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Veranstaltungsberichte

Umbrüche in der Medienlandschaft

von Susi Doring Preston, Michael Mertes

Ein israelisch-deutscher Dialog

Am Sonntag, den 27. Oktober 2013 kamen bei einem vom Israel Democracy Institute, der KAS Israel und der Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam veranstalteten Expertengespräch deutsche Journalisten mit israelische Medienvertretern in Jerusalem zusammen. Thema waren die aktuellen Entwicklungen in der israelischen und der deutschen Medienlandschaft.

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Zu den Projekten des Israel Democracy Institute (IDI), eines Partners der KAS Israel, gehört das von Dr. Tehilla Shwartz Altshuler geleitete Media Reform Project. Von besonderem öffentlichen Interesse ist der Israeli Democracy Index, dessen Ausgabe 2013 kürzlich veröffentlicht wurde. Das IDI fragte unter anderem nach dem Vertrauen jüdischer Israelis in zehn verschiedene Institutionen. Am besten schnitt – mit rund 91% – die israelische Armee (IDF) ab, während die israelischen Medien nur auf Platz 8 kamen (47%). Das Schlusslicht bildeten – wie bei entsprechenden Umfragen in Deutschland – die politischen Parteien mit 37%.

Nach einleitenden Bemerkungen von Professor Mordechai Kremnitzer, IDI-Vizepräsident für Forschung, Michael Mertes, Leiter der KAS Israel, und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, gab Tehilla Shwartz Altshuler einen Überblick über die israelische Medienlandschaft und das im internationalen Vergleich sehr liberale israelische Medienrecht. Sie beschrieb auch, wie die unentgeltliche, vom US-amerikanischen Unternehmer und Multimilliardär Sheldon Adelson finanzierte Tageszeitung Israel Hayom zum wirtschaftlichen Ruin konkurrierender Blätter beigetragen habe.

Lior Kodner, Leiter Digital Media bei der Tageszeitung Haaretz, erläuterte, wie Israelis Nachrichten konsumieren und wie sich die Online-Nutzung des Angebots von Haaretz entwickelt. Entgegen allen Warnungen habe es Haaretz nicht geschadet, dass ein Teil seiner Artikel für Nicht-Abonnenten nur noch gegen Entgelt zugänglich ist. Tal Schneider, eine in Israel populäre politische Bloggerin, erklärte, wie sie die sozialen Medien nutzt, um mit Hilfe ihrer zahlreichen Unterstützer Fakten zu ermitteln und zu überprüfen. Da die Zahl hebräischsprachiger Leser klein ist, sind auch die Einkommensmöglichkeiten für israelische Blogger begrenzt; allerdings reichen sie bei den Erfolgreichen unter ihnen für den Lebensunterhalt aus.

Gidon Shaviv, Senior Research Analyst bei Presspectiva, einem Medien-Monitor, arbeitete heraus, wie schnell sich falsche Informationen über den Nahostkonflikt weltweit verbreiten. Seine Organisation beobachte ständig die weltweite Berichterstattung über den Konflikt – vor allem in großen US-Medien wie der New York Times – und gehe jedem Hinweis auf sachlich falsche Darstellungen nach. Presspectiva sei es wiederholt gelungen, Fehler nachzuweisen und Zeitungen dazu zu bewegen, Korrekturen abzudrucken. Allerdings gebe es keine allgemein anerkannten Standards, ob und wie Richtigstellungen abzudrucken sind – das liege letztlich im Ermessen des Mediums, das den Fehler in die Welt gesetzt hat.

Hanoch Marmari, ehemaliger Chefredakteur von Haaretz und heute Redakteur bei der Online-Zeitschrift The Seventh Eye, sprach über Probleme des Qualitätsjournalismus in Israel. Er wünsche sich, dass der israelische Journalismus wieder investigativer werde – und dies nicht nur im Hinblick auf Recherchen zu Konsumprodukten.

Es folgte ein intensive Diskussion, in der die deutschen Journalisten Interesse an der israelischen Blogger-Szene zeigten und wissen wollten, welche Rolle das Armee-Radio Galei Zahal (abgekürzt Galaz) in der israelischen Medienlandschaft spiele. Die Antworten machten deutlich, dass das Armee-Radio einen sehr guten Ruf als ein sachlich berichtendes Medium mit hohen journalistischen Standards genieße; es habe viel für die Förderung journalistischen Nachwuchses (auch von Journalisten, die politisch links stehen) in Israel getan.

Kritisch wurde erörtert, inwieweit sich die IDF mit eigenen Medien-Aktivitäten – nicht zuletzt im Bereich der sozialen Medien – auf Felder begebe, die eigentlich Domäne ziviler Recherche, Berichterstattung und Informationsverbreitung sein sollten. Gleichwohl wurde anerkannt, dass für die Berichterstattung über militärische Angelegenheiten in Israel vergleichsweise liberale Rahmenbedingungen herrschen, wenn man bedenke, dass solche Informationen angesichts der Sicherheitslage, in der dieses Land sich befindet, von besonderer Brisanz seien. Ein deutscher Journalist zeigte sich beeindruckt davon, dass das israelische Presserecht personenbezogene Berichterstattung weniger einschränke als das deutsche; außerdem habe Israel schon lange vor Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz gehabt.

Tehilla Shwartz Altshuler erklärte, dass die Militärzensur in der Praxis keine erhebliche Einschränkung journalistischer Freiheit bewirke, weil sie selbst einer strengen richterlichen Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof unterliege. Der Oberste Gerichtshof entscheide im Zweifel zugunsten der journalistischen Freiheit und unterstütze die Position der Armee nur dann, wenn es eine eindeutige, konkrete Bedrohungslage gebe. Ihrer Ansicht nach wird die journalistische Freiheit in Israel eher dadurch gefährdet, dass politische Enzscheidungen auf intransparenten Wegen zustande kommen und Politiker nicht zu größerer Offenheit bereit seien.

Nach der Plenardiskussion bildeten sich kleinere Gesprächsgruppen, in denen einzelne Themen vertieft erörtert wurden. Viele Teilnehmer vereinbarten miteinander, diesen sehr inspirierenden israelisch-deutschen Dialog fortzusetzen.

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