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Veranstaltungsberichte

Von Verhandlungspartnern lernen und Vorurteile ablegen

KAS/Heskem-Workshop am Toten Meer

„Die Entfremdung zwischen Israelis und Palästinensern befördert die Interessen all jener, die die jeweils andere Seite als Feind portratieren möchte“, schrieb der israelische Politologe Neve Gordon kürzlich in der israelischen Tageszeitung Haaretz. Der Wegfall praktisch aller alltäglichen Kontakte zwischen Israelis und Palästinensern – die sich fast nur noch an Checkpoints der israelischen Armee begegnen – habe dazu geführt, dass die gegenseitige Wahrnehmung in zunehmender Weise von Vorurteilen und Stereotypen geprägt sei. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, als seine Veröffentlichung genau auf den Zeitpunkt eines Workshops von Konrad-Adenauer-Stiftung und Heskem fiel, der jener Entfremdung zwischen Israelis und Palästinensener entgegenwirken sollte. Dabei wurden je zwölf junge Israelis und Palästinenser zusammengebracht, um zunächst Fakten des Nahostkonflikts kennenzulernen und anschließend in gemischten Gruppen zu diskutieren. Am Ende wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Plenum vorgestellt.

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Facilitator Amnon Levav stellt die Ziele des Seminars vor.

Unter den Teilnehmern waren auf israelischer Seite Parlamentsassistenten der größten israelischen Parteien, darunter Kadima, Likud und Arbeitspartei, und auf palästinensischer Seite ebenfalls Assistenten von Parlamentariern und Ministern, aber auch junge Geschäftsleute, Journalisten und Juristen. Zwei Mitglieder israelisch-palästinensischer Verhandlungsteams präsentierten in Vorträgen ihre Erfahrungen und Sichtweisen und standen als Ansprechpartner bei den Diskussionsrunden zur Verfügung.

Der erste Tag des Seminars stand zunächst im Zeichen der für beide Seiten strapaziösen Anreise ans Tote Meer in Jordanien: Während die israelischen Teilnehmer eine weite Anreise über den im Norden Israels gelegenen Grenzübergang Sheikh-Hussein-Brücke auf sich nehmen mussten, waren auch die Palästinenser nicht weniger lang unterwegs, obwohl sie über die näher gelegene Allenby-Brücke einreisen konnten – was jedoch mit langer Wartezeit und gründlicher Passkontrolle verbunden ist.

Trotz der ermüdenden Reise nahm die Gruppe von Anfang an mit großem Elan an dem Seminar teil: In der ersten, vom israelischen Facilitator Amnon Levav moderierten Sitzung ging es darum, einander kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen und eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Dazu wurden Israelis und Palästinenser zu gegenseitigen Vorstellungsrunden zusammengeführt – die anschließenden Gespräche wurden später in ungezwungener Atmosphäre beim Abendessen fortgeführt. Amnon Levav erklärte eingangs die Zielsetzung des Seminars: Es gehe nicht darum, Meinungen zu ändern, sondern dazu beizutragen, dass die Teilnehmer alternative Standpunkte kennenlernen und feststellen, dass man Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven betrachten könne – Ziel sei es deshalb in erster Linie, eigene Überzeugungen zu reflektieren und neu zu überdenken.

Als faktische Grundlage der folgenden Diskussionen dienten zu Beginn des zweiten Seminartages die Vorträge von Shaul Arieli und Sameh el-Abed. Shaul Arieli ist ehemaliger israelischer Brigade-Kommandeur für den Gaza-Streifen und hat als ehemaliger Chef der israelischen regierungsamtlichen Peace Administration an zahlreichen Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern teilgenommen. Er gilt als einer der führenden Experten zu Fragen einer möglichen zukünftigen Grenzregelung zwischen beiden Seiten.

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Shaul Arieli ging in seinem Vortrag ausführlich auf Lösungsansätze zur Festlegung zukünftiger Grenzen ein.

In seinem Vortrag präsentierte er die historische Entwicklung des Konflikts und legte die aktuelle Situation, etwa des israelischen Siedlungsbaus, dar. Dabei stellte er als positiv heraus, dass ein Großteil der israelischen Siedler nah an der Grünen Linie wohne. Es sei deshalb theoretisch möglich, mit Gebietsaustäuschen und leichten Grenzverschiebungen zu einer Lösung zu gelangen. Arieli präsentierte dazu einige konkrete Ansätze.

Samih el-Abed, Mitglied des palästinensischen Verhandlungskomitees und ehemaliger Minister für Infrastruktur, vertrat die palästinensische Sichtweise und betonte, Frieden könne nur erreicht werden, wenn die Palästinenser ihre historischen Rechte erreichten. An die Seminarteilnehmer beider Nationen appellierte er, ihre Energien dafür einzusetzen, die Situation zu ändern und zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts beizutragen.

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Samih el-Abed während seines Vortrages.

Diese Aufforderung wurde in den anschließenden Sitzungen mit bemerkenswertem Einsatz von den Teilnehmern beider Seiten angenommen: In mehreren Arbeitsgruppen, die aus je zwei Israelis und zwei Palästinensern bestanden, wurden konkrete Themen wie Siedlungsbau, Landtausch, Flüchtlinge und die zukünftigen Beziehungen zwischen beiden Seiten nach einem Friedensschluss diskutiert. Dabei wurde trotz teilweise stark divergierender Einschätzungen konstruktiv diskutiert und in konzentrierter Arbeit jeweils eine Position erarbeitet, die am Abschlusstag allen Teilnehmern präsentiert wurde.

Eines der wichtigsten Ergebnisse des Seminars war zweifellos, die junge Generation beider Seiten im offenen Dialog zusammenzubringen – und so Vorurteilen und Stereotypen entgegenzuwirken. Dass dies gelungen ist, zeigte die rege und interessierte Interaktion zwischen den Teilnehmern, die auch über das Seminar hinaus weitergeführt werden soll.

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