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Veranstaltungsberichte

Thinking Politics - Shaping the Future

Seminar zur politischen Nachwuchsförderung

Am 21. und 22. März organisierte die KAS Israel ein Seminar zur politischen Nachwuchsförderung für Mitglieder des Manof-Forums. Politische Beratung und politische Bildung sind zwei wesentliche Aufgaben der KAS in der internationalen Zusammenarbeit und dienen der Förderung der rechtsstaatlichen und sozial verantwortlichen Demokratie im Einsatzland.

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Das Manof-Forum ist ein Kreis junger Likud-Aktivisten, die sich für liberale Werte in der israelischen Rechten, namentlich im Likud, einsetzen. Es wurde vor zweieinhalb Jahren gegründet und ist heute ein wichtiger Bestandteil des Meinungsbildungsprozesses innerhalb des Likuds. Ferner sind die Mitglieder des Forums wichtige Gesprächspartner für deutsche Politiker, die Israel besuchen.

Das Seminar thematisierte zum einen sachfeldbezogene Fragen, um die inhaltliche Positionierung des Forums weiter auszuarbeiten. Zum anderen wurden Möglichkeiten der institutionellen und strukturellen Entwicklung des Forums debattiert.

Im inhaltlichen Teil des Seminars setzten sich die Teilnehmer mit folgenden Themenfeldern auseinander:

  • Verhältnis von Staat und Religion
  • Europäisch-israelische Beziehungen
  • Sozioökonomische Herausforderungen in Israel

Das Verhältnis von Staat und Religion im jüdischen Staat

Dabei stand die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Religion in einem jüdischen und demokratischen Staat im Zentrum. Das Manof-Forum engagiert sich für eine gerechtere Lastenverteilung innerhalb der israelischen Gesellschaft und für die Integration der ultraorthodoxen Bevölkerung in den Arbeitsmarkt. Dabei achten die Jungpolitiker besonders darauf, ein Konzept zu erarbeiten, das auf einem Kompromiss beruht und die besonderen Bedürfnisse der Haredim (ultraorthodoxe Juden) berücksichtigt.

Zu diesem Thema sprach die ultraorthodoxe Journalistin Shalhevet Hasdiel, die den Standpunkt der Haredim in einem säkularen Staat und die damit verbundenen Herausforderungen darlegte. Frau Hasdiel erklärte, dass das Gesetz zur Wehrreform, das jüngst von der Knesset verabschiedet wurde, ihrer Ansicht nach kontraproduktiv sei.

Vor allem die Androhung strafrechtlicher Sanktionen gegen „ultrareligiöse Wehrdienstverweigerer“ löse in der ultraorthodoxen Bevölkerung eine Trotzreaktion und damit Ablehnung und Widerstand gegen Staat und Armee aus. Ultraorthodoxe Wehrdienstleistende würden inzwischen in ihrer eigenen Gemeinschaft als „Kollaborateure“ stigmatisiert. Folglich würden moderatere Ultraorthodoxe, die bereit gewesen wären, Wehrdienst zu leisten, abgeschreckt.

Im anschließenden Vortrag ging Mickey Gitzin, Direktor der NRO Israel Hofshit (freies Israel), darauf ein, warum sich seine Organisation für mehr Religionsfreiheit und für religiösen Pluralismus in Israel sowie eine Trennung von Staat und Religion engagiert.

In Israel liegen Fragen des Personenstands- sowie des Ehe- und Familienrechts in der Verantwortung religiöser Institutionen. Nur diese können bspw. rechtsgültige Eheschließungen vollziehen. Im jüdischen Sektor liegt das Monopol dafür bei Vertretern des ultraorthodoxen Judentums. Die Möglichkeit einer zivilen Heirat besteht nicht. Auch eine Scheidung jüdischer Ehepaare kann nur vor einem Rabbinatsgericht vollzogen werden. In dem Fall, dass eine Frau sich von ihrem Mann scheiden lassen möchte, benötigt sie dessen Zustimmung. Erhält sie diese nicht, kann sie nach halachischem Gesetz keine neue Ehe schließen und auch keine halachisch legitimen Kinder bekommen.

Laut Gitzin schwäche der zunehmende Einfluss von Religion im öffentlichen Raum die Freiheiten der Bürger ein. Israel sei nicht nur ein jüdischer, sondern auch ein demokratischer Staat. Deshalb müsse der Staat für demokratische Grundwerte wie Pluralismus und Religionsfreiheit einstehen. Dies bedeute zum Beispiel, dass neben dem orthodoxen Judentum auch andere Strömungen wie das konservative, das Reformjudentum oder der Rekonstruktionismus anerkannt werden müssten. Derzeit habe das orthodoxe Judentum überdimensional hohen Einfluss im israelischen Alltag. Ebenso sei das Recht, gar keiner Religion anzugehören, fundamental.

