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Veranstaltungsberichte

Umbrüche in der Region und Implikationen für Israels Sicherheit

von Dr. Nadine Carlson (geb. Mensel)

Studien- und Informationsprogramm mit Dr. Andreas Schockenhoff

Fast zwei Jahre ist es her, dass die Selbstverbrennung eines jungen Mannes in Tunesien Unruhen auslöste, die bald darauf in zahlreichen Ländern der arabischen Welt Widerhall fanden. Rufe nach Freiheit, ein Leben in Würde und besseren Lebensbedingungen erfüllten die Straßen in Nordafrika und im Nahen Osten.

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Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Protestierenden und den machthabenden Eliten stürzten in der Folge das Regime unter Präsident Ben Ali in Tunesien genauso wie der ägyptische Präsident Husni Mubarak oder der libysche Diktator Muammar Gaddafi. Inzwischen befindet sich Syrien in Mitten eines Bürgerkriegs mit noch ungewissem Ausgang. Sicher scheint indes nur, dass die arabische Welt keine Rückkehr zum Status quo ante erleben wird.

All diese Vorgänge der vergangenen Monate wurden in Israel mit großem Interesse und oftmals mit einem sorgenvollen Blick verfolgt. Bis auf Ägypten und Jordanien unterhält keines der arabischen Länder diplomatische Beziehungen zu Israel. Und das Verhältnis zu Kairo und zu Amman als herzlich zu beschreiben, wäre eine maßlose Übertreibung. Sorge bereitet in Jerusalem vor allem das Erstarken islamistischer Kräfte in vielen arabischen Gesellschaften, wie auch die Wahlergebnisse in Libyen und Ägypten dokumentieren. Zum Beispiel wurde erstmals in der neueren ägyptischen Geschichte mit Mohammed Mursi ein Zivilist in das höchste Staatsamt gewählt, der darüber hinaus der Muslim-Bruderschaft angehört.

Um die Entwicklungen in den arabischen Staaten genauer zu betrachten und insbesondere die sicherheitspolitischen Implikationen herauszuarbeiten, organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel am 9. und 10. Oktober 2012 ein Studien- und Informationsprogramm mit außenpolitischen Experten aus Deutschland. Ziel war es, den Teilnehmern Dr. Andreas Schockenhoff MdB, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, und Dr. Hartmut Philippe, Referent für Außen-, Sicherheits- und Europapolitik der CDU/CSU-Fraktion, israelischen Sicherheitsperzeptionen zu vermitteln, den Austausch über die Thematik mit Parlamentariern zu vertiefen sowie den Beitrag Europas und Deutschlands in Fragen der Sicherheit für die Region und für Israel zu eruieren.

Am 9. Oktober führten Michael Mertes, Nadine Mensel und Evelyn Gaiser zunächst ein umfangreiches Briefing mit den Gästen aus Deutschland durch. Dabei wurde nicht nur die Arbeit der KAS Israel allgemein beleuchtet, sondern besonderes Augenmerk auf den „Arabischen Frühling“ als Aufgabenschwerpunkt der Stiftung gelegt. Für Israel spielen nicht allein die Umbruchbewegungen in der arabischen Welt eine Rolle, wenn es um die Formulierung der Außen- und Sicherheitspolitik geht. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit dem iranischen Atomprogramm, das den politischen Diskurs entscheidend prägt und auch eines der Wahlkampfthemen sein wird. Dass über Parlamentswahlen in Israel spekuliert wurde war keine Neuigkeit, und so überraschte es kaum, als Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Abend des 9. Oktober die Auflösung der Knesset verkündete und Wahlen für Januar 2013 in Aussicht stellte.

Unter dem Eindruck dieser Entwicklung standen die politischen Gespräche am zweiten Tag des Studien- und Informationsprogramms. Zuerst fand ein Treffen zwischen den Gästen aus Deutschland mit Oren Anolik, Referatsleiter für Nichtverbreitung/Iran im Israelischen Außenministerium, statt. Bestimmendes Thema war das iranische Atomprogramm und die Mittel der internationalen Gemeinschaft, eine Nuklearisierung des Iran zu verhindern. Die Teilnehmer hielten übereinstimmend fest, dass Sanktionen stärker ausgereizt werden müssten. Allerdings verminderte sich die Wirkung dieses Instruments durch die Politik Chinas und Russlands, die als Ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ein schärferes Vorgehen verhinderten.

Beim Treffen mit dem Abgeordneten MK Ronnie Bar-On (Kadima) kamen die Gesprächsteilnehmer ebenso schnell auf den Iran zu sprechen. Darüber hinaus wurden die Umbruchbewegungen in der arabischen Welt kommentiert. Der sog. „Arabische Frühling“ wird in der israelischen Politik mit Vorsicht beobachtet. Die jüngeren Entwicklungen in Ägypten unterstrichen diese Haltung, als mit Mohammed Mursi ein Mitglied der Muslim-Bruderschaft zum Staatsoberhaupt gewählt wurde. Eine wiederholt aufgeworfene Frage in diesem Zusammenhang war, inwiefern der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten eingehalten werden kann, da große Teile der Bevölkerung dieses Abkommen als Verrat betrachteten. Diskussionsstoff lieferten zudem die Sicherheitslage auf dem Sinai, die angespannte Lage in Jordanien sowie die Kämpfe in Syrien.

Um die Position der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu verdeutlichen, betonte der stellv. Fraktionsvorsitzende Dr. Schockenhoff die Notwendigkeit, sowohl innerhalb der EU als auch in der NATO das Kräftepotenzial effizienter zu gestalten, Ressourcen zu bündeln und für neue Integrationsschritte zu sorgen. Selbst wenn Europa momentan vor gravierenden wirtschafts- und finanzpolitischen Problemen steht, sei mehr Integration notwendig. Dass Israels Sicherheit im Interesse der Bundesrepublik liegt, vermittelte Dr. Schockenhoff ebenfalls eindringlich. Diese Position wiederholte er auch beim anschließenden Treffen mit dem Knesset-Abgeordneten und Vorsitzenden der Israelisch-Deutschen Parlamentariergruppe, MK Yakov Edery (Kadima). Des Weiteren diskutierten die Abgeordneten die angekündigten Wahlen zur Knesset sowie den bevorstehenden Wahlkampf in Deutschland. Wichtig war beiden Seiten, die Bemühungen um ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern auszuleuchten. MK Yakov Edery, Dr. Schockenhoff und Dr. Philippe bedankten sich abschließend für das gegenseitige Vertrauen und unterstrichen die hohe Bedeutung solcher Treffen auf interparlamentarischer Ebene für die israelisch-deutsche Partnerschaft.

Während des Studien- und Informationsprogramms ist mehr als einmal deutlich geworden, dass die Auseinandersetzung mit den Umbrüchen in der arabischen Welt von immenser Bedeutung für die Arbeit der Stiftung ist. Dabei dient der Ideen- und Meinungsaustausch zwischen deutschen und israelischen Politikern und Fachleuten dazu, Wahrnehmungen, Empfindlichkeiten und Vorbehalte zu überdenken und an gemeinsamen neuen Initiativen zu arbeiten, die den Transformationsprozess in den arabischen Gesellschaften begleiten.

Nadine Mensel

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MK Ronnie Bar-On (Kadima) legt Israels Sicherheitsinteressen dar KAS Israel / Nadine Mensel
Dr. Andreas Schockenhoff MdB, Dr. Hartmut Philippe und Michael Mertes (v.r.n.l.) KAS Israel / Nadine Mensel

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