermann die Herrschaft einer Mehrheit über eine Minderheit.

Prof. Mordechai Kremnitzer vom Israelischen Demokratie-Institut und der Hebräischen Universität vertrat die Ansicht, dass Israel durchaus mit Deutschland in Fragen des Bürgerrechts vergleichbar sei. Dort führte ein geringes Maß an Diskriminierung schließlich zu einem pathologischen Umgang mit der jüdischen Minderheit. Zugleich betonte er, dass der Fall Israels einzigartig sei, da eine klare nationale Identität einer klaren Grenzziehung bedürfe, die mit Blick auf die Palästinensischen Gebiete nicht bestünde. Im Westjordanland beherrsche Israel eine palästinensische Bevölkerung, der man den Bürgerrechtsstatus weder geben wolle noch könne. Durch die undefinierte Grenze zu den besetzten Gebieten bezwecke Israel, dass die palästinensische Bevölkerung sich stärker zum arabischen Nachbarn Jordanien verbunden fühle, als dass sie Teil eines eigenen Staates würden. Prof. Kremnitzer stellte abschließend die Frage, ob es Israel gelingen werde, einen großen gemeinsamen Nenner für alle Bürger zu schaffen. Zum Beispiel gäbe es in dem Land nicht einmal mehr eine geregelte Ferienzeit für alle Staatsbürger unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft.

Prof. Weiss setzte die Debatte fort und lenkte den Blick auf den Begriff der Zivilgesellschaft in Israel. Dazu erklärte Prof. Zimmermann, dass einerseits eine Übertragung des Begriffes von anderen liberal-demokratischen Systemen auf den israelischen Kontext aufgrund der nicht vorhandenen Trennung von Staat und Religion schwierig sei. Andererseits hob Prof. Kremnitzer Israels funktionierende, lebendige Zivilgesellschaft etwa in Bereichen des Minderheitenschutzes und der Bürgerrechte hervor. Die Aktivitäten zahlreicher Nichtregierungsorganisationen finden auch auf Regierungsebene Gehör und dürfen daher nicht außer Acht gelassen werden.

Das Symposium kam zu dem Ergebnis, dass Israel angesichts der ambivalenten Loyalität seiner Bürgerinnen und Bürger sowie der massiven Gefahren aus dem Ausland einen Sonderfall darstelle. Gleichwohl liege der Schlüssel zur Integration von Minderheiten in deren Mitwirkung am politischen und gesellschaftlichen Alltag und ihrer sozialer Akzeptanz.

Florian Mathei

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5. März 2013: Symposium KAS/LBI zu Citizenship in Germany and Israel - A comparative retrospective.\r\nV.l.n.r.: Shmuel Feiner, Mordechai Kremnitzer, Yfaat Weiss, Moshe Zimmermann Eigenes Foto KAS Israel

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