In der anschließenden Diskussion wurde intensiv über die jüdische Identität diskutiert. Ein Teilnehmer merkte an, dass die strengen Regeln des orthodoxen Judentums dazu beigetragen hätten, dass sich die jüdische Identität über Jahrtausende des Exils bewahrt habe. In den Vereinigten Staaten sehe man indessen, dass eine offenere Auslegung zu einem Verlust der jüdischen Identität führen könne. Während auch er sich auf einer persönlichen Ebene mehr Religionsfreiheit in Israel wünsche, müsse man den Preis, den diese Freiheit mit sich bringe, berücksichtigen.

Betont wurde die Rolle, die der Likud bei der Findung eines Kompromisses zum friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Strömungen des Judentums übernehmen könne. Wie in kaum einer anderen Partei seien im Likud säkulare und religiöse Elemente vereint. Deshalb sei es auch die Aufgabe von Manof, sich im Likud für die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen einzusetzen. Entscheidend sei für ein besseres Zusammenleben der Respekt vor dem Lebensstil der jeweils anderen Seite in deren Wohnviertel.

Das EU-Israel Verhältnis: Gemeinsame Werte, unterschiedliche Anschauungen?

Ein weiterer kontrovers diskutierter Themenpunkt war das europäisch-israelische Verhältnis. Ein Vertreter der Delegation der Europäischen Union in Israel legte anhand diverser Beispiele dar, wie sich die Beziehungen zwischen Israel und der EU in den letzten Jahren vertieft hätten. So sei Israel das einzige nichteuropäische Land, das an dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 teilnehme. Ferner stelle das Angebot der EU vom Dezember 2013, im Falle eines Abkommens mit den Palästinensern eine „besondere privilegierte Partnerschaft“ mit Israel einzugehen, eine weitere Möglichkeit zur Intensivierung der Beziehungen dar.

Im Rahmen der anschließenden Diskussion wurde der EU eine einseitige Haltung im Nahost-Konflikt zugunsten der Palästinenser vorgeworfen. Man wünsche sich eine klarere Verurteilung, wenn Palästinenser zu Hass und Gewalt gegen Israel anstifteten und wenn offizielle palästinensische Vertreter Attentate rechtfertigten.

Ferner, so ein Teilnehmer, unterstütze die EU viele Projekte, die die Delegitimierung Israels zum Ziel hätten. Der EU-Vertreter wies jedoch darauf hin, dass die EU regelmäßig die von ihr finanzierten Projekte überprüfe und sich im Zweifelsfall von Partnern getrennt habe. Zudem gebe es viele EU-Projekte, die im Interesse Israels seien. So z.B. ein Projekt, das in der Vergangenheit mit der KAS Israel umgesetzt wurde und das die Aufnahme von Friedenserziehung in palästinensische, jordanische und israelische Lehrpläne förderte.

Man dürfe nicht aus den Augen verlieren, dass die EU und Israel auch durch viele gemeinsame Interessen und Herausforderungen (wie z.B. im Bereich der illegalen Einwanderung) verbunden seien, die nicht in Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt ständen; hier käme ein weiterer Ausbau der Zusammenarbeit beiden Seiten zugute.

Israel drei Jahre nach den Sozialprotesten

Über die sozioökonomischen Herausforderungen Israels drei Jahre nach den Sozialprotesten sprach der Professor der Wirtschafswissenschaften und ehemalige Berater des Finanzministers, Prof. Omer Moav. Er legte in seinen Ausführungen dar, wie der hohe Konzentrationsgrad in der israelischen Wirtschaft und der große Einfluss einiger weniger Akteure dazu beitrügen, dass die Preise für Basisprodukte wie Autos und Nahrungsmittel in Israel wesentlich höher seien als beispielsweise in Deutschland. Deshalb müsse die Regierung für Rahmenbedingungen sorgen, die mehr freien Wettbewerb in der israelischen Wirtschaft begünstigten.

Als Grund für die hohen Preise auf dem israelischen Immobilienmarkt nannte Prof. Moav mehrere Faktoren. Zum einen führten das stetige Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende steigende Nachfrage zu einer Erhöhung der Wohnungspreise. Zum anderen konzentriere sich ein großer Teil der Bevölkerung auf das Zentrum des Landes wie z.B. auf Tel Aviv, wo ohnehin eine Knappheit an Wohnungen herrsche. Ferner gebe es in Israel aufgrund des niedrigen Zinssatzes eine Immobilienblase. Langfristig sei die Schaffung zusätzlicher Wohnungen die einzige Möglichkeit, einen weiteren Anstieg der Immobilienpreise zu verhindern.

Politik beraten und Zukunft gestalten

Ein Höhepunkt des Seminars war der Vortrag von Herrn Dr. Michael Borchard, der eigens für die Veranstaltung aus Deutschland angereist war. Herr Dr. Borchard, Leiter der Hauptabteilung „Politik und Beratung“ bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, legte dar, nach welchen Prinzipien ein politischer Thinktank funktioniert, welche Aufgaben dieser erfüllen sollte und welche Vorteile, aber auch Herausforderungen die Parteinähe mit sich bringt.

Manof plant seine Aktivitäten künftig auszubauen und unter anderem als Denkfabrik und politischer Berater für die Likud-Partei zu agieren. Deshalb war es für die Aktivisten besonders bedeutend, für die Entwicklung des Forums Empfehlungen aus erster Hand zu erhalten. Die KAS gehört laut dem Go Think Tank report 2013 zu den zehn besten Denkfabriken Westeuropas.

Dr. Borchard erklärte, dass in der Politik zunehmend Bedarf an Beratung bestehe. Die Probleme und Herausforderungen, mit der sich Politiker auseinandersetzen müssten, würden komplexer. Ein gutes Beispiel dafür sei die Eurokrise, deren Zusammenhänge selbst für Wirtschaftswissenschaftler teils schwer zu erfassen seien.

So liege eine Aufgabe politischer Thinktanks darin, Politikern Wissen zu vermitteln und Input für die Erarbeitung von Strategien und Parteiprogrammen zu liefern. Sie fungierten damit als eine Art Verbindungselement zwischen der akademischen Welt und der Politik.

Ferner sollten parteinahe Denkfabriken politische Bildung anbieten, am politischen Willensbildungsprozess des Volkes mitwirken und eine Plattform für die öffentliche politische Debatte bereitstellen.

Zur Umsetzung dieser Aufgaben eigneten sich bspw. Hintergrundgespräche, Rundtische und Grundsatzpapiere. Auch ein Blog könne heute einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten.

Entscheidend für den Erfolg der Thinktanks seien Relevanz und Qualität der Produkte. Diese müssten sich durch Innovation und Vorausdenken auszeichnen, sie sollten kurz und einfach gehalten sein und neue Perspektiven aufzeigen. Zudem müssten Empfehlungen klar und bisweilen kritisch sein. Politikgestaltung profitiere weniger von netten Worten als von unbequemen, aber ehrlichen Verbesserungsvorschlägen. Die Nähe zu den Werten der jeweiligen Partei trage dazu bei, dass Analysen und Empfehlungen nicht an den Bedürfnissen des Beratungsempfängers vorbeigehen.

Abschließend ging Herr Dr. Borchard auf die Frage der Finanzierung ein. Deutsche politische Stiftungen befänden sich aufgrund der Förderung durch öffentliche Gelder in einer besonderen Situation. Sie genössen den Vorteil der weitgehenden finanziellen Unabhängigkeit, seien damit aber auch verpflichtet, transparent zu handeln und ein gerichtlich überprüfbares Maß an Distanz zur Partei zu wahren. Die Sponsorengewinnung werde jedoch zunehmend relevant und deshalb gelte es, Projektmanager in diesem Bereich weiterzubilden. Den Vortrag von Herrn Dr. Borchard können Sie im pdf-Dokument am Seitenanfang finden.

Politische Teilnahme und Teilhabe

Weitere Programmpunkte des zweitägigen Seminars umfassten einen Workshop im Bereich des Social Media Campaigning, in der die Teilnehmer lernten, wie sie die öffentliche Debatte durch soziale Netzwerke besser beeinflussen können.

Zudem leitete der erfahrene Likud-Aktivist und Berater des stellvertretenden Außenministers Zeev Elkin, Shlomi Varyit, einen Workshop zur Teilhabe an politischen Entscheidungen im Likud. Dabei wurden die verschiedenen Gremien vorgestellt, in denen die Entscheidungsprozesse im Likud vollzogen werden. Anschließend simulierten die jungen Aktivisten in einem Planspiel, wie man bestimmte Themen auf der politischen Agenda platzieren kann.

Ergebnisse

Dank der Beiträge der Experten konnten die Nachwuchspolitiker ihr Wissen in verschiedenen Sachbereichen vertiefen und in den Gruppendiskussionen neue Handlungsschwerpunkte festlegen.

Neue Strategien im Bereich der sozialen Medien und Kenntnisse der Entscheidungsfindung innerhalb des Likuds befähigen die Forumsmitglieder, die Themen auf der politischen Agenda des Likuds zu platzieren und dort voranzutreiben. Dazu gehören Themen, die auch für die KAS von höchster Relevanz sind, wie der Dialog zwischen religiöser und säkularer Gesellschaft, das Verhältnis zwischen Israel und der EU und eine wirtschaftspolitische Orientierung an den Werten der Sozialen Marktwirtschaft.

Mithilfe der neuen Kenntnisse zum Funktionieren eines politischen Thinktanks sind die jungen Politiker auch mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Forums in der Lage, sich in dieser Hinsicht besser aufzustellen.

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Michael Mertes begrüßt die Seminarteilnehmer Evelyn Gaiser KAS Israel
Dr. Michael Borchard spricht über die Aufgaben politischer Thinktanks Evelyn Gaiser KAS Israel
Mitglieder des Manof-Forums diskutieren mit der ultraorthodoxen Journalistin Shalhevet Hasdiel über das Verhältnis von Staat und Religion in Israel. Evelyn Gaiser KAS Israel

